Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung, u.a.

Stich in den Oberschenkel – Tötungsvorsatz und Zurechnung über § 25 Abs. 2 StGB (BGH, Urt. v. 24.04.2024, Az. 5 StR 510/23)

Stich in den Oberschenkel – Tötungsvorsatz und Zurechnung über § 25 Abs. 2 StGB (BGH, Urt. v. 24.04.2024, Az. 5 StR 510/23)

30. Mai 2025

2 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und O sind mit anderen im Park. Sie fangen einen Streit an. A verlässt den Park und kommt nach 15-30 Minuten mit B zurück. Beide sind mit Messern ausgestattet und rennen schreiend (entsprechend ihrem Tatplan) auf O zu und stechen mit den Messern auf O ein. Dabei sticht A in Os Oberschenkel, B in Os Brust. O überlebt. ‌

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Einordnung des Falls

Stich in den Oberschenkel – Tötungsvorsatz und Zurechnung über § 25 Abs. 2 StGB (BGH, Urt. v. 24.04.2024, Az. 5 StR 510/23)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B könnte sich wegen versuchtem Totschlag strafbar gemacht haben, indem er O in die Brust stach.

Genau, so ist das!

Dies setzt voraus: (1) Nichtvollendung der Tat und Strafbarkeit des Versuchs (2) Tatentschluss, den O zu töten (3) Unmittelbares Ansetzen (4) RW und Schuld (5) Kein Rücktritt Der O hat die Messerstiche überlebt, so dass der tatbestandliche Erfolg des § 212 StGB ausgeblieben ist. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus §§ 22, 23 Abs. 1, 212 StGB.
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2. B wusste, dass O durch seine Stiche sterben könnte. Handelte B damit eindeutig vorsätzlich?

Nein, das trifft nicht zu!

Sofern nach dem Sachverhalt kein dolus directus 1. oder 2. Grades in Betracht kommt, musst Du regelmäßig den Eventualvorsatz von einer bewussten Fahrlässigkeit abgrenzen. Für die Abgrenzung Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit gibt es verschiedene Ansätze. Einigkeit besteht insoweit, als nach allen Theorien zur Bejahung des Vorsatzes Wissen des Täters bezüglich der Tatbestandsverwirklichung vorhanden sein muss (Wissenselement). Das ergibt sich aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Ob darüber hinaus ein voluntatives Element erforderlich ist, ist umstritten. Nach der h.M. ist ein voluntativen Element erforderlich. Nach der Möglichkeitstheorie liegt bedingter Vorsatz bereits vor, wenn der Täter die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt und dennoch handelt.  Auf das voluntative Vorsatzelement kommt es nach dieser Theorie nicht an. Dagegen spricht, dass der Verzicht auf das voluntative Element zu einer Vorsatzbereichsausdehnung führt und die Kriterien zur Grenzziehung unsicher und unpraktikabel sind. B wusste, dass sein Handeln zu Os Tod führen konnte. Das Wissenselement lag bei ihm vor.

3. Nach der h.M. handelte B bereits dann mit Eventualvorsatz, wenn er wusste, dass O durch die Stiche sterben könnte (Wissenselement).

Nein!

Die h.M. nimmt die Abgrenzung Vorsatz / bewusste Fahrlässigkeit anhand des voluntativen Elements vor. Der Täter hat bedingten Vorsatz, wenn er den Erfolg ernsthaft für möglich hält und sich mit ihm abfindet (Ernstnahmetheorie der h.L.) bzw. den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt (Billigungstheorie der Rspr). Der bedingte Vorsatz setzt sich damit zusammen aus einem Wissens- und Wollenselement. Nach dem BGH ist bei der Prüfung des Vorsatzes in jedem Einzelfall eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich. Wissens- und Wollenselement müssen getrennt geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.

4. B wusste, dass Messerstiche in die Brust äußerst gefährlich sind. Kann bereits aus dieser Kenntnis und daraus, dass er trotzdem auf Os Brust stach, geschlossen werden, dass er Os Tod billigend in Kauf nahm?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach dem BGH ist bei der Prüfung des Vorsatzes in jedem Einzelfall eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich. Wissens- und Wollenselement müssen getrennt geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Bei äußerst gefährlichen Handlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und – weil er mit seinem Handeln fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (RdNr. 17). Gleichwohl kann man aus der Kenntnis der Gefährlichkeit einer Handlung nicht ohne Weiteres auf die billigende Inkaufnahme des Tötungserfolgs schließen. Auch bei äußerst gefährlichen Handlungen muss man das Willenselement im Einzelfall feststellen. Denn es kann im Einzelfall sein, dass das Willenselement fehlt, etwa wenn der Täter trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut. Dies muss sich auf Tatsachen stützen und darf nicht auf bloßen Hoffnungen beruhen (RdNr. 17).

