Unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch


Wie prüfst Du den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch?

  1. Normative Herleitung des Staatshaftungsanspruchs

    Der unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wurde vom EuGH im Fall Francovich entwickelt und ist seitdem als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkannt. Die Notwendigkeit ergibt sich in erster Linie aus dem Effektivitätsgrundsatzes und dem Grundsatz der Unionstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV, wonach nationale Gerichte für die volle Wirksamkeit des Unionsrechte sorgen und die Durchsetzung der subjektiven Rechte schützen müssen. Die volle Wirksamkeit wäre aber beeinträchtigt, wenn der Einzelne keine Entschädigung für den Fall der Verletzung solcher Rechte bekäme. Als Rechtsgrundlage wird ferner eine Analogie des Art. 340 UA 2 AEUV herangezogen.

  2. Verletzung einer individualberechtigenden Norm des Unionsrechts

    Grundsätzlich reicht jede Verletzung von Unionsrecht aus. Anders als beim nationalen Staatshaftungsanspruch ist auch Legislativunrecht umfasst. Eine unionsrechtswidrige Verwaltungspraxis oder die Verletzung von Unionsrecht durch ein Gericht sind ebenso einschlägig. Der häufigste Anwendungsfall ist die Nichtumsetzung bzw. die fehlerhafte Umsetzung einer Richtlinie.

  3. Hinreichend qualifizierter Verstoß

    Für einen hinreichend qualifizierten Verstoß muss das Ermessen offenkundig und erheblich überschritten werden. Der angelegte Maßstab ist bei den drei Gewalten unterschiedlich. Bei Verwaltungshandeln ist er aufgrund der geringen demokratischen Legitimation strenger als bei gesetzgeberischem Handeln. Das Erfordernis der Offenkundigkeit und Erheblichkeit wird durch folgende Kriterien konkretisiert: (1) die Klarheit und Bestimmtheit der Vorschrift, (2) den Umfang des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten, (3) den Verschuldensgrad des Mitgliedstaates, (4) die Entschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtum und (5) das Mitverschulden eines EU-Organs.

  4. Schaden und Kausalität

  5. Rechtsfolge

    Die Rechtsfolge des Staatshaftungsanspruchs ergibt sich aus dem jeweiligen nationalen Recht. Nach deutschem Recht gelten daher die Ausschlussgründe gemäß § 839 Abs. 3, § 254 und § 195 BGB. Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB, wobei im Fall von Judikativunrecht keine Naturalrestitution möglich ist, weil dies eine Aufhebung des Urteils bedeuten würde. Zu beachten ist, dass der BGH keine Modifikation des nationalen Staatshaftungsanspruchs vornimmt, sondern einen unabhängigen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch anwendet, der dem des EuGHs nachgebildet ist.

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