Strafrecht

BT 6: Urkundsdelikte u.a.

Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB)

Subjektiver Tatbestand: Nachteilszufügungsabsicht

Subjektiver Tatbestand: Nachteilszufügungsabsicht

3. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jurastudent S übersieht beim Ausparken den Porsche von Professor P und beschädigt ihn leicht. Da P gerade eine Vorlesung im Strafrecht hält, hinterlässt S seine Visitenkarte mit einer kurzen Nachricht am Fahrzeug. Kommilitone T sieht den Vorgang und steckt die Karte ein, um S zu helfen.

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Einordnung des Falls

Subjektiver Tatbestand: Nachteilszufügungsabsicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T die Visitenkarte des S einsteckt, hat er eine Urkunde unterdrückt, die nicht oder nicht ausschließlich ihm gehört (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Tatobjekt der Urkundenunterdrückung können nur echte Urkunden im Sinne des § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB sein. Unterdrücken ist jede Handlung, durch die dem Berechtigten die Benutzung der Urkunde als Beweismittel - auch vorübergehend - vorenthalten wird.Die Visitenkarte erfüllt alle Merkmale des Urkundenbegriffs und ist bereits derart in den Machtbereich des P gelangt, dass dieser ein ihm nicht mehr entziehbares Recht erworben hat, sie zum Beweis zu gebrauchen. Durch das Einstecken der Karte seitens T wird dem P die Urkunde vorenthalten.
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2. Für den subjektiven Tatbestand der Urkundenunterdrückung ist es ausreichend, wenn der Täter vorsätzlich hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale handelt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands der Urkundenunterdrückung setzt mindestens dolus eventualis hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestands voraus. Zusätzlich muss der Täter aber mit Nachteilszufügungsabsicht gehandelt haben. Unter Nachteil ist dabei jede Beeinträchtigung fremder Beweisführungsrechte zu verstehen. Unter Absicht im Sinne des § 274 StGB fällt nach h.M. auch sicheres Wissen (dolus directus 2. Grades). Danach genügt es, wenn der Täter weiß, dass dem Tatobjekt eine Beweisbedeutung innewohnt und wenn es ihm auf die Beeinträchtigung des Beweisführungsrechts ankommt oder er dies als notwendige Folge seines Handelns hinnimmt.

3. Da T dem S nur helfen wollte, fehlt es ihm an der notwendigen Nachteilszufügungsabsicht.

Nein!

Unter Nachteil ist jede Beeinträchtigung fremder Beweisführungsrechte zu verstehen. Unter Absicht im Sinne des § 274 StGB fällt nach h.M. auch sicheres Wissen (dolus directus 2. Grades). Danach genügt es, wenn der Täter weiß, dass dem Tatobjekt eine Beweisbedeutung innewohnt und wenn es ihm auf die Beeinträchtigung des Beweisführungsrechts ankommt oder er dies als notwendige Folge seines Handelns hinnimmt.T hat die Visitenkarte eingesteckt, um S zu helfen. Er hat also die Beweisbedeutung der Karte erkannt und diese eingesteckt, damit S nicht etwaigen Ansprüchen des P ausgesetzt ist. Dabei kam es ihm notwendigerweise aber gerade auf die Beeinträchtigung von Ps Beweisführungsrecht an.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DerChristoph

DerChristoph

8.5.2024, 08:53:00

Wie ist zu rechtfertigen, dass "Absicht" hier durch die h.M. auf Dolus Directus 2. Grades ausdehnt wird, wenn doch sonst gerade

Dolus Directus 1. Grades

als "Absicht" bezeichnet wird?

Leporello

Leporello

15.9.2024, 00:00:10

Eine berechtigte Frage und auch durchaus umstritten. So schreibt der Münchner Kommentar sehr deutlich: „Absicht“ soll neben den Fällen des zielgerichteten Wollens nach hM auch Konstellationen umfassen, in denen der Täter den Eintritt des Beweisnachteils unabhängig von seiner Zielsetzung als sichere Folge seines Handelns betrachtet. Das stößt jedenfalls im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG auf durchgreifende Bedenken, weil „Absicht“ die Wissentlichkeit weder im alltäglichen Sprachgebrauch noch (bei exaktem begrifflichem Vorgehen) in der juristischen Fachterminologie einschließt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass eine solche Auslegung jenseits der Wortlautschranke bei anderen Vorschriften des Besonderen Teils ebenfalls verbreitet ist und möglichweise gesetzgeberischen Vorstellungen entspricht – es ist Aufgabe des Gesetzgebers, solche terminologischen Nachlässigkeiten zu beseitigen (zB entsprechend der in § 258 gewählten Formulierung), um die Einbeziehung der entsprechenden Fälle ohne Verstoß gegen den Grundsatz „nullum crimen sine lege“ zu ermöglichen. De lege lata erst recht

unzulässig

ist die Erstreckung auf Konstellationen, in denen der Täter hinsichtlich des Nachteils nur bedingt vorsätzlich handelt. Münchener Kommentar zum StGB 4. Auflage 2022 Rn. 18


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