+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T plant mit D, wie diese gemeinsam O erschrecken können. Dazu soll D auf O mit einer Spielzeugwaffe schießen. T überreicht dem D jedoch eine echte Waffe, was dieser zunächst nicht erkennt. Auf dem Weg zu O erkennt D jedoch, dass es sich um eine echte Waffe handelt und lässt von dem Vorhaben ab.

Einordnung des Falls

Bei mittelbarer Täterschaft 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Totschlages (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

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Genau, so ist das!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen und daher bereits im Versuch strafbar (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).

2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Totschlages.

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Ja, in der Tat!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T ist entschlossen den O zu töten beziehungsweise töten zu lassen.

3. T hat „Tatentschluss“, die Tat durch D zu begehen.

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Ja!

Der Täter muss Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale haben. Daher ist im Tatentschluss die Vorstellung des Täters mit den Theorien über die Täterschaft und Teilnahmetheorien zu prüfen. Nach herrschender Ansicht ist daher auf die Tatherrschaft abzustellen und ob der Täter sich eine Situation vorstellt, die, würde sie zutreffen, eine Tatherrschaft begründen würde. T stellt sich vor, den D als undoloses Werkzeug zu nutzen und die Wahrheit zu verschweigen. Tatentschluss in Bezug auf die mittelbare Täterschaft liegt daher vor.

4. T hätte unstreitig die Versuchsschwelle überschritten, wenn D auf O geschossen hätte.

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Genau, so ist das!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Im Rahmen der mittelbaren Täterschaft ist der Versuchsbeginn umstritten. Hat der Tatmittler selbst unmittelbar angesetzt, wird jedoch ein unmittelbares Ansetzen des Täters unstreitig bejaht. Hätte D auf O geschossen, hätte D unmittelbar zur Tat angesetzt. Damit hätte auch T unmittelbar angesetzt.

5. Nach der Rechtsprechung hat T die Versuchsschwelle überschritten, als er D die Waffe gab und diesen losschickte.

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Ja, in der Tat!

Die Rechtsprechung vertritt die Entlassungslösung (auch modifizierte Einzellösung genannt), wonach der Täter bei Entlassung des Tatmittlers in das Versuchsstadium tritt, wenn dieser die Tat alsbald begeht und der Täter den Eintritt der Tathandlung für sicher hält. Ist der Eintritt der Tathandlung unsicher, dann liegt erst bei unmittelbarem Ansetzen des Tatmittler ein Versuch beim Täter vor. T ging davon aus, dass D auf O schießen würde. Indem T den D entließ, trat er ins Versuchsstadium. Nach der Einzellösung liegt ein unmittelbares Ansetzen bereits bei Einwirkung vor, wobei teilweise auf den Beginn der Einwirkung und teilweise auf die Beendigung der Einwirkung abgestellt wird.

6. Auch nach der Gesamtlösung hat T die Versuchsschwelle überschritten.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Gesamtlösung liegt ein unmittelbares Ansetzen erst dann vor, wenn der Tatmittler in das Versuchsstadium eintritt. D selbst hat noch nicht unmittelbar zum Schuss angesetzt. T hätte somit zu keinem Zeitpunkt die Versuchsschwelle überschritten, obwohl er einen entsprechenden Vorsatz hatte und davon ausging, dass D die Tat bald verwirklich würde. Die Fallgestaltung zeigt die praktische Schwäche der Gesamtlösung. In Betracht käme vorliegend dann lediglich eine versuchte Anstiftung zum Totschlag (§§ 30 Abs. 1, 212 Abs. 1 StGB), wenn man in dem Vorsatz zur Anstiftung ein „Minus“ zum Vorsatz des mittelbaren Täters sieht. Dies erfordert jedoch ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB).

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BL

Blotgrim

7.5.2022, 09:43:26

Eine kleine Anmerkung, wenn es nicht str. ist ob Versuchsstrafbarkeit, Tatenschluss etc. vorliegt, könnte man das auch in einer Frage zusammen fassen. Es ist immer ein bisschen nervig wenn man zum x-ten Mal sagen muss dass Person A Tatenschluss hatte und das der Versuch eines Totschlags strafbar ist. Ist natürlich kein großes Problem, aber es könnte eine angenehme Verbesserung sein 😀 Lg

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.5.2022, 18:16:51

Vielen Dank für den Hinweis, Blotgrim. Zwar ist die Wiederholung von Maßstäben durchaus Teil unseres didaktischen Konzeptes. Bei der Erstellung der neueren Fälle achten wir aber bereits noch stärker als früher darauf, diese bei Wiederholung von sehr ähnlichen Fällen schneller zusammenzulegen. Denn man soll sich ja nicht nur durchklicken, sondern tatsächlich auch etwas mitnehmen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EV

evanici

28.8.2023, 15:04:36

Warum beschreibt ihr D hier als dolos?

JCF

JCF

29.8.2023, 21:22:10

D hat keinen Tötungsvorsatz


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