Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die unechte GoA (Eigengeschäftsführung)

Haftung wegen Übernahmeverschuldens nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB - Fall

Haftung wegen Übernahmeverschuldens nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB - Fall

19. Mai 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

U ist im Urlaub. Sie hat ihrem Freund F den Schlüssel für ihre Wohnung überlassen, um bis zu ihrer Rückkehr ihre Blumen zu gießen. Da F Geld braucht, vermietet er die Wohnung in eigenem Namen an M unter. Diese zerbricht aus Unachtsamkeit eine Vase der U im Wert von €300.

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Einordnung des Falls

Haftung wegen Übernahmeverschuldens nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB - Fall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung liegen vor.

Genau, so ist das!

Eine angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 S. 1 BGB setzt voraus, dass jemand (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Eigengeschäftsführungswillen übernimmt, (3) ohne dazu berechtigt zu sein und (4) obwohl er Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts und der fehlenden Berechtigung hat. Die (Unter-)Vermietung der Wohnung ist ein Geschäft der U und damit für F fremd. F hat den Mietvertrag mit M in eigenem Namen geschlossen und wollte die Mietzahlung für sich behalten. Er wollte somit das fremde Geschäft als eigenes behandeln. U hat ihn nicht zur (Unter-)Vermietung berechtigt und F wusste um die Fremdheit des Geschäfts und die fehlende Berechtigung.
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2. U hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen F aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB wegen der zerstörten Vase.

Ja, in der Tat!

Ein Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB auf Schadensersatz setzt voraus, dass die Grundvoraussetzungen des § 687 BGB erfüllt sind. Ferner müssen nach § 678 BGB ein Übernahmeverschulden und ein aus der Geschäftsführung entstandener Schaden vorliegen. Da der Geschäftsführer bei einer angemaßten Eigengeschäftsführung Kenntnis von der fehlenden Berechtigung haben muss, ist ein Übernahmeverschulden stets zu bejahen. Der Geschäftsführer haftet für alle Schäden aus der Geschäftsführung, auch wenn diese auf Zufall oder dem Verschulden eines Dritten beruhen. F trifft ein Übernahmeverschulden. Die Zerstörung der Vase ist ein Schaden aus der Geschäftsführung. F haftet hierfür, obwohl er auf das Verschulden der M zurückzuführen ist.

3. Auch nach den allgemeinen Haftungsregeln hätte U einen Anspruch auf Schadensersatz gegen F wegen der zerstörten Vase.

Ja!

Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 989, 990 BGB erfordert eine zurechenbare und verschuldete Verletzung des Eigentums durch den Besitzer im Rahmen eines EBV sowie Bösgläubigkeit des Besitzers hinsichtlich der eigenen Nichtberechtigung zum Besitz. Zwischen U und F besteht ein EBV, U ist Eigentümerin, F ist (mittelbare) Besitzerin und F hat kein Recht zum Besitz. Die Überlassung der Wohnung ist ein reines Gefälligkeitsverhältnis, welches kein Recht zum Besitz begründet. Das weiß die F auch. Sie beschädigt die Vase zwar nicht selbst, muss sich dies und ein Verschulden diesbezüglich aber von M nach § 278 BGB zurechnen lassen, da sie diesem die Einwirkung auf die Sache ermöglicht hat und er insofern als Erfüllungsgehilfe hinsichtlich ihrer Sorgfaltspflichten gegenüber U anzusehen ist. Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB ist dagegen durch die Sperrwirkung des EBV gesperrt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena

Helena

13.4.2022, 13:38:58

Ich bin etwas verwirrt, wieso in der Untervermietung nicht die

Verletzungshandlung

gesehen werden kann.

PH

Philippe

16.4.2022, 22:01:18

Es scheitert m. E. an der Zurechnung der Eigentumsverletzung, sei es Schutzzweck, Verkehrspflicht (mittelbare Rechtsverletzung) oder Ver

schuld

en. Ich wäre aber auch bei Dir: Wie im Strafrecht kann man zunächst einmal alle kausalen Handlungen als

Verletzungshandlung

andenken.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.4.2022, 18:05:09

Hallo ihr beiden, in der Tat erfolgte die unmittelbare

Verletzungshandlung

(Umwerfen der Vase) hier erst einmal durch U. Über die Äquivalenzformel könnte man zwar als

Verletzungshandlung

an das Überlassen der Wohnung an U anknüpfen. Das eigenständige Handeln von U unterbricht hier indes den Kausalzusammenhang (

Dazwischentreten Dritter

-

Schutzzweck der Norm

), sodass eine Zurechnung von Us Handeln ausscheidet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DAV

David.

