Einstweilige Verfügung (Prüfungsschema)


Wie könntest Du die Prüfung der einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) aufbauen?

  1. Zulässigkeit des Antrags

    Zunächst musst Du prüfen, ob der Antraf auf Erlass einer einstweiligen Verfügung überhaupt zulässig ist.

    1. Allgemeine Prozessvoraussetzungen

      Natürlich müssen auch bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die allgemeinen Prozessvoraussetzungen wie Partei- und Prozessfähigkeit vorliegen. Hier musst Du in der Regel nur die Punkte (ausführlicher) ansprechen, die problematisch erscheinen.

    2. Statthaftigkeit der einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff. ZPO)

      Das einstweilige Verfügungsverfahren ist statthaft, wenn es um die vorläufige Sicherung anderer als der in § 916 Abs. 1 ZPO aufgeführten Ansprüche geht (z.B. auf Herausgabe oder Unterlassung). Insoweit ist zum Arrest (§§ 916 ff. ZPO) abzugrenzen. Im Rahmen der Statthaftigkeit musst Du zudem zwischen Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO), Regelungsverfügung (§ 940 ZPO) und Leistungsverfügung (§ 940 ZPO analog) unterscheiden und darstellen, welche Art von Verfügung im konkreten Fall statthaft ist.

    3. Zuständigkeit des Gerichts (§§ 937, 942 ZPO)

      Nach § 937 ZPO ist für den Erlass einstweiliger Verfügungen grundsätzlich das Gericht der Hauptsache (§ 943 ZPO) zuständig. Anders als beim Arrest (§ 919 ZPO) ergibt sich nur ausnahmsweise eine Zuständigkeit des Amtsgerichts am Belegenheitsort der Sache (§ 942 ZPO). Die in §§ 937, 942, 943 Abs. 1 ZPO geregelten Zuständigkeiten sind ausschließliche Zuständigkeiten, § 802 ZPO.

    4. Ordnungsgemäße Antragstellung (§§ 936, 920 Abs. 3 ZPO)

      Nach § 936 ZPO sind auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen die Vorschriften über das Arrestverfahren entsprechend anzuwenden, soweit nicht die §§ 937 ff. ZPO abweichende Vorschriften enthalten.

      1. Form (§§ 936, 920 Abs. 3 ZPO)

        Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden (§§ 936, 920 Abs. 3 ZPO). Für die Einlegung des Verfügungsantrags besteht kein Anwaltszwang (§§ 936, 920 Abs. 3, 78 Abs. 3 ZPO).

      2. Inhalt (§ 938 ZPO)

        Ein genauer Antrag ist nicht zwingend erforderlich, da im Rahmen der Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen dem Gericht freies Ermessen über den Anordnungsinhalt eingeräumt ist (§ 938 ZPO). Gleichwohl muss der Antragsteller die Tatsachen für den zu sichernden Anspruch und für die Notwendigkeit seiner Sicherung und damit den Streitgegenstand hinreichend bestimmt darlegen.

    5. Rechtsschutzbedürfnis

      Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Antragsteller bereits ausreichend gesichert ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Antragsteller bereits einen Titel in Händen hat, aus dem er nicht nur vorläufig und ohne Sicherheitsleistung vollstrecken kann. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt zudem, wenn die Dringlichkeit durch den Antragsteller selbst widerlegt wurde, weil er nach Eintritt der Gefährdung mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt. Dies kannst Du auch im Rahmen der Prüfung des Verfügungsgrundes ansprechen.

  2. Begründetheit des Antrags

    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet, wenn das Bestehen des Verfügungsanspruchs und Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht wurde (vgl. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO).

    1. Verfügungsanspruch (§§ 935, 940 ZPO)

      Der Verfügungsanspruch ist zu bejahen, wenn das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs des Antragstellers glaubhaft gemacht wurde (§§ 935, 940 ZPO). Hier liegt in der Regel ein Schwerpunkt der Prüfung. Du musst nach einer passenden Anspruchsgrundlage suchen und diese sauber prüfen.

    2. Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO)

      Der Verfügungsgrund hängt von der jeweiligen Art der einstweiligen Verfügung ab. Es geht hierbei um die Dringlichkeit und Eilbedürftigkeit der einstweiligen Verfügung. Bei der Sicherungsverfügung liegt ein Verfügungsgrund vor, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO). Bei der Regelungsanordnung ist ein Verfügungsgrund zu bejahen, wenn die Regelung insbesondere zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 940 ZPO). Bei der Leistungsverfügung bestehen besonders hohe Anforderungen an den Verfügungsgrund: Es muss ohne Erlass der Verfügung ein unverhältnismäßig großer, irreparabler oder existenzgefährdender Nachteil drohen. Soweit verbotene Eigenmacht vorausgegangen ist, können alle Besitzschutzansprüche auch ohne Notlage durch Leistungsverfügung auf Erfüllung geltend gemacht werden (vgl. § 863 BGB).

    3. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache

      Das einstweilige Verfügungsverfahren dient der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs. Eine einstweilige Verfügung, welche die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt, ist danach grundsätzlich nicht zulässig. Nur die Leistungsverfügung (analog § 940 ZPO) ermöglicht – in Abgrenzung zur Sicherungs- oder Regelungsverfügung (§§ 935, 940 ZPO) – ausnahmsweise die Durchsetzung und Befriedigung eines Anspruchs, wenn andernfalls ein unverhältnismäßig großer, irreparabler oder existenzgefährdender Nachteil droht. Weil die Beantwortung der Frage, ob die Hauptsache vorweggenommen wird, erst nach der materiellen Prüfung beantwortet werden kann, bietet es sich an, diesen Punkt am Ende der Begründetheit zu prüfen. Andere prüfen ihn aber auch i.R.d. Zulässigkeit. Nur die Leistungsverfügung (analog § 940 ZPO) ermöglicht – in Abgrenzung zur Sicherungs- oder Regelungsverfügung (§§ 935, 940 ZPO) – ausnahmsweise die Durchsetzung und Befriedigung eines Anspruchs.

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