Wie prüfst Du die Rechtmäßigkeit eines öffentlich-rechtlicher Vertrags?

  1. Vertrag

    In Abgrenzung zu anderen Handlungsformen der Verwaltung ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Vertrag vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Einigung beider Vertragsparteien (Behörde und Bürger) über die Herbeiführung eines Rechtserfolges vorliegt. Ist nicht ganz klar, ob ein Vertragsschluss vorliegt, können Dir die Grundsätze aus dem Zivilrecht helfen.

  2. Öffentlich-rechtliche Natur

    Steht fest, dass ein Vertrag vorliegt, ist im zweiten Schritt zu prüfen, ob dieser öffentlich-rechtlicher Natur ist. Der Vertragsgegenstand muss nach allgemeiner Ansicht dem Verwaltungsrecht zuzuordnen sein. Dies kann nach den allgemeinen Abgrenzungstheorien, vor allem der modifizierte Subjektstheorie, bestimmt werden. Gerade, wenn der Vertrag an die Stelle eines Verwaltungsakts tritt, liegt die öffentlich-rechtliche Natur des Vertrages auf der Hand und muss nicht besonders ausführlich begründet werden.

  3. Rechtmäßigkeit des Vertrags

    Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag kann, wie auch ein Verwaltungsakt, rechtswidrig sein.

    1. Zulässigkeit der Vertragsform

      Zunächst müsste die Behörde überhaupt durch Vertrag gehandelt haben dürfen. Unzulässig ist der öffentlich-rechtliche Vertrag als Handlungsform, wenn das Gesetz ausdrücklich oder stillschweigend eine andere Handlungsform vorschreibt (vgl. § 54 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Beispielsweise sieht §§ 8 Abs. 2, 23 BeamtStG vor, dass die Ernennung zum Beamten und Entlassung aus dem Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt erfolgen müssen. Ein Beispiel für ein generelles Verbot ist das Vertragsschlussverbot in Steuer- und Abgabenangelegeheiten, welches aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abgeleitet wird.

    2. Formelle Rechtmäßigkeit

      Der Vertrag müsste formell rechtmäßig sein. Dies setzt vor allem voraus, dass Zuständigkeits- und Formvorschriften eingehalten wurden.

      1. Zuständigkeit

        Die vertragsschließende Behörde muss örtlich, sachlich, funktionell und instantiell zuständig sein. Die Zuständigkeiten folgen aus dem jeweils einschlägigen Fachrecht, § 3 VwVfG gilt subsidiär.

      2. Form

        Öffentlich-rechtliche Verträge bedürfen nach § 57 VwVfG der Schriftform, wenn durch andere Rechtsvorschriften (dazu gehören nach ganz h.M. auch Rechtsverordnungen und Satzungen) keine andere Form vorgeschrieben ist. Über § 62 S. 2 VwVfG sind ergänzend die §§ 126 ff. BGB entsprechend anwendbar. Diese ergänzen das Schriftformerfordernis.

      3. Ggf. Zustimmung

        Greift ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in die Rechte eines Dritten ein, so bedarf es dessen schriftlicher Zustimmung (§ 58 Abs. 1 VwVfG).

    3. Materielle Rechtmäßigkeit

      Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit muss der öffentlich-rechtliche Vertrag inhaltlich überprüft werden. Nach § 54 S. 1 VwVfG dürfen öffentlich-rechtliche Verträge nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Damit ist das Verfassungsrecht, Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen sowie unmittelbar wirkendes EU-Recht gemeint. Als Ausfluss aus der rechtsstaatlichen Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), sind auch ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze des Verfassungs- und Verwaltungsrechts zu beachten. Letztlich prüfst Du an dieser Stelle den Inhalt des öffentlich-rechtlichen Vertrags so, wie Du den Inhalt eines Verwaltungsakts überprüfen würdest.

  4. Folgen der Rechtswidrigkeit

    Nicht jeder rechtswidrige öffentlich-rechtliche Vertrag ist auch automatisch rechtsunwirksam (= nichtig). Fehlt z.B. die Zustimmung gem. § 58 VwVfG, so ist der Vertrag nur schwebend unwirksam bis die Zustimmung eingeholt wurde. Ob ein Vertrag nichtig ist, richtet sich nach § 59 VwVfG. Hier bietet es sich an, zunächst das Vorliegen eines speziellen Nichtigkeitsgrundes nach § 59 Abs. 2 VwVfG zu überprüfen, bevor über § 59 Abs. 1 VwVfG die („allgemeine“) Nichtigkeit aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften des BGB geprüft wird. Ist ein Vertrag nichtig, kann der in Anspruch genommene Vertragspartner die Erfüllung des Vertrags verweigern und bereits erbrachte Leistungen zurückverlangen. Die Abwicklung nichtiger Verträge geschieht über die entsprechende Anwendung der einschlägigen Vorschriften des BGB (§ 62 S. 2 VwVfG).

  5. Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines Anspruchs

    Ist ein Vertrag nichtig, kann der in Anspruch genommene Vertragspartner die Erfüllung des Vertrags verweigern und bereits erbrachte Leistungen zurückverlangen. Die Geltendmachung dieser Rückabwicklungsansprüche kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig sein. Dieser spezielle Fall sollte in der Regel ziemlich deutlich im Sachverhalt angelegt sein. Nur dann musst Du diesen Prüfungspunkt überhaupt erwähnen.

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