Ablehnung Beweisanträge bei präsenten Beweismitteln (§ 245 Abs. 2 StPO)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A stellt einen ordnungsgemäßen Antrag, den Z als Zeugen zu vernehmen. Er hat den Z auch gleich mitgebracht. Das Gericht lehnt den Beweisantrag ab, denn die Tatsache sei bereits „gemäß § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO als wahr zu unterstellen”.

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Einordnung des Falls

Ablehnung Beweisanträge bei präsenten Beweismitteln (§ 245 Abs. 2 StPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Ablehnung von As Beweisantrag richtet sich nach § 244 Abs. 3 StPO.

Nein!

§ 244 Abs. 3 StPO betrifft die Ablehnung der nicht-präsenten Beweismittel, während § 245 StPO die vom Gericht oder den Beteiligten herbeigeschafften Beweismittel, insbesondere die geladenen und auch erschienenen Zeugen betrifft.Da A den Z bereits mitgebracht und dieser daher im Saal anwesend war, handelte es sich bei ihm um ein präsentes Beweismittel. Die Ablehnung des Beweisantrages ist also nur nach dem strengeren § 245 StPO möglich.Da die Beweismittel in den Fällen des § 245 StPO bereits vor Ort sind und damit keine zeitraubende Herbeischaffung vorgenommen werden muss, hat der Gedanke der Prozessökonomie gegenüber dem Interesse an der vollumfänglichen Wahrheitsermittlung ein geringeres Gewicht als bei § 244 StPO, weshalb das Gericht das Beweismittel nur unter erhöhten Voraussetzungen ablehnen kann.
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2. Von der Vernehmung des Z durfte nur abgesehen werden, wenn die Vernehmung unzulässig oder die Verfahrensbeteiligten damit einverstanden waren (§ 245 Abs. 1 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 245 Abs. 1 StPO darf von der Beweiserhebung bei präsenten Zeugen nur abgesehen werden, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist oder wenn die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind. Die Norm betrifft aber nur die vom Gericht geladenen Zeugen.Da Z von A mitgebracht und nicht vom Gericht geladen wurde, richtet sich die Ablehnung seines Beweisantrages nicht nach § 245 Abs. 1 StPO.§ 245 Abs. 1 StPO setzt, da die Zeugen vom Gericht herbeigeschafft wurden, auch keinen Beweisantrag des Angeklagten voraus.

3. Das Gericht musste den Beweisantrag bereits nach § 245 Abs. 2 S. 2 StPO ablehnen, weil die Vernehmung des Z unzulässig ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Beweisantrag bezüglich eines präsenten Beweismittels ist abzulehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist, also ein Beweiserhebungsverbot besteht (§ 245 Abs. 2 S. 2 StPO). Ist die Beweiserhebung unzulässig, führt dies zwingend zur Ablehnung des Beweisantrags. Die Beweiserhebung ist z.B. dann unzulässig, wenn ein Zeuge sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht beruft und eindeutig und endgültig erklärt hat, nicht aussagen zu wollen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Vernehmung des Z unzulässig ist. Inbesondere hat dieser sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Die Regelung des § 245 Abs. 2 S. 2 StPO entspricht der des § 244 Abs. 3 S. 1 StPO. Es gelten jeweils dieselben Grundsätze.

4. § 245 Abs. 2 S. 3 StPO zählt weitere Gründe für die Ablehnung eines Beweisantrags auf. Wurde As Beweisantrag danach zurecht abgelehnt?

Nein!

Muss ein Beweisantrag nicht nach § 245 Abs. 2 S. 3 StPO abgelehnt werden, kann das Gericht den Beweisantrag nur ablehnen, wenn die zu beweisende Tatsache (1) schon erwiesen oder offenkundig ist, (2) wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht oder (3) wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist (§ 245 Abs. 2 S. 3 StPO). Die Ablehnungsgründe des § 245 Abs. 2 StPO sind damit fast deckungsgleich mit denen des § 244 Abs. 3 StPO. Dies gilt aber gerade nicht für die Wahrunterstellung der Tatsache (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO). Damit war die Ablehnung von As Antrag mit Verweis darauf, dass die Tatsache als wahr zu unterstellen sei, unzulässig.§ 245 Abs. 2 StPO dient dem Ausgleich zwischen Prozessökonomie und berechtigtem Beweisinteresse. Die Wahrunterstellung soll verhindern, dass durch zeitaufwendige Beschaffung des Beweismittels über eine ohnehin als wahr zu behandelnde Tatsache Beweis erhoben wird. Ist der Zeuge vor Ort, soll im Interesse der Wahrheitsermittlung aber eine Beweiserhebung stattfinden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Josia_3

2.9.2024, 13:55:07

Nach § 245 II 1 StPO zählen Zeugen als präsente Beweismittel, die vorgeladen und erschienen sind. Im Meyer-Gossner (65. Auflage, 2022) steht, dass bei ohne Ladun erschienen Personen nicht § 245 sondern § 244 III 1 StPO einschlägig ist (Meyer-Gossner, StPO, § 245 Rn. 16). Warum gilt das hier nicht? Der Zeuge wurde doch einfach mitgebracht und gerade nicht geladen...


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