Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§ 47 Abs. 6 VwGO)

Einstweiliger Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO

Einstweiliger Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO


§ 47 Abs. 6 VwGO regelt den einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf den Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens. Wie könntest Du die Prüfung eines solchen Antrags aufbauen?

  1. Zulässigkeit

    Im Rahmen der Zulässigkeit eines Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO gelten dieselben allgemeinen Voraussetzungen, wie bei einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO. Nennenswerte Unterschiede bestehen nur im Rahmen der statthaften Verfahrensart, der Klagebefugnis und des Rechtsschutzbedürfnisses. Wenn Du Dir die Parallelen der Prüfungen anschaust, musst Du nicht viel Neues lernen! Das Schema zur Zulässigkeitsprüfung des § 47 Abs. 1 VwGO kannst Du Dir hier anschauen.

    1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

      Auch bei einer Normenkontrolle und einem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO muss der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein: „Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit(…)” (§ 47 Abs. 1 VwGO) Wenn eine untergesetzliche Rechtsvorschrift angegriffen wird, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn sich aus der Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift Rechtsstreitigkeiten ergeben, die im Verwaltungsrechtsweg auszutragen sind. Dies wiederum beurteilt sich nach § 40 Abs. 1 VwGO, wenn keine aufdrängenden Sonderzuweisung besteht.

    2. Zuständigkeit des OVG

      Sachlich zuständig für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist das Gericht der Hauptsache, also das OVG des jeweiligen Bundeslandes (im Ausgangsverfahren). Wenn es sich bei dem Hauptsacheverfahren um eine Revision handelt, ist keine sachliche Zuständigkeit des BVerwG begründet, da gegen Beschlüsse des OVG nach § 47 Abs. 6 VwGO kein Rechtsbehelf statthaft ist (vgl. §§ 132 Abs. 1, 152 Abs. 1 VwGO).

    3. Statthafte Verfahrensart

      Die Statthaftigkeit des Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO setzt voraus, dass (1) in der Hauptsache das Normenkontrollverfahren statthaft wäre und (2) die betroffene Norm schon erlassen ist. Dass die strittige Norm bereits in Kraft getreten ist, ist dagegen nicht erforderlich. Eine einstweilige Anordnung kommt zudem in Betracht, wenn das OVG die betreffende Norm bereits für ungültig erklärt hat, diese Erklärung aber noch nicht rechtskräftig ist und der Antragsteller die vorläufige Aussetzung der Norm erreichen möchte.

    4. Antragsbefugnis

      Die Antragsbefugnis darf bei der einstweiligen Anordnung nicht weiter sein, als im Rahmen von § 47 Abs. 1 VwGO. Deswegen müssen zunächst die Voraussetzungen aus § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO erfüllt sein. Darüberhinaus muss der Antragsteller geltend machen, die einstweilige Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund dringend geboten (= Eilbedürftigkeit). Der schwere Nachteil muss sich gerade – möglicherweise – aus der Rechtswidrigkeit der Norm ergeben. An das Vorbringen sind hier – wegen der weitreichenden Folgen einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf eine Rechtsnorm – höhere Anforderungen zu stellen als bei einem Antrag nach § 123 VwGO. Die Antragsbefugnis solltest Du immer relativ früh prüfen – am besten direkt nachdem Du die statthafte Antragsart festgestellt hast.

    5. Antragsgegner

      Hier kommen die gleichen Rechtsträger in Betracht wie im Hauptsacheverfahren (§ 47 Abs. 2 S. 2 VwGO): Die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, die die in Frage stehende Norm erlassen hat.

  2. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

    Grundsätzlich gelten auch hier die allgemeinen Vorschriften der §§ 61, 62 VwGO. Zusätzlich ist allerdings § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO zu beachten. Diese enthält Sonderregelungen: Antragsteller können nicht nur natürlich und juristische Personen, sondern auch Behörden sein.

    1. Rechtsschutzbedürfnis

      Wegen der umfangreichen Folgen eines einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf Normen, muss ein erhöhtes Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers bestehen. Es reicht gerade nicht aus, dass er sein Rechtsschutzziel nicht auf einem einfacheren, schnelleren oder effektiveren Weg erreichen kann. Vielmehr ergibt sich aus § 47 Abs. 6 VwGO, dass eine einstweilige Anordnung „dringend geboten“ sein muss. Dies deckt sich aber i.d.R. mit den Ausführungen zu Antragsbefugnis. § 47 Abs. 6 VwGO enthält selbst keine Angaben dazu, ob der Rechtsbehelf in der Hauptsache (= Normenkontrollantrag) bereits eingelegt sein muss. Aus einem Rückgriff auf § 123 Abs. 1 VwGO ergibt sich aber, dass ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO bereits vor Beantragung des Normenkontrollverfahrens möglich ist.

  3. Begründetheit

    Als Einstieg in die Begründetheitsprüfung bietet sich folgende Formulierung an: „Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründend, wenn diese zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist (§ 47 Abs. 6 VwVfG). Hier sind die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die vielleicht gültige Norm vorläufig außer Vollzug gesetzt würde.“

    1. Interessenabwägung

      Die vorzunehmende Interessenabwägung ist an die Prüfung des § 32 BVerfGG angelehnt. Grundlage für die Abwägung sind in der Regel die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die vorgebrachten Nachteile des Antragstellers.Falls Du § 32 BVerfGG in der Klasur erwähnst, dann musst Du deutlich machen, dass sich der Maßstab nicht direkt aus diesem Gesetz ergibt, sondern Du lediglich aufzeigst, dass Du die Parallelen kennst!

  4. Rechtsfolge eines erfolgreichen Antrags

    Kommst Du in Deiner Klausur zu dem Ergebnis, dass der Antrag zulässig und begründet (= erfolgreich) ist, kannst Du in einem kurzen Ergebnis feststellen, welche Möglichkeiten das Gericht bezüglich des konkreten Inhalts seiner Entscheidung hat. Das Gericht kann nicht nur über das Inkrafttreten oder die Aussetzung der Norm im Ganzen, sondern auch partiell entscheiden. Zudem kann es andere vorläufige Maßnahmen treffen, um Nachteile zu verhindern. Allerdings darf das Gericht die Verwaltung nicht dazu verpflichten, die strittige Norm zu ändern. Umstritten ist, auf welchen Personenkreis sich die Wirkung der Entscheidung erstreckt. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss (§ 123 Abs. 4 VwGO). Das Gericht muss sie begründen (§ 122 Abs. 2 VwGO).

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