+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Angeklagter A beantragt am letzten Prozesstag, Z zur Frage seiner Täterschaft zu vernehmen. Zuvor bestätigen bereits vier Zeugen und Kameraaufnahmen As Täterschaft. A verzichtete zuvor ausdrücklich auf Zs Vernehmung. Z befindet sich auf unbestimmte Zeit in Ruanda und die Kontaktaufnahme würde Wochen dauern. Die Vorsitzende lehnt Zs Vernehmung ab.
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Einordnung des Falls
Ablehnung eines Beweisantrages wegen Verschleppungsabsicht, § 244 Abs. 6 S. 2 StPO
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Beweisanträge können grundsätzlich nur durch Gerichtsbeschluss abgelehnt werden (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO).
Ja, in der Tat!
Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO). Mit dem Beschluss soll das Gericht den Antragsteller von den Gründen unterrichten, weswegen es seinen Antrag ablehnt. Zudem soll mit dem Beschluss dem Antragsteller die Gelegenheit gegeben werden, sich mit den Ablehnungsgründen auseinanderzusetzen. Der Antragsteller und die anderen Verfahrensbeteiligten sollen Gelegenheit erhalten, sich auf die durch den Ablehnungsbeschluss entstandene Prozesslage einzustellen. Durch den Beschluss soll auch einer unzulässigen Beweisantizipation vorgebeugt und dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Gesetzmäßigkeit der Ablehnung ermöglicht werden.
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2. Wird ein Beweisersuchen mit Verschleppungsabsicht gestellt, bedarf es für die Ablehnung dieses Ersuchens keines Gerichtsbeschlusses (§ 244 Abs. 6 S. 2 StPO).
Ja!
Ein Beweisantrag kann nur durch Gerichtsbeschluss abgelehnt werden (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO). Wenn die beantragte Beweiserhebung aber
(1) nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann,
(2) der Antragsteller sich dessen bewusst ist
(3) und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt,
dann bedarf es keines Gerichtsbeschlusses zur Ablehnung (§ 244 Abs. 6 S. 2 StPO, Verschleppungsabsicht). Demnach liegt bei einem Beweisbegehren mit Verschleppungsabsicht schon gar kein Beweisantrag im eigentlichen Sinne vor. Die Ablehnung obliegt dann dem Vorsitzenden im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1 StPO).
3. Ein Verstoß gegen § 244 Abs. 6 S. 2 StPO läge vor, wenn das Tatgericht die Verschleppungsabsicht rechtsfehlerhaft annahm.
Genau, so ist das!
Lehnt das Tatgericht ein Beweisersuchen fälschlicherweise wegen Verschleppungsabsicht ab, so verstößt dies gegen § 244 Abs. 6 S. 2 StPO. Das Revisionsgericht überprüft die Würdigung des Tatgerichts aber nur daraufhin, ob das Tatgericht seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat. Es erhebt nicht selbst Beweis über das Vorliegen der Verschleppungsabsicht.
4. A handelte in Verschleppungsabsicht.
Ja, in der Tat!
Diese liegt vor, wenn die Vernehmung des Z
(1) nichts Sachdienliches zu Gunsten des A erbringen kann,
(2) A sich dessen bewusst ist
(3) und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt.
Es muss ausgeschlossen sein, dass die Beweiserhebung eine dem A günstige Wendung herbeiführen könnte, was ihm auch bewusst sein muss. Von großer Bedeutung ist insoweit regelmäßig ein erdrückendes bisheriges Beweisergebnis aufgrund einer besonderen Beweisdichte.A hatte selbst auf die Vernehmung des Z verzichtet. Dies indiziert, auch im Hinblick auf das bisher eindeutige und quasi nicht widerlegbare Beweisergebnis, dass er sich der Nutzlosigkeit des Beweisvorbringens bewusst ist. Gepaart mit der Tatsache, dass sich das Verfahren um Wochen verzögern würde, liegt es innerhalb des Beurteilungsspielraums des Gerichts, Verschleppungsabsicht anzunehmen.
5. A kann wegen eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 6 S. 2 StPO erfolgreich in Revision gehen (§ 337 StPO).
Nein!
Die Revision setzt voraus, dass das Urteil auf einem Gesetzesverstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Ablehnung der Vernehmung des Z durch die Vorsitzende war von § 244 Abs. 6 S. 2 StPO gedeckt. Ein Verfahrensfehler lag hier nicht vor.
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