Definition: Hilflose Lage (§ 221 Abs. 1 StGB)

4. Dezember 2024

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Was versteht man unter einer „hilflosen Lage“ (§ 221 Abs. 1 StGB)?

Die hilflose Lage ist eine Situation, in der das Opfer außerstande ist, sich aus eigener Kraft oder mit Hilfe schutzbereiter und schutzfähiger anderer Personen vor drohenden abstrakten Lebens- oder schweren Gesundheitsgefahren zu schützen.

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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Johaennzen

Johaennzen

9.10.2021, 10:05:28

Handelt es sich bei 221 nicht um ein konkretes Gefährdungsdelikt? Oder warum wird genau auf eine „abstrakte“ Lebens- oder Gesundheitsgefahr abgestellt🤔?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.10.2021, 14:11:16

Hallo Johaennzen, du hast völlig Recht, dass es sich bei der Aussetzung um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt. Indes trennt man bei der Prüfung die verschiedenen Tatbestandsmerkmale auf. Für die hilflose Lage genügt zunächst die abstrakte Lebensgefahr. Im Hinblick auf die Verwirklichung des Tatbestandes muss dann aber noch eine konrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung hinzutreten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Johaennzen

Johaennzen

9.10.2021, 14:42:24

Vielen Dank für die Antwort, ich hatte im Eifer des Gefechts überlesen, dass sich die „Abstraktheit“ auf die hilflose Lage bezieht! Liebe Grüße

ri

ri

10.2.2022, 18:21:07

Inwiefern hat die

abstrakte Gefahr

bei konkreten Gefährdungsdelikten überhaupt eine Bedeutung? Wenn eine konkrete Gefahr Voraussetzung TB-Merkmal ist, ist damit doch auch immer eine

abstrakte Gefahr

enthalten.

Cosmonaut

Cosmonaut

21.1.2024, 18:40:27

Hallo @[ri](

988

45), es gilt zu differenzieren: Die „

abstrakte Gefahr

“, oder vielmehr die „Möglichkeit des Eintritts abstrakter Gefahren für Leib und Leben“ ist lediglich Bestandteil der Definition der „hilflosen Lage“; m.a.W.: Eine Lage ist nur dann eine „hilflose“ iSd § 221 Abs. 1, wenn mit ihr die abstrakte Möglichkeit einer Be

drohung

von Leib und Leben verbunden ist. Die „konkrete Gefahr“ ist indes zwingender Bestandteil der zwei Tatbestandsvoraussetzungen des k o n k r e t e n Gefährdungsdelikts des § 221 Abs. 1: Ein Verhalten ist nur dann nach § 221 Abs. 1 strafbewährt, wenn zu der verwirklichten Tatvariante (1.) - namentlich das „Versetzen“ (a.), oder „Im-Stich-Lassen“ (b.) - noch der Eintritt einer k o n k r e t e n Gefahr (2.) mit einhergeht; m.a.W.: War das Opfer zwar zeitweise in einer Lage, welche ganz abstrakt von Gefahren begleitet wurde (= hilflose Lage; z.B. im Sommer nachts betrunken im Gartenpavillon eingeschlossen / zurückgelassen), aber trat dann gar keine konkrete Gefahr für das Opfer ein (weil es z.B. wieder ausnüchterte und rechtzeitig am nächsten Morgen einen Zweit-Schlüssel im Pavillon fand), dann ist das Verhalten des Täters mangels konkreten Gefahreintritts nicht strafbewährt nach § 221 Abs. 1 (natürlich bleibt § 239 und je nach Vorstellungen des Täters ein Versuch diverser Delikte zu prüfen). Gruß C

Spyce

Spyce

30.7.2022, 18:14:57

Ich bin gerade leider ein wenig verwirrt. Die Definition spricht von „schutzbereiten Dritten“, allerdings wird angenommen, dass sich ein Patient bereits in einer hilflosen Lage befindet, wenn er im Krankenhaus auf die Hilfe des Arztes angewiesen ist (dies würde ja bedeuten, dass §221 I Nr. 2 einschlägig wäre, sollte sich der Arzt entscheiden, dem Patienten nicht zu helfen). Allerdings widerspricht diese Annahme doch der Definitionen oder nicht? Ein Arzt würde durch das Aufgeben seiner Schutzbereitschaft per Definition vielmehr den Patienten in eine hilflose Lage versetzen (wonach §221 I Nr. 1 einschlägig wäre)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.8.2022, 14:25:41

Hallo Spyce, bei der Beurteilung der hilflosen Lage sind alle anderen Menschen zu berücksichtigen. Die hilfslose Lage scheidet aber nur aus, wenn die dritte Person auch "hilfsfähig und hilfswillig" ist. Konsequenterweise muss dann auch die Person berücksichtigt werden, die das Opfer in die hilflose Lage versetzt hat. Von dir korrekt erkannt ist dann das Verhältnis zum Im-Stich-Lassen, § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu klären. Das erfolgt aber erst auf der Konkurrenzebene. (vgl. MüKoStGB, StGB § 221 Rn. 6, beck-online.) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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