+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S und D betreiben als „S&D Laundry GbR“ einen Waschsalon. Handwerker G hat bei ihnen eine Waschmaschine repariert und bisher kein Geld erhalten. G verklagt S erfolgreich auf Zahlung des Werklohns und lässt eine Waschmaschine des Waschsalons pfänden. D will dagegen vorgehen.

Einordnung des Falls

Gesamthandsgemeinschaften: GbR

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthafter Rechtsbehelf des D gegen die Pfändung ist die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO).

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Genau, so ist das!

Die Vollstreckungserinnerung ist statthaft (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn der Erinnerungsführer gegen Vollstreckungsmaßnahmen mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts vorgeht. D kann geltend machen, es liege kein Titel gegen ihn vor (§ 750 Abs. 1 S. 1 ZPO). Das Vorliegen eines Titels ist formelle Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung - D wehrt sich also gegen die Verletzung formellen Rechts. Die Erinnerung (§ 766 ZPO) ist statthaft.

2. Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) ist begründet und hat Erfolg.

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Ja, in der Tat!

Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) ist begründet, wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig war. Die Voraussetzungen jeder Zwangsvollstreckungsmaßnahme sind (1) Titel, (2) Klausel und (3) Zustellung. Um in das Gesellschaftsvermögen zu vollstrecken, muss entweder ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil (§ 736 ZPO) oder ein Titel gegen die Gesellschaft (§ 750 ZPO) selbst vorliegen. Liegt ein solcher Titel nicht vor, ist die Vollstreckungsmaßnahme rechtswidrig und damit unzulässig. Hier existiert nur ein Titel gegen S - das reicht nach § 736 ZPO nicht aus. Die Erinnerung ist begründet und hat Erfolg.

3. Statthaft ist für D auch die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen G.

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Ja!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Zuständigkeit des Gerichts, (3) Rechtsschutzbedürfnis. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (Interventionsrecht) geltend macht (§ 771 Abs. 1 ZPO). Die Waschmaschine gehört S und D als Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) gemeinschaftlich. S kann darüber ohne Einwilligung des D nicht verfügen, ohne rechtswidrig in Rechte des D einzugreifen. D macht also ein Interventionsrecht (§ 771 Abs. 1 ZPO) geltend. Die Drittwiderspruchsklage ist statthaft.

4. Für die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) fehlt D ein Rechtsschutzbedürfnis, weil er auch Erinnerung (§ 766 ZPO) einlegen kann.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Statthaftigkeit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) schließt die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) nicht aus. Denn die Erinnerung richtet sich primär gegen das formelle Vollstreckungsverfahren, während mit der Drittwiderspruchsklage das materielle Recht durchgesetzt wird. Die Drittwiderspruchsklage ist daher „rechtsschutzintensiver“. Da die Drittwiderspruchsklage statthaft ist und D ein Rechtsschutzbedürfnis hat, ist die Klage zulässig.

5. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) des D ist begründet.

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist begründet, wenn (1) dem Kläger ein Interventionsrecht tatsächlich zusteht und (2) der Beklagte keine Einwendungen hat. D stehen die Rechte am Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) tatsächlich zu, da er Gesellschafter der GbR ist. G kann jedoch den Missbrauchseinwand (§ 242 BGB) erheben. Denn D haftet für die titulierte Forderung als Gesellschafter der GbR ebenso wie S persönlich (§ 128 S. 1 HGB analog). Der Einwand gilt auch ohne das Vorliegen eines entsprechenden Titels gegen D, weil sich G diesen Titel durch eine Widerklage im Prozess jederzeit beschaffen könnte. Die Drittwiderspruchsklage ist daher unbegründet.

6. D kann die Vollstreckung durch G in das Gesellschaftsvermögen dauerhaft verhindern.

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Nein!

Mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) hat D gar keinen Erfolg gegen die Pfändung. Mit der Erinnerung (§ 766 ZPO) kann er zwar zunächst erreichen, dass die Pfändung für unzulässig erklärt wird und letztlich aufgehoben werden muss. G kann und wird jedoch in der Folge auch gegen D oder direkt gegen die GbR (das ist nach herrschender Meinung möglich; die Außen-GbR ist parteifähig) klagen und kann dann rechtmäßig in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken. Der günstigste Weg für D und S wäre, die Forderung freiwillig zu begleichen, ohne weitere kostspielige Prozesse zu riskieren.

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Isabell

Isabell

11.6.2021, 19:57:54

Wenn doch der G nur den S erfolgreich verklagt hat, wie kann er sich dann schnell und unproblematisch gegen D einen Titel ausstellen lassen? Müsste er dafür nicht erst einmal einen eigenständigen Prozess gegen D führen? Das finde ich nicht besonders schnell und einfach 😅 Er hat ja gerade nicht die juristische Person vetklagt.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.1.2022, 18:23:51

Hallo Isabell, D müsste hier keine neue Klage anstrengen, sondern könnte sich gegen die Drittwiderspruchsklage einfach durch eine Widerklage wehren und sich damit auch gegen D den benötigten Titel verschaffen. Aus diesem Grund wäre die Erhebung der Drittwiderspruchsklage bereits aufgrund des Missbraucheinwandes unbegründet. Beste Grüße, lukas - für das Jurafuchs-Team

EN

Entenpulli

10.7.2023, 21:44:50

Sind ( ggf nur hier?) Missbrauchseinwand und dolo - agit - Einwand dasselbe? Denn die Begründung wirkt auf mich so, als würde man sagen, dass die DWK unbegründet ist, weil man gegen eine Pfändung vorgeht, die man kurze Zeit später sowieso akzeptieren muss.

EV

evanici

10.9.2023, 22:28:00

Das würde mich auch interessieren!


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