Wahlrechtsausschluss von Vollbetreuten und schuldunfähig untergebrachten Straftätern
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A hat einen Betreuuer zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten. B ist in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Beide waren deshalb von der letzten Bundestagswahl ausgeschlossen (§ 13 Nr. 2 und 3 BWahlG alte Fassung). Sie erheben Wahlprüfungsbeschwerde vor dem BVerfG.
Einordnung des Falls
Wahlrechtsausschluss von Vollbetreuten und schuldunfähig untergebrachten Straftätern
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A und B sind aufgrund ihres Wahlrechtsausschlusses im Rahmen der Wahlprüfungsbeschwerde (Art. 41 Abs. 2 GG, § 13 Nr. 3 Alt. 1 BVerfGG) selbst beschwerdefähig (§ 48 Abs. 1 BVerfGG).
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Ja!
2. Beschwerdebefugt bei der Wahlprüfungsbeschwerde ist nur, wer darlegt, dass der gerügte Wahlfehler Einfluss auf die Mandatsverteilung im Parlament haben konnte (sog. Mandatsrelevanz).
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Nein, das ist nicht der Fall!
3. § 13 Nr. 2 BWahlG a.F., nach dem Personen von der Wahl ausgeschlossen sind, für die gerichtlich ein Betreuer zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten bestellt ist, beeinträchtigt den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG).
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Ja, in der Tat!
4. Beeinträchtigungen der Allgemeinheit der Wahl sind gerechtfertigt, wenn für sie ein zwingender Grund besteht.
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Ja!
5. Die Beeinträchtigung der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) durch § 13 Nr. 2 BWahlG a.F. ist zum Schutz des Charakters der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes gerechtfertigt.
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Nein, das ist nicht der Fall!
6. § 13 Nr. 2 BWahlG a.F. greift auch in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG ein.
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Ja, in der Tat!
7. Der Eingriff in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG durch § 13 Nr. 2 BWahlG a.F. ist zum Schutz des Charakters der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes gerechtfertigt.
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Nein!
8. Auch § 13 Nr. 3 BWahlG a.F., nach dem Personen von der Wahl ausgeschlossen sind, die sich auf Grund gerichtlicher Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden (§§ 63, 20 StGB), beeinträchtigt den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG).
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Genau, so ist das!
9. Die Beeinträchtigung der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) durch § 13 Nr. 3 BWahlG a.F. ist zum Schutz des Charakters der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes gerechtfertigt.
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Nein, das trifft nicht zu!
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ri
24.7.2021, 02:12:25
Damn. Deswegen ist die letzte Grundrechtsklausur also daneben gegangen. Ich dachte a.F. heißt *as fuck* und bricht Verfassung, Bundesrecht und Landesrecht.
Trowa Barton
8.9.2021, 20:30:29
Dieser Kommentar ist hoffentlich ein Troll.
Jay Jay Okocha
26.10.2022, 16:42:26
Das ist das Beste, was ich seit langem gelesen habe.

Ira
14.8.2021, 12:30:35
was ist denn nun die AGL? Artikel 41 II GG, §13 Nr 3 BVerfG ist doch für den Ausschluss Abgeordneter??
Wendelin Neubert
4.1.2022, 18:15:35
Hallo Ira, sorry für die späte Antwort. Also, ich weiß nicht genau was du mit Anspruchsgrundlage meinst, aber der statthafte Rechtsbehelf ist hier die Wahlprüfungsbeschwerde gemäß Art. 41 Abs. 2 GG, § 13 Nr. 3 BVerfGG. § 13 Nr. 3 Alt. 1 BVerfGG sieht die Zuständigkeit des BVerfG vor für Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundestags, die die Gültigkeit einer Wahl betreffen. Damit bezieht § 13 Nr. 3 Alt. 1 BVerfGG sich auf Art. 41 Abs. 1 S. 1 GG - die Wahlprüfung ist Sache des Bundestags - und Art. 41 Abs. 2 GG, wonach gegen Entscheidungen des Bundestags u.a. über die Wahlprüfung Beschwerde an das BVerfG statthaft ist. Die zweite Konstellation, für die Art. 41 Abs. 2 GG, § 13 Nr. 3 BVerfGG die Beschwerde an das BVerfG vorsehen, betrifft den Ausschluss Abgeordneter (siehe Art. 41 Abs. 1 S. 2 GG, § 13 Nr. 3 Alt. 2 BVerfGG) - die ist hier aber nicht einschlägig. Hoffe das hilft. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

Pilea
2.11.2022, 08:02:54
Das heißt, die betreffenden Gruppen können nicht mehr ausgeschlossen werden, oder nur noch im Einzelfall? Was wäre dann die rechtliche Grundlage dafür?
asanzseg
21.2.2023, 13:43:03
Hallo Pilea, die Antwort kommt wahrscheinlich viel zu spät(hoffentlich für andere hilfreich). Früher wurde nach §13 BWahlG a.F. diejenigen grundsätzlich (d.h. ohne Einzelfallprüfung oder Ermessensspielraum) von der Wahlberechtigung ausgeschlossen, die in der Psychiatrischen Anstalt waren, oder für die ein Betreuer nach §1814 BGB bestellt war. Nun heißt es in §13 BWahlG dass es für einen Wahlausschluss eines richterlichen Beschlusses bedarf (Einzelfallprüfung). LIEBE GRÜSSE

Pilea
22.2.2023, 14:47:31
Danke dir! Ich freue mich auch über spätere Antworten 😊🤷♀️
Raphaeljura
2.4.2023, 06:02:34
Hallo. Ich habe eine Frage zu subjektiven Verletzung nach Art. 48 III GG. Das BVerfG kann die Verletzung feststellen, aber gleichzeitig die Wahl für gültig erklären. Was bringt dann die Feststellung? Bzw. was ist dann die Rechtsfolge? Danke.