5. B erkannte, dass die Stiche für O potenziell lebensgefährlich waren. Zudem war B schon lange selbst mit O zerstritten, so dass B nicht wichtig war, wie der Angriff für O enden würde. Hatte B bedingten Tatentschluss zur Tötung?

Ja, in der Tat!

Bei äußerst gefährlichen Handlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit des Todeseintritts rechnet. Jedoch muss weiterhin eine Feststellung des Willenselements im Einzelfall erfolgen. Das Vertrauen des Täters auf das Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolges muss sich auf Tatsachen stützen und darf nicht auf bloßen Hoffnungen beruhen. B erkannte, dass seine Handlungen lebensgefährlich waren. Es sind keine Tatsachen erkenntlich, die darauf hindeuten, aufgrund derer B ernsthaft auf das Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolges vertrauen durfte. B war der Ausgang des Angriffs sogar gleichgültig. Er nahm Os Tod billigend in Kauf. Er setzte auch unmittelbar zur Tat an. Er handelte auch schuldhaft und rechtswidrig und ist nicht strafbefreiend zurückgetreten. B hat sich mithin gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Klausursachverhalte enthalten regelmäßig detaillierte Ausführungen dazu, was für oder gegen einen Tötungsvorsatz sprechen könnte. Dann kommt es darauf an, dass du aus den Informationen, die dir der Sachverhalt an die Hand gibt, eine saubere juristische Argumentation entwickelst! Bs Verhalten erfüllt bereits für sich genommen die Voraussetzungen nach §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB, sodass es auf eine Zurechnung von As Handlungen über § 25 Abs. 2 StGB nicht ankommt.

6. Als Nächstes musst Du prüfen, ob sich A auch wegen versuchten Totschlag nach §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat, indem A mit einem Messer in Os Oberschenkel stach.

Ja!

Schließe nicht aus dir bekannten Fällen, in denen der Täter sich „nur“ wegen Körperverletzung strafbar gemacht hat, weil er „nur“ auf die Beine oder Arme des Opfers einwirkt, darauf, dass dies in jedem ähnlichen Fall auch so ist. Auch wenn dir ein Fall bekannt vorkommt, musst du stets den konkreten Einzelfall prüfen! Auch hier kommt es maßgeblich darauf an, ob A mit Tötungsvorsatz handelte oder lediglich bewusst fahrlässig. Denke daran, dass nach dem BGH für die Prüfung des Vorsatzes bei § 212 StGB in jedem Einzelfall eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich ist. Wissens- und Wollenselement müssen getrennt geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Nach h.M. handelt der Täter mit Eventualvorsatz, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (Wissenselement) und den Erfolg billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit diesem abfindet (Willenselement). Wir sind hier direkt auf den Knackpunkt der Prüfung, nämlich den Tatentschluss des A, gesprungen. In der Klausur solltest Du zumindest kurz die Vorprüfung i.R.d. Versuchs vornehmen. Hier kannst Du auch auf die Prüfung der Strafbarkeit von B verweisen.

7. Liegt es nach der Rspr. bei äußerst gefährlichen (Gewalt-)Handlungen nahe, dass der Täter mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte?

Genau, so ist das!

Bei äußerst gefährlichen (Gewalt-)Handlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Eine hohe und zudem anschauliche konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung stellt mithin auf beiden Vorsatzebenen das wesentliche auf bedingten Tötungsvorsatz hinweisende Beweisanzeichen dar (RdNr. 17). Die Gefährlichkeit der Handlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts sind jedoch bloße Indizien. Diese Ausführungen waren bereits i.R.d. Prüfung von Bs Strafbarkeit relevant. Du kannst hier in einer Klausur entsprechend nach oben verweisen.

8. A stach so in Os Oberschenkel, dass das Messer auf der anderen Seite wieder hinauskam. Könnte darin bereits eine äußerst gefährliche Handlung liegen?

Ja, in der Tat!

