Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Verplichtungswiderspruch - Zulässigkeit und Begründetheit (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO)

Schema: Verplichtungswiderspruch - Zulässigkeit und Begründetheit (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO)

3. Dezember 2024

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Welche Prüfungsschema bietet sich an für die Prüfung des Verpflichtungswiderspruchs (§ 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 VwGO)?

  1. Zulässigkeit des Widerspruchs

    Die Prüfung des Widerspruchs gliedert sich – wie bei grundsätzlich allen Rechtsbehelfen – in die Prüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit. Für Anfechtungs- und Verpflichtungswiderspruch gelten dieselben Zulässigkeitsvoraussetzungen. Nur im Rahmen der Begründetheit bietet sich jeweils ein anderer Aufbau an. Dazu später mehr!

    1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

      Der Widerspruch ist analog § 40 Abs. 1 VwGO nur zulässig, wenn der nachfolgende Prozess (1) eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (2) nichtverfassungsrechtlicher Art handeln, die (3) nicht durch Bundesgesetz einer anderen Gerichtsbarkeit ausdrücklich zugewiesen ist. Dies ergibt sich aus dem Charakter des Widerspruchs aus Prozessvoraussetzung. Ein Vorverfahren ergibt nur Sinn, wenn das nachfolgende Verfahren überhaupt statthaft ist.

    2. Statthaftigkeit des Widerspruchs

      Der Widerspruch muss immer einen erlassenen Verwaltungsakt zum Gegenstand haben. Der Verpflichtungswiderspruch ist statthaft, wenn der Bürger gegen die Ablehnung eines zuvor beantragten Verwaltungsakt vorgehen will. Anders gesagt: Wenn in einem (hypothetisch) folgenden gerichtlichen Verfahren die Verpflichtungsklage statthaft wäre (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), so handelt es sich auch um einen Verpflichtungswiderspruch.

    3. Widerspruchsbefugnis

      Für die Widerspruchsbefugnis gelten ebenfalls die gleichen Grundsätze, wie im Rahmen der Klagebefugnis. Auch das Vorverfahren ist kein objektives Beanstandungsverfahren, sondern dient vor allem der Verteidigung subjektiver Rechte. Wie auch bei Klagen, soll ein „Popularwiderspruch” vermieden werden. Die Widerspruchbefugnis kann im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO analog bejaht werden, wenn die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte des Widerspruchsführers durch den angegriffenen Verwaltungsakt besteht. Genau genommen ist die analoge Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO etwas ungenau. Denn der Prüfungsumfang des § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO bezieht sich auf die Recht- und Zweckmäßigkeit, während die Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 VwGO nur auf die mögliche Rechtswidrigkeit abstellt. Daher ist die analoge Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO streng genommen nur bei gebundenen Verwaltungsakten korrekt, bei denen eine Zweckmäßigkeitsprüfung entfällt. Liegt hingegen eine Ermessensentscheidung vor, ist die Widerspruchsbefugnis schon dann zu bejahen, wenn der Widerspruchsführer geltend macht, die Behörde habe (1) in ein ihm zustehendes subjektives Recht eingegriffen und (2) hierbei – möglicherweise – unzweckmäßig gehandelt. Dies gilt auch bei Verwaltungsakten mit Beurteilungsspielraum.

    4. Beteiligten- und Handlungsfähigkeit

      Die Beteiligtenfähigkeit richtet sich nicht nach § 61 VwGO analog, sondern nach § 11 VwVfG. Es besteht kein Raum und keine Notwendigkeit für eine Analogie, da das Verwaltungsverfahrensgesetz eigene Regeln trifft und somit keine Regelungslücke besteht. Die Grundsätze zu § 61 VwGO gelten aber im Wesentlichen auch i.R.v. § 11 VwVfG. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Behörden nach § 11 Nr. 1 VwVfG stets beteiligtenfähig sind. Die in § 12 VwVfG geregelte Handlungsfähigkeit entspricht im Wesentlichen der in § 62 VwGO normierten Prozessfähigkeit.

    5. Form und Frist

      § 70 Abs. 1 VwGO regelt die Anforderungen an die Form und Frist der Widerspruchseinlegung. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form (§ 3a Abs. 2 VwVfG), schriftformersetzend (§ 3a Abs. 3 VwVfG und § 9a Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes) oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

    6. Zuständige Behörde

      Bürger können den Widerspruch entweder bei der Behörde, die den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat (= Ausgangsbehörde, § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO) oder bei der Widerspruchsbehörde (§ 70 Abs. 1 S. 2 VwGO) einlegen. Welche Behörde die zuständige Widerspruchsbehörde ist, ergibt sich aus § 73 Abs. 1 S. 2 VwGO.

    7. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

      Wie bei jedem Rechtsbehelf muss der Widerspruchsführer rechtsschutzbedürftig sein. Das bedeutet, dass Rechtsschutz nicht anderweitig leichter, schneller, besser und günstiger erreicht werden kann. In der Regel ist wohl aber der Widerspruch der leichteste und günstigste Weg, Rechtsschutz zu erreichen. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt aber z.B. dann, wenn eine beantragte Sachentscheidung offenbar völlig nutzlos für den Widerspruchsführer ist oder dieser rechtsmissbräuchlich handelt.

  2. Begründetheit des Widerspruchs

    Der Verpflichtungswiderspruch ist begründet, wenn der Widerspruchsführer einen Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts hat (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO analog) oder (bei Ermessensentscheidungen) der Erlass des Verwaltungsakts zweckmäßig ist und im rechtlichen Interesse des Widerspruchsführer ist. Auch, wenn sich der Verpflichtungswiderspruch gegen den erlassenen ablehnenden Verwaltungsakt richtet, bietet sich zur Prüfung der Begründetheit – wie bei der Verpflichtungsklage – der sog. Anspruchsaufbau an. Denn mit einem Verpflichtungswiderspruch begehrt der Widerspruchsführer nicht nur die Aufhebung der Ablehnung, sondern letztlich auch, dass die Behörde den beantragten Verwaltungsakt erlässt.

    1. Anspruch auf Erlass des abgelehnten Verwaltungsakts

      Wie auch im Rahmen der Verpflichtungsklage bietet sich der sog. Anspruchsaufbau für die Prüfung der Begründetheit an. Die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn der Widerspruchsführer einen Anspruch auf den Erlass des begehrten Verwaltungsakts hat. Ein Anspruch besteht dann, wenn der Widerspruchsführer den Tatbestand der Anspruchsgrundlage erfüllt und die Anspruchsgrundlage auf Rechtsfolgenseite eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.

    2. Zweckmäßigkeit des Erlasses im Interesse des Widerspruchsführer

      Hat der Widerspruchsführer keinen Anspruch auf den Erlass des Verwaltungsakts, weil es sich z.B. um eine Ermessensentscheidung der Behörde handelt, so ist der Widerspruch dennoch begründet, wenn der Erlass des begehrten Verwaltungsakts zweckmäßig ist und im Interesse des Widerspruchsführers liegt.

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