15.9.2023, 20:57:50

Hallo @[Lukas_Mengestu](136780), eine Frage dazu. Muss man bezüglich der Zurechnung zwischen den Ansprüchen aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung differenzieren? Juracademy schreibt dazu Folgendes: „Besteht die Pflichtverletzung bereits darin, dass der Entleiher die Sache ohne Zustimmung des Verleihers dem Dritten überlassen hat und hat der Entleiher dies - wie in der Regel - zu vertreten, kommt es bei Folgeschäden nicht mehr auf das Ver

schuld

en des Dritten an. Die haftungsbegründenden Voraussetzungen des § 280 sind mit der zustimmungslosen Überlassung der Sache an den Dritten - Vertretenmüssen unterstellt - bereits erfüllt.“ Ist das lediglich eine andere Ansicht oder ist hier einfach zwischen den Ansprüchen zu differenzieren?

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

4.4.2025, 18:50:13

Hallo @[David.](176382), meiner Meinung nach gilt ähnliches auch im vorliegenden Verhältnis. Jedenfalls ist die

Verletzungshandlung

über

§ 278 BGB

zuzurechnen. Wir haben die Lösung des Falls daher jetzt angepasst. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

INDUB

InDubioProsecco

9.6.2023, 19:36:08

Müsste hier nicht ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen einer Verletzung der Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB durchgehen? Man müsste ggf. zur

Gefälligkeit

abgrenzen, wenn allerdings der F Zeit hat, unterzuvermieten, müsste es sich ja um eine solch lange Zeit haben, dass hier ein Auftrag angenommen werden kann.

AMA

Andeutungstheorie merken sowie Vertreter mit gebundener Marschroute

5.10.2023, 18:04:08

Auch ich finde den Punkt problematisch. Jedoch komme ich zur Annahme einer

Gefälligkeit

. Voraussetzung eines Auftrags wäre

Rechtsbindungswille

der Parteien. Tritt dieser wie hier nicht eindeutig nach außen, so ist er anhand der Umstände zu ermitteln. Maßgeblich sind insbesondere die rechtlichen Risiken des Geschäfts, dessen wirtschaftliche Bedeutung und sonstige Parteiinteresssen. Bei alledem komme ich nicht darüber hinweg, dass es sich hier bloß um das Gießen gewöhnlicher Blumen handelt (keine teuren, exotischen und einzigartigen Zierpflanzen, um es überspitzt darzustellen) und somit trotz der vermeintlich längeren Dauer kein RBW vorliegt. Was hältst du davon? LG

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

28.3.2025, 09:51:05

Hallo @[InDubioProsecco](1641), der Gedanke ist völlig richtig und man könnte definitiv über einen solchen Anspruch nachdenken. IE würde ich mich allerdings @[

Andeutungstheorie

merken sowie

Vertreter mit gebundener Marschroute

](188931) anschließen, dass wir hier wohl bei einer reinen

Gefälligkeit

sind, weil uns nähere Angaben in der Sachverhaltsdarstellung fehlen. Auch das von Dir genannte "Zeit"-Argument ist zumindest nicht zwingend: Erstens kann man eine Wohnung ja zB auch bloß während eines 2-wöchigen Urlaubs für einen kurzen Zeitraum, ggf sogar nur tageweise und spontan untervermieten. Wie lange F hier untervermietet, wissen wir nicht. Mit steigender Abwesenheitsdauer der U kann man sicher auch eher einen

Rechtsbindungswillen

annehmen. Bei einem bloßen Blumengießen unter Freunden ist es bis dahin aber mE immer noch ein recht großer Schritt. Zweitens nimmt es F anscheinend ohnehin nicht so genau mit dem, was er darf und nicht darf. Möglicherweise hat er die Wohnung auch für einen längeren Zeitraum gegen Vorabzahlung angeboten und U ist bis dahin längst wieder aus dem Urlaub zurück - wodurch das Ganze natürlich erst recht auffliegt. Wissen wir eben schlicht nicht, deswegen gehen wir an dieser Stelle auf vertragliche Ansprüche nicht näher ein. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

9.3.2024, 14:44:01

Es handelt sich hier doch um einen Fall des nicht so berechtigten Besitzers? Insofern würde sich ein Hinweis anbieten, dass die

Sperrwirkung des EBV

s nicht greift (Ist ja allgemein umstritten bei angemaßter Eigengeschäftsführung, wobei der Streit im Ergebnis dahinstehen könnte).

