Strafrecht
BT 5: Verkehrsdelikte
Unterlassene Hilfeleistung, § 323c StGB
Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c Abs. 1 StGB)
Schema: Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c Abs. 1 StGB)
15. April 2025
4 Kommentare
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Wie prüfst Du den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c Abs. 1 StGB?
Objektiver Tatbestand
Unglücksfall (oder gemeine Gefahr oder gemeine Not)
Ein Unglücksfall ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, das eine erhebliche Gefahr für ein Individualrechtsgut mit sich bringt (z. B. ein Verkehrsunfall oder eine plötzliche Ohnmacht). Eine Gemeine Gefahr liegt vor, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen oder bedeutende Sachwerte durch eine erhebliche Gefahr bedroht werden (z. B. ein Großbrand oder eine Explosion). Eine Gemeine Not ist eine allgemeine Notlage der Bevölkerung oder einer größeren Personengruppe, die ein sofortiges Eingreifen erfordert (oder kanpper: „Eine die Allgemeinheit betreffende Notlage“, Schönke/Schröder/Hecker, 30.A. 2019, StGB § 323c RdNr. 10). Beispiele: Ausfall der Trinkwasserversorgung, lang anhaltende Brennstoffknappheit.
Unterlassen einer Hilfeleistung, die
Hilfe ist eine Tätigkeit, die der Intention nach auf Abwehr weiterer Schäden gerichtet ist.
erforderlich,
Erforderlich ist die Hilfeleistung dann, wenn ohne sie die Gefahr besteht, dass die von § 323c Abs. 1 StGB erfasste Notlage sich zu einer nicht nur unerheblichen Schädigung von Personen oder Sachen von bedeutendem Wert auswirkt. Dies muss man aus der ex ante Sicht eines verständigen Beobachters beurteilen.
dem Täter möglich und
Der Täter muss die Hilfeleistung faktisch erbringen können. Dies hängt von seinen individuellen Fähigkeiten und äußeren Umständen ab (z. B. ist medizinische Hilfe durch einen Laien nur in begrenztem Umfang möglich).
ihm zumutbar ist
Die Hilfeleistung darf den Täter nicht übermäßig belasten. Dieses Tatbestandskorrektiv kann aus verschiedenen Gründen greifen. Eine Hilfeleistung ist insbesondere dann unzumutbar, wenn sie ihn erheblich gefährden oder überfordern würde (z. B. wenn er selbst durch die Hilfeleistung in Lebensgefahr geraten würde).
Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
Der Täter muss vorsätzlich handeln, d. h. er muss wissen, dass ein Unglücksfall vorliegt, und die Hilfeleistung bewusst unterlassen. Bedingter Vorsatz genügt (dolus eventualis).
Schuld
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Josephinee
8.11.2024, 15:38:59
Hallo liebes Jura-Fuchs-Team, eure strafrechtlichen Schemata beginnen sonst immer (wenn nötig) mit I.
Tatbestandsmäßigkeitund erst dann mit 1. Objektiver Tatbestand. Habt ihr die
Tatbestandsmäßigkeithier vielleicht vergessen?
Isa
16.11.2024, 14:20:32
Ich glaube, dass kannst du dir selber zusammenstellen

Linne_Karlotta_
4.2.2025, 15:58:40
Hey ihr zwei, danke für eure Anmerkungen. Der von @[Josephinee](230953) angesprochene Aufbau ist natürlich richtig und gängig. In diesem Schema haben wir allerdings relativ viele Gliederungsebenen, sodass wir uns hier i.R.d. Tatbestands eine „gespart“ haben. Dass ihr den Dreiklang: Tatbestand,
Rechtswidrigkeit, Schuld kennt, setzen wir an dieser Stelle einfach mal voraus. :) Wichtig ist an dieser Stelle vor allem, dass ihr die einzelnen Prüfungspunkte innerhalb des objektiven Tatbestands verinnerlicht, weswegen wir hier den Schwerpunkt gesetzt haben. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
AngeD
5.4.2025, 20:08:46
In der Konstellation, dass ein Täter sein Opfer zunächst schwer körperlich misshandelt und es dann anschließend stirbt: ist auch
unterlassene Hilfeleistungzu prüfen? Kausal für den Tod war die aktive Handlung. Wenn der Tod aber noch verhindert hätte werden können, käme doch auch noch eine Verursachung durch Unterlassen in Betracht?! Oder geht man danach, wo der Schwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens liegt und sieht das anschließende Unterlassen als
mitbestrafte Nachtat?