Juristische Methodik

Gutachtenstil

Einführung

Welche Sprache verwendest Du im Gutachtenstil?

Welche Sprache verwendest Du im Gutachtenstil?

25. Juni 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Lawra und Tariq sitzen immer noch in der Strafrechts-Vorlesung. Im nächsten Fall geht’s um den Diebstahl eines Jura-Lehrbuchs: Der Prof. setzt an: „X könnte sich wegen Diebstahls strafbar gemacht haben. Dafür müsste das Buch zunächst eine fremde bewegliche Sache sein.“ Lawra fragt Tariq: Warum redet der Prof. im Konjunktiv?

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Einordnung des Falls

Welche Sprache verwendest Du im Gutachtenstil?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Einleitende Sätze – sog. Obersätze – werden im Konjunktiv II formuliert, um eine offene Frage zu formulieren, die sowohl positiv als auch mit negativ beantwortet werden könnte.

Ja, in der Tat!

Der Obersatz eröffnet das Gutachten und dessen einzelne Abschnitte. Weil der Gutachtenstil auf eine ergebnisoffene Prüfung zielt, wird der Obersatz des Gutachtenstils im Konjunktiv II („könnte“, „müsste“, etc.) als offene Frage formuliert. Dadurch ist die Rechtsfrage, die ergebnisoffen zu prüfen ist, in den Raum gestellt, ohne die eigentliche rechtliche Prüfung und deren Ergebnis vorwegzunehmen. Neben der Formulierung von Obersätzen im Konjunktiv II gibt es noch weitere sprachliche Möglichkeiten, eine ergebnisoffene Prüfung einzuleiten. Dazu erfährst Du im weiteren Verlauf dieses Kurses mehr. Das Gegenteil des Obersatzes im Gutachtenstil ist der Obersatz im Urteilsstil, den Du überwiegend im 2. Staatsexamen verwendest. Dort formulierst Du keine offene Frage, sondern stellst das – bereits gefundene – Ergebnis einleitend fest. So lautete der o.g. Obersatz im Urteilsstil: „X hat sich wegen Diebstahls strafbar gemacht. Das Buch ist eine fremde bewegliche Sache.“ Was genau ein Obersatz ist, wann Du ihn einsetzt und welche Sprache und Formulierungen Du dabei im Einzelnen verwendest, erfährst Du sogleich.
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2. Guter Gutachtenstil zeichnet sich aus durch lange Hauptsätze, viele Relativsätze und Formulierungen im Passiv.

Nein!

Deine Sprache muss dem Ziel des Gutachtenstils entsprechen, Schritt für Schritt eine tragfähige rechtliche Lösung herbeizuführen! Beherzige daher die folgenden Maßgaben: Achte darauf, dass Du klar, verständlich und präzise schreibst. Schreib in kurzen, aktiven Sätzen mit klarer Subjekt-Prädikat-Struktur. Achte auf saubere Gedanken- und Leserführung. Vermeide lange Schachtelsätze mit Relativkonstruktionen, Bandwurmsätze und Passiv – sie erschweren das Verständnis. Verwende im Gutachtenstil kein Passiv: Das Passiv vermittelt zwar den Eindruck der Neutralität Deiner Gedankenführung – ein Ziel, das Du mit dem Gutachtenstil erreichen willst – , lässt aber die handelnden Personen ungenannt. In Deiner Klausur ist aber essentiell, wer handelt. Verwende also das Aktiv. Aktivische Sprache hat gegenüber dem Passiv den weiteren Vorteil, dass sie lebendiger daherkommt. Auch Korrektoren sind nur Menschen – wenn ihnen die Lektüre Deines Textes auch sprachlich Freude bereitet, hast Du gleich einen Stein im Brett. Orientiere Dich bitte nicht an der Lehrbuchsprache: Lehrbücher verfolgen nicht nur einen anderen Zweck als der Gutachtenstil. Viele juristische Lehrbücher zeichnen sich leider auch aus durch Textwüsten und Bandwurmsätze, an deren Ende man gar nicht mehr weiß, wo man angefangen hat. Für den Leser ist das eine Zumutung! Diese Zumutung solltest Du in Deiner Rechtssprache und im Gutachtenstil unbedingt vermeiden – nicht zuletzt, weil Du sicherstellen willst, dass die Leser – darunter die Korrektorin Deiner Klausur – Dir folgen können.

3. Guter Gutachtenstil ist geprägt durch Worte wie „sichtlich“, „zweifellos“, oder „offensichtlich“, um die eigenen Ausführungen sprachlich zu verstärken.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ausgehend vom Ziel des Gutachtenstils sollte die Sprache im Gutachtenstil neutral und sachlich sein. Formulierungen wie „offensichtlich“ oder „ohne Zweifel“ sind wertend – sie ersetzen die eigentliche rechtliche Prüfung. Mit dem Gutachtenstil wollen Juristen die Leser gerade durch ihre Gedankenführung und Argumentation überzeugen, nicht durch Rhetorik. Formulierungen wie „offensichtlich“ oder „ohne Zweifel“ solltest Du aus Deinem juristischen Wortschatz verbannen! Sie verstärken Deine Argumentation nur scheinbar. Sie lassen den Korrektur vermuten, dass Du Dir die Subsumtion sparen willst. Und sie verleiten Dich dazu, zu schnell einen Schluss zu ziehen und dabei Problematisches in Deinem Fall zu übersehen!
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