Strafrecht

BT 6: Urkundsdelikte u.a.

Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB)

Tatobjekt Urkundenunterdrückung: vorhandene echte Urkunde / technische Aufzeichnung

Tatobjekt Urkundenunterdrückung: vorhandene echte Urkunde / technische Aufzeichnung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist leidenschaftliche Motorradfahrerin. Bedauerlicherweise hat sie keinen Motorradführerschein (Klasse A). Um böse Überraschungen bei der nächsten Polizeikontrolle zu vermeiden, macht sie sämtliche Fahrzeugklassen auf der Rückseite ihres vorhandenen Führerscheins unkenntlich.

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Einordnung des Falls

Tatobjekt Urkundenunterdrückung: vorhandene echte Urkunde / technische Aufzeichnung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Merkmal „gehören“ bei der Urkundenunterdrückung bezieht sich auf die dinglichen Eigentumsverhältnisse (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Begriff „gehören“ bezieht sich nicht auf die dinglichen Eigentumsverhältnisse, sondern auf das Recht mit der Urkunde/ technischen Aufzeichnung im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen (Beweisführungsrecht).Grundsätzlich kann sich damit auch der Eigentümer der Urkunde/technischen Aufzeichnung strafbar machen, wenn ein anderer das Recht hat, mit ihr Beweis zu erbringen. Dies ist u.a. der Fall, wenn den Eigentümer die Pflicht trifft, die Urkunde für die Beweisführung eines anderen herauszugeben bzw. für die Einsichtnahme bereitzuhalten (vgl. § 810 BGB, § 421 ZPO).
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2. Das Beweisführungsrecht im Hinblick auf amtliche Ausweise hat der Staat, sodass sie ihm „gehören“ iSv § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Öffentlich-rechtliche Vorlagepflichten, die den Aufgaben der Verwaltung oder der polizeilichen Kontrolle dienen, beziehen sich lediglich auf staatliche Überwachungsaufgaben. Diese begründen aber kein Beweisführungsrecht. Wenn der Inhaber eines amtlichen Ausweises durch eine Manipulation seine Fahrerlaubnis oder Identität nicht nachweisen kann, beeinträchtigt er damit lediglich sein eigenes Beweisinteresse. Amtliche Ausweise (zB Führerschein, Personalausweis oder Reisepass) gehören damit ausschließlich dem Inhaber.Achtung! Diese Unterscheidung zwischen Beweisführungsrecht und dinglicher Eigentumslage ist wirklich entscheidend. So sind zB nach § 4 Abs. 2 PAuswG Personalausweise Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, also gerade nicht des jeweiligen Inhabers. Trotzdem steht ihm allein das Beweisführungsrecht damit zu!

3. Hat sich T wegen Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht, indem sie sämtliche Fahrzeugklassen auf der Rückseite ihres vorhandenen Führerscheins unkenntlich gemacht hat.

Nein!

Der Führerschein der T ist zwar eine echte Urkunde. Jedoch steht ihr allein das Beweisführungsrecht zu, sodass er ihr „gehört“. Eine Strafbarkeit gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB scheidet mangels tauglichem Tatobjekt aus.Auch eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) scheidet aus, da vorliegend der gesamte Beweisinhalt des Führerscheins durch die Tathandlung beseitigt wurde. Denkbar wäre allenfalls eine Strafbarkeit wegen des Veränderns eines amtlichen Ausweises nach § 273 Abs. 1 StGB, sofern subjektiv entsprechende Täuschungsabsicht vorliegt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BES

besinha

3.1.2024, 20:15:07

Sind also alle Varianten des § 267 I dadurch ausgeschlossen, dass nach der Beseitigung des gesamten Beweisinhalts der Urkunde keine Urkunde mehr mangels Beweisfunktion vorliegt?


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