Lawra will sich einen Überblick über die Prüfungspunkte des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs verschaffen. Wie könnte eine Prüfungsreihenfolge aussehen?

  1. Dogmatische Herleitung

    In der Klausur sollte die dogmatische Herleitung des Anspruchs aus Art. 20 Abs. 3 GG, der Abwehrfunktion der Grundrechte und dem Rechtsgedanken der §§ 1004, 12, 862 BGB zumindest kurz genannt werden. Eine Streitentscheidung ist wegen der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung jedoch entbehrlich.

  2. Tatbestand

    Zunächst muss geprüft werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs vorliegen. Tatbestandlich erinnert der öffentlich-rechtliche Anspruch an den privatrechtlichen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. (1) Es muss ein öffentliches subjektives Recht betroffen sein (entspricht der "Rechtsgutsverletzung" im Privatrecht) und (2) ein hoheitlicher Eingriff vorliegen (= "Verletzungshandlung" des § 823 BGB). (3) Es wird, wie bei § 1004 BGB, danach unterschieden, ob der Eingriff andauert (= Abwehranspruch) oder zu erwarten (= Unterlassungsanspruch) ist. (4) Das Handeln muss schließlich auch rechtswidrig sein.

    1. Betroffenheit eines subjektiv-öffentlichen Rechts

      Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs wird zunächst die Betroffenheit eines subjektiv-öffentlichen Rechts als Bezugspunkt des hoheitlichen Eingriffs geprüft. Das subjektive Recht folgt häufig aus den Grundrechten. Der Schutzbereich des Grundrechts sollte an dieser Stelle erläutert werden, damit im nächsten Schritt geprüft werden kann, ob das hoheitliche Handeln diesen Schutzbereich berührt.

    2. Hoheitlicher andauernder Eingriff

      Im Rahmen der Prüfung eines andauernden hoheitlichen Eingriffs muss das Handeln zunächst (1) als hoheitlich qualifiziert werden, damit dann (2) der Eingriffscharakter des Handelns geprüft werden kann und schließlich (3) geprüft werden kann, ob der Eingriff bereits begonnen hat und andauert. Dabei müssen nicht immer alle Punkte ausführlich schematisch geprüft werden, sondern nur die Merkmale näher thematisiert werden, die problematisch erscheinen. Unproblematische Merkmale können im verkürzten Gutachtenstil festgestellt werden.

      1. Abgrenzung hoheitliches / privatrechtliches Handeln

        Gerade bei Realhandeln stellt sich die Frage, ob der Staat öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich gehandelt hat. Maßgeblich für den Rechtscharakter der staatlichen Handlung ist die Zielsetzung und der Sachzusammenhang. Steht die Handlung im Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung und gibt es keine Indizien dafür, dass die Aufgabe ausnahmsweise privatrechtlich wahrgenommen wird, ist das Handeln hoheitlich.

      2. Eingriffscharakter des Handelns

        Ein klassischer Eingriff liegt vor, wenn das staatliche Handeln final und unmittelbar auf die Verkürzung von Freiheitsrechten gerichtet ist und mit Befehl und Zwang durchsetzbar ist. Ausreichend ist jedoch, wenn ein Eingriff nach dem (weiteren) modernen Eingriffsbegriff bejaht werden kann. Ein Eingriff liegt danach in jeder hoheitlichen Maßnahme, die zurechenbar grundrechtliche Gewährleistungen verkürzt. Ob die Maßnahme rechtsförmig (z.B. durch befehlenden Verwaltungsakt) oder nur faktisch erfolgt, ist irrelevant.

      3. Eingriff besteht und dauert an

        Die Beeinträchtigung durch das staatliche Verhalten muss tatsächlich noch andauern. Hier erfolgt die Abgrenzung zum vorbeugenden Unterlassungsanspruch, bei dem eine Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr glaubhaft gemacht werden muss. Dieser Prüfungspunkt bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten.

    3. Rechtswidrigkeit des Eingriffs

      Die Prüfung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs ist regelmäßig ein Klausurschwerpunkt. Nicht jeder staatliche Eingriff führt zu einem Abwehranspruch des Betroffenen. Geprüft werden muss, ob das hoheitliche Handeln gerechtfertigt ist. Hier können vor allem auch Duldungspflichten des Betroffenen relevant werden.

  3. Rechtsfolge

    Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Anspruchs vor, kann die Beendigung der andauernden Beeinträchtigung verlangt werden. Dabei gilt es jedoch, bestimmte Grenzen des Anspruchs zu beachten.

    1. Unterlassung des rechtswidrigen Eingriffs

      Der Betroffene kann von dem Hoheitsträger verlangen, dass der andauernde Eingriff unterlassen wird. Er hat gerade keinen Anspruch auf eine bestimmte Schutzmaßnahme (z.B. den Einbau von Schallschutzmaßnahmen).

    2. Anspruchsgrenzen

      Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Anspruch ganz oder teilweise entfallen, obwohl der Tatbestand erfüllt ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die Erfüllung des Anspruchs dem Hoheitsträger aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unzumutbar ist. Die Prüfung der Unzumutbarkeit läuft auf eine Interessenabwägung hinaus, in der das Interesse des Betroffenen an der Beendigung der Beeinträchtigung gegen den Aufwand des Hoheitsträgers abgewogen wird. Weiterhin kommt die Verwirkung des Anspruchs in Betracht, wenn dessen Geltendmachung Ausdruck eines widersprüchlichen Verhaltens ist.

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