Beschädigung eines Autos durch Luft-Ablassen der Reifen?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T will sich bei P rächen. Er will sich aber nicht strafbar machen wegen Sachbeschädigung. Statt dem P die Reifen aufzustechen, öffnet T stattdessen die Ventile und lässt die Luft ab.
Einordnung des Falls
Beschädigung eines Autos durch Luft-Ablassen der Reifen?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nach § 303 Abs. 1 StGB ist es strafbar, wenn man eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, es sei denn man ist dazu berechtigt (z.B. als Eigentümer der Sache).
Diese Rechtsfrage lösen 98,5 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Genau, so ist das!
2. Indem T die Luft aus den Autoreifen gelassen hat, hat er das Auto des P "beschädigt" (§ 303 Abs. 1 StGB).
Diese Rechtsfrage lösen 63,9 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
3. T dachte, das Luft-Ablassen sei nicht strafbar. Er hat deshalb ohne Vorsatz gehandelt.
Diese Rechtsfrage lösen 76,6 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein!
4. Für eine Sachbeschädigung erhält der Täter eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis maximal zwei Jahre.
Diese Rechtsfrage lösen 94,6 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Genau, so ist das!
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Juristenfuchs
31.3.2020, 08:24:00
Das Beispiel passt nicht ganz: „[…] eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, es sei denn man ist dazu berechtigt (z.B.Eigentümer der Sache)“ Für den Eigentümer ist die Sache jedoch schon nicht fremd.
gelöscht
31.3.2020, 08:42:29
Ebend - weil eine Sache dem Eigentümer aufgrund seiner Eigentümereigenschaft nicht fremd ist, ist er zur Einwirkung auf sein Eigentum berechtigt. Das beinhaltet auch die Zerstörung. Oder was meinst du genau 🤔?
Tr(u)mpeltier
31.3.2020, 10:09:09
Was Juristenfuchs zu Recht anmerkt, ist, dass das Merkmal der Berechtigung andere Konstellationen ausschließen soll. Hier geht es primär darum, dass der Eigentümer einem Dritten erlaubt, sein Eigentum zu beschädigen oder zu zerstören. Natürlich ist auch der Eigentümer dazu berechtigt, dies müsste aber nicht gesondert in der Definition aufgeführt werden, da der (Allein-) Eigentümer bereits durch das Merkmal fremd als tauglicher Täter ausscheidet.
Juristenfuchs
31.3.2020, 10:14:48
@Tr(u)mpleiter: genau darauf wollte ich hinaus. Ist der Schädiger nämlich Eigentümer und ist ihm die Sache daher nicht fremd, liegt schon dem Grunde nach keine Sachbeschädigung vor. Genau, auch ich verstehe es so, dass die Berechtigung auf die Konstellation der Einwilligung zugeschnitten ist.
LisaMarie20
25.1.2021, 14:22:32
In unseren Unterlagen wurde dieses Beispiel besprochen. Jedoch wurde auch sie Ansicht vertreten dass es „einfach“ sei, die Reifen wieder mit Luft zu befüllen, die Brauchbarkeit also nicht erheblich beeinträchtigt wäre und demnach keine Sachbeschädigung vorliegen würde. Ist das eine Einzelfallentscheidung?
Tr(u)mpeltier junior
25.1.2021, 16:21:08
Hi Lisa, das ist tatsächlich ein wenig vom Sachverhalt abhängig. Geht es zB um ein Fahrrad, das ggfs sogar noch eine Pumpe an der lenkerstange befestigt hat oder lasse ich die Luft am autoreifen heraus, während das auto an der Tankstelle neben einer entsprechenden Anlage zum aufpumpen steht, dann dürfte eine Beschädigung eher zu verneinen sein. Der "Schaden" ist sehr leicht zu beseitigen. Anders dagegen, wenn das Auto vor deiner Haustür steht und dir eine solch unkomplizierte Maßnahme nicht zur Verfügung steht. Auf den letztgenannten Fall dürfte der Sachverhalt abzielen.
ehemalige:r Nutzer:in
21.10.2022, 21:31:32
Zur Situation passt doch auch der § 303 Abs. 2 StGB. T hat das Erscheinungsbild erheblich geändert. Spielt der Paragraph in der Situation noch eine Rolle?

Lukas_Mengestu
26.10.2022, 18:35:34
Hallo M_, aufgrund des im Strafrecht geltenden Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) ist es hier besonders wichtig, nicht über den Wortlaut der entsprechenden Norm hinauszugehen. Durch das Herauslassen der Luft ändert sich an dem Erscheinungsbild des Wagens bzw. des Reifens erst einmal nichts. Tatbestandlich erfasst werden vielmehr Fälle der Verunreinigung des Bemalens, Besprühens, Beschmierens, Überklebens... Insofern wäre hier nur auf § 303 Abs. 1 StGB abzustellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team