Bereits As Stiche in Os Oberschenkel waren für sich betrachtet lebensgefährlich. Bedingter Tötungsvorsatz ist daher nicht bereits deshalb auszuschließen, weil A „nur“ in Os Oberschenkel stach. Arbeite immer am konkreten Fall. Hier ist es zwar verführerisch, Tötungsvorsatz abzulehnen, weil A „nur“ in Os Oberschenkel stach. Allerdings war dies bereits lebensgefährlich. Der BGH bemängelte, dass das LG vorsatzkritisch berücksichtigte, dass A „nur“ in Os Oberschenkel stach. Schon dies sei lebensgefährlich gewesen und könne eine äußerst gefährliche Gewalthandlung darstellen (RdNr. 19). Auch in BGH, Urt. v. – 18.05.2020 6 StR 587/21 stellte der BGH fest, dass ein Schuss in den Oberschenkel auch für Laien erkennbar eine (höchst) gefährliche Handlung darstellt (RdNr 14). Den Fall haben wir hier für Dich aufbereitet.

9. Angenommen, A wusste nicht, dass bereits Messerstiche in den Oberschenkel lebensgefährlich sind, könnten ihm Bs Stiche nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden?

Ja!

Nach dem BGH könnten Bs Stiche dem A nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen sein. Der BGH kritisierte, dass das LG nicht berücksichtigte, dass Bs ebenso akut lebensgefährliche Stiche dem A zuzurechnen sein könnten (RdNr. 20). Voraussetzung für eine Zurechnung nach § 25 Abs. 2 sind (1) eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen sowie (2) einen Entschluss zur gemeinsamen, arbeitsteilig auf vergleichbarer Augenhöhe begangenen Tat voraus. Mache Dir klar, dass Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 keine besondere Form der Täterschaft ist, sondern eine Form der Zurechnung fremden Handelns. Wenn ein Täter alle Tatbestandsmerkmale selbst erfüllt, kommt es nicht auf § 25 Abs. 2 an.

10. A und B hatten vorher nicht abgesprochen, wohin beide mit den Messern stechen. Muss für die Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB die Tat grundsätzlich bis in jedes Detail durchgesprochen werden?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der gemeinsame Wille zur Tat ist Grundlage für die Mittäterschaft. Der gemeinsame Tatplan setzt daher voraus, dass Art und Umfang der geplanten Tat und die jeweiligen Tatbeiträge den Mittätern im Wesentlichen bekannt sind. Eine Zurechnung scheidet dagegen bei einer Handlung des Mittäters, die über den ursprünglichen Tatplan hinausgeht, aus (sog. Mittäterexzess). Der BGH wies in seinem Urteil darauf hin, dass Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst werden, auch wenn er sich diese nicht eigens vorgestellt hat. Ein Tatbeteiligter sei für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn er mit der Handlungsweise seines Tatgenossen einverstanden oder sie ihm zumindest gleichgültig war. Dies hatte das LG nicht berücksichtigt (RdNr. 21). ‌ ‌

11. Als A B traf, erzählt er ihm vom Streit mit O. Sie kamen überein, auf O zuzurennen und ihn gemeinsam mit Messern zu attackieren. Können Bs Handlungen dem A nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden?

Ja, in der Tat!

Hier kommt es darauf an, ob Bs Stiche in Os Oberkörper noch vom gemeinsamen Tatplan mit A erfasst sind oder darin ein Exzess liegt, der die Zurechnung von Bs Stiche ausschließt. Der gemeinsame Tatplan i.R.d. § 25 Abs. 2 StGB setzt voraus, dass Art und Umfang der geplanten Tat sowie die jeweiligen Tatbeiträge den Mittätern im Wesentlichen bekannt sind. Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muss, werden vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sich diese nicht eigens vorgestellt hat. A und B hatten den Plan, O mit Messern zu attackieren. Dabei liegt es nahe, dass auch Messerstiche in die Brustregion ausgeführt werden, so dass A auch damit rechnen musste, dass B dem O in die Brust sticht. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des dynamischen und unübersichtlichen Kampfgeschehens (RdNr. 21). Die Stiche des B werden dem A nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet. Im Originalfall versäumte das LG zu erörtern, ob A Bs Handlungen zugerechnet werden können. Der BGH verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück.

12. Könnte es erforderlich sein, vorsatzkritisch zu berücksichtigen, dass ein Täter bei Spontantaten die Folgen seines Handelns nicht richtig einschätzen kann?

Ja!