LS2024

LS2024

9.3.2024, 14:47:06

Wobei das natürlich ein weiteres Rabbit-Hole öffnen würde, da umstritten ist, ob das

Gefälligkeitsverhältnis

ein Recht zum Besitz begründet.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

4.4.2025, 18:34:07

Hallo @[LS2024](144077), um einen Fall des nicht so berechtigten Besitzers handelt es sich nicht. Schließlich hat der F gar kein Recht zum Besitz. Die Überlassung des Schlüssels ist als reine

Gefälligkeit

einzustufen. Du hast grundsätzlich Recht, dass beispielsweise BeckOGK/Spohnheimer, 1.2.2025, BGB § 986 Rn. 18 diesen Meinungsstreit andeutet. Allerdings scheint es von einem LG-Urteil abgesehen ganz überwiegende Meinung zu sein, dass ein

Gefälligkeitsverhältnis

grundsätzlich kein Recht zu Besitz begründet. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

JulianF

JulianF

28.9.2024, 18:20:03

Ein für §§

989, 990

I relevantes Ver

schuld

en mit Blick auf die Zerstörung liegt allerdings entgegen Eurer Darstellung durchaus vor, wenn F sich das Ver

schuld

en seines Mieters nach § 278 zurechnen lassen muss. Nach hM reicht das EBV als

Schuld

verhältnis aus, da der Besitzer die im EBV-Recht vorausgesetzte Pflicht hat, mit der Sache pfleglich umzugehen. Für die

Erfüllung

dieser Pflicht bedient sich F seines Mieters, indem er ihm die Sache überlässt. Demnach würde neben angemaßter Eigengeschäftsführung ein Anspruch aus §§

989, 990

I bestehen. § 823 I wäre hingegen durch das EBV gesperrt.

BEN

benjaminmeister

2.3.2025, 19:45:36

Ich würde den Mieter des F nicht als

Erfüllungsgehilfe

n sehen, weil er nicht zur

Erfüllung

einer

Leistungspflicht

eingesetzt wird. Aber ich würde hier ein Ver

schuld

en des F bejahen bejahen, weil er die Wohnung überhaupt Dritten

vorsätzlich

zugänglich gemacht hat. Dann könnte man auch noch diskutieren ob hier

schuld

haft

verbotene Eigenmacht

für §§ 992, 823 Abs. 1 vorliegt, weil sich F bewusst zum Eigenbesitzer aufschwingt.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

4.4.2025, 18:14:57

Hallo @[JulianF](239931) und @[benjaminmeister](216712), ich muss mich euch grundsätzlich anschließen. Wir haben die Lösung jetzt angepasst, um das zu berücksichtigen. Das entspricht der hM. @[benjaminmeister](216712)

§ 278 BGB

ist nicht nur auf Leistungs-, sondern auch auf

Nebenpflichten

anwendbar und nach hM wie JulianF sagt, sogar im EBV, vergleiche MüKoBGB/Raff, 9. Aufl. 2023, BGB § 989 Rn. 16. Auch unabhängig von

§ 278 BGB

lässt sich Benjamins Meinung zum Ver

schuld

en des F jedoch gut hören und wird zumindest im Fall eines Mietvertrages zwischen U und F auch so vertreten, vgl. MüKoBGB/Bieber, 9. Aufl. 2023, BGB § 540 Rn. 26. Das dürfte sich gut auch auf den Fall übertragen lassen. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

LOU

louisaamaria

30.12.2024, 14:15:44

Hätte U dann aber einen Anspruch gegen M nach §

991 II

?

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

4.4.2025, 18:46:37

Hallo @[louisaamaria](249303), dieser Anspruch dürfte bestehen, ja. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team


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