Beschwerdefähigkeit von juristischen Personen des Privatrechts (Art. 19 Abs. 3 GG)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die in Deutschland ansässige und vollständig in Privateigentum befindliche B-AG produziert Atemschutzmasken und vertreibt diese vorwiegend in China. Im Rahmen der Corona Pandemie beschließt der Bundestag durch Gesetz alle Masken der B-AG entschädigungslos zu beschlagnahmen. Dadurch soll ein effektiver Schutz der Bürger vor einer Infektion gewährleistet werden. Die B-AG sieht sich in ihrer Eigentumsfreiheit verletzt und erhebt Verfassungsbeschwerde.

Einordnung des Falls

Beschwerdefähigkeit von juristischen Personen des Privatrechts (Art. 19 Abs. 3 GG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde setzt die Beschwerdefähigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG) der B-AG voraus.

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Genau, so ist das!

Fähig, eine Beschwerde zum BVerfG zu erheben (Beschwerdefähigkeit) ist Jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt worden zu sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). Beschwerdefähig sind alle Personen, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können. Auf die tatsächliche Trägerschaft des gerügten Rechts kommt es nicht an. Auch inländische juristische Personen können Träger von Grundrechten sein, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind (Art.19 Abs.3 GG).

2. Die B-AG ist beschwerdefähig, Verfassungsbeschwerde gegen die Enteignung zu erheben.

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Ja, in der Tat!

Beschwerdefähig sind alle Personen, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können. Die B-AG rügt die Verletzung ihrer Eigentumsfreiheit (Art.14 Abs.1 GG). Inländische juristische Personen und Personenvereinigungen des Privatrechts können sich auf Grundrechte berufen, wenn sie ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG). Dies ist der Fall, wenn das Grundrecht kollektiv ausgeübt werden kann. Maßgeblich ist hierbei, welche Freiheitsräume die Grundrechte schaffen sollen und ob die juristische Person diese Freiheitsräume auch nutzen kann. Juristische Personen können Inhaber einer Eigentumsposition sein, das Eigentumsrecht kann folglich kollektiv ausgeübt werden. Als inländische juristische Person des Privatrechts ist die B-AG Träger der Eigentumsfreiheit (Art.14 Abs.1 GG) und somit beschwerdefähig.

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JO

jomolino

17.12.2021, 18:20:30

In all den Fragen weiß ich nicht ob ihr auf die Beschwerdefähigkeit (jedermann) oder die beschwerdebefugnis abzielt, wenn ihr schon spezifische Grundrechte ansprecht. Wie ist sas gemeint? Zumal es keine weiteren Kapitel gibt…

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.12.2021, 20:30:12

Vielen Dank für Deine Frage, nomamo! In dieser Einheit geht es zunächst um die Beschwerdefähigkeit. Wie Du richtig sagst, ist dabei "jedermann" beschwerdefähig. Handelt es sich in der Klausur um eine natürliche Person, so kannst Du das (und auch die Prozessfähigkeit) kurz feststellen und zu den nächsten Punkten weitergehen (tauglicher Beschwerdegegenstand und dann Beschwerdebefugnis). Anders ist dies, wenn - wie hier - eine juristische Person auf den Plan tritt. Hier liegt Beschwerdefähigkeit nur vor, wenn die Grundrechte nach Art. 19 Abs. 3 GG auf diese wesensmäßig anwendbar sind. Insofern ist hier der Begründungsaufwand wesentlich höher als bei natürlichen Personen und bereits auf der Ebene der Beschwerdefähigkeit sind die in Frage kommenden Grundrechte anzusprechen (vgl. BVerfG NVwZ 2008, 670; Grünewald, in: BeckOK-BVerfGG, 11.Ed, 01.07.2021, § 90 RdNr. 24). Die Beschwerdebefugnis wird übrigens einige Sessions später behandelt: https://applink.jurafuchs.de/qiAIkdTk4lb Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

KingintheNorth

KingintheNorth

8.1.2022, 18:22:01

Sollte dann bereits im Rahmen der Beschwerdefähigkeit bzgl. der Frage ob eben Art. 14 GG auf eine juristische Person anwendbar ist zwischen den Ansichten des personellen Substrats und der Grundrechtstypischen Gefährdungslage entschieden werden?

QU

QuiGonTim

27.3.2022, 17:46:25

Die Begründung der Beschwerdefähigkeit ähnelt hier sehr stark der Begründung der Eröffnung des persönlichen Schutzbereichs. Inwieweit unterscheiden sich beide im Falle von juristischen Personen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.3.2022, 11:18:19

Hallo QuiGonTim, vielen Dank für die Nachfrage. In der Tat besteht hier ein Gleichlauf. Sofern also in der Klausur sowohl nach der Zulässigkeit als auch der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde gefragt wird, kannst Du bei der Eröffnung des persönlichen Schutzbereiches auf vorangegangene Ausführungen verweisen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Sambadi

Sambadi

19.4.2022, 20:32:13

Generell hab ich bei Ö-Rechtklausuren gemerkt, dass je mehr man schon in der Zulässigkeit anspricht und zum Teil abarbeitet, desto einfacher und übersichtlicher wird dann die Begründetheit. Insbesondere hinsichtlich subjektiver Rechtverletzungen in der Klagebefugnis innerhalb von Verwaltungsrechtlichen Klausuren, aber auch wie man schön sehen kann hier!


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