Nach dem BGH liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen. Allerdings könne man bei spontanen, unüberlegten und in affektiver Erregung ausgeführten Einzelhandlungen nicht aus dem Wissen von einem möglichen Erfolgseintritt allein auf das voluntative Element schließen. Vielmehr müsse man auch die Persönlichkeit des Täters sowie die Besonderheiten der konkreten Tat berücksichtigen. Der BGH hat eine Spontantat angenommen bei einer sich nach einem Heroinverkauf entwickelnden Schlägerei, bei der der Angeklagte sich währenddessen entschloss, das Opfer einen Stich mit einem Messer zu versetzen (BGH, Beschl. v. 23.04.2003 – 2 StR 52/03). Verneint hat er eine Spontantat etwa bei einer über Tage andauernde Misshandlung eines Kindes (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/0).

13. A hat sich hier erst mit O gestritten, ist weggegangen, reflektierte das Geschehen und kam nach ca. 15-30 Minuten zurück. Könnte die inzwischen vergangene Zeit gegen eine Spontantat sprechen?

Genau, so ist das!

Das LG hatte als vorsatzkritischen Umstand berücksichtigt, dass es sich um eine Spontantat handelte. Der BGH bemängelte jedoch, dass das LG diese Annahme nicht tragfähig belegt habe und dass es die naheliegende Frage nicht erörtert habe, ob eine Spontantat überhaupt in Betracht käme, wenn der Angeklagte erst etwa 15 bis 30 Minuten nach Verlassen des Parks bewaffnet zurückkehrte. Während A wegging, hatte er Zeit, um das Geschehen zu reflektieren. Als er mit B auf O zurannte und beide ihn stachen, handelte er nicht mehr aus einem spontanen Affekt heraus. Du merkst, dass es auf die Details des Falles ankommt und eine Spontantat hier nicht schon angenommen werden kann, weil A aufgrund der Auseinandersetzung aufgebracht war und in einem nahen zeitlichen Zusammenhang reagierte. Achte bei deiner Prüfung also auf die Einzelheiten. Das macht am Ende eine sehr gute Klausur aus.

14. Hat sich A nach alledem wegen versuchtem Totschlag nach §§ 212, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht?

Ja, in der Tat!

Bereits As Messerstiche in Os Oberschenkel waren lebensgefährlich. Selbst wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob A dies erkannte, können ihm jedenfalls Bs Stiche nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. A musste damit rechnen, dass B den O auch in die Brust sticht. Bs Handlungen waren ihm zumindest gleichgültig. Die zwischen dem Streit und der Tat liegende Zeitspanne von 15 bis 30 Minuten, in der er Zeit zur Reflexion hatte, stehen einer Spontantat entgegen. A handelte mit bedingtem Tatentschluss, den O zu töten, und setzte unmittelbar an. Er hat sich gem. §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Der BGH wies darauf hin, dass ein strafbefreiender Rücktritt hier vorliegen könnte, das LG jedoch nicht die notwendigen Feststellungen zum Rücktrittshorizont getroffen habe (RdNr. 24). Mangels der Feststellungen haben wir uns daher hier auf die Vorsatzprüfung beschränkt.

15. A und B haben sich ebenso nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 4, Nr. 5 StGB strafbar gemacht. Ist bei der Konkurrenzprüfung die Prüfung der Gesetzeskonkurrenz der erste Schritt?

Nein!

Um das Konkurrenzverhältnis zu bestimmen, musst Du in folgender Reihenfolge vorgehen: (1) Liegt Handlungseinheit (§52 StGB) oder Handlungsmehrheit (§ 53 StGB) vor? (2) Liegt Gesetzeskonkurrenz vor? Bei Tateinheit gibt es drei Arten der Konkurrenz: Spezialität, (formell/materielle) Subsidiarität und Konsumtion. Bei Tatmehrheit besteht grundsätzlich Realkonkurrenz, allerdings kann Gesetzeskonkurrenz bei einer mitbestraften Vor- oder Nachtat vorliegen. (3) Wie stehen die verbliebenen Tatbestände zueinander? Zwischen § 212 und §§ 223, 224 besteht Handlungseinheit (Handlung im natürlichen Sinne). Versuchter Totschlag und vollendete Körperverletzung stehen nicht in Gesetzeskonkurrenz zueinander. Sie stehen zueinander in Idealkonkurrenz. A und B haben sich jeweils nach §§ 212, 22, 23 Abs. 1, (25 Abs. 2) StGB und nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 4, Nr. 5 StGB strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FTE

Findet Nemo Tenetur

13.5.2025, 00:07:49

Danke für die Konkurrenzen-Frage zum Schluss!

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

16.5.2025, 19:06:02

Hallo Findet

Nemo Tenetur

, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Wendelin Neubert, für das Jurafuchs-Team


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