Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die unechte GoA (Eigengeschäftsführung)

Haftung wegen Übernahmeverschuldens nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB - Fall

Haftung wegen Übernahmeverschuldens nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB - Fall

2. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

U ist im Urlaub. Sie hat ihrem Freund F den Schlüssel für ihre Wohnung überlassen, um bis zu ihrer Rückkehr ihre Blumen zu gießen. Da F Geld braucht, vermietet er die Wohnung in eigenem Namen an M unter. Diese zerbricht aus Unachtsamkeit eine Vase der U im Wert von Euro 300.

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Einordnung des Falls

Haftung wegen Übernahmeverschuldens nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB - Fall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung liegen vor.

Genau, so ist das!

Eine angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 S. 1 BGB setzt voraus, dass jemand (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Eigengeschäftsführungswillen übernimmt, (3) ohne dazu berechtigt zu sein und (4) obwohl er Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts und der fehlenden Berechtigung hat. Die Vermietung der Wohnung ist ein Geschäft der U und damit für F fremd. F hat den Mietvertrag mit M in eigenem Namen geschlossen und wollte die Mietzahlung für sich behalten. Er wollte somit das fremde Geschäft als eigenes behandeln. U hat ihn nicht zur Vermietung berechtigt und F wusste um die Fremdheit des Geschäfts und die fehlende Berechtigung.
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2. U hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen F aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB wegen der zerstörten Vase.

Ja, in der Tat!

Ein Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB auf Schadensersatz setzt voraus, dass die Grundvoraussetzungen des § 687 BGB erfüllt sind. Ferner müssen nach § 678 BGB ein Übernahmeverschulden und ein aus der Geschäftsführung entstandener Schaden vorliegen. Da der Geschäftsführer bei einer angemaßten Eigengeschäftsführung Kenntnis von der fehlenden Berechtigung haben muss, ist ein Übernahmeverschulden stets zu bejahen. Der Geschäftsführer haftet für alle Schäden aus der Geschäftsführung, auch wenn diese auf Zufall oder dem Verschulden eines Dritten beruhen. F trifft ein Übernahmeverschulden. Die Zerstörung der Vase ist ein Schaden aus der Geschäftsführung. F haftet hierfür, obwohl er auf das Verschulden der M zurückzuführen ist.

3. Auch nach den allgemeinen Haftungsregeln hätte U einen Anspruch auf Schadensersatz gegen F wegen der zerstörten Vase.

Nein!

Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB erfordert eine Rechtsgutsverletzung. Bei einem Schadensersatzanspruch nach §§ 989, 990 BGB muss eine Eigentumsverletzung gegeben sein. Ferner setzen beide Ansprüche ein Verschulden des Anspruchsgegners voraus. Die Zerstörung der Vase stellt zwar eine Eigentumsverletzung dar. Diese Verletzung erfolgte indes durch U und nicht durch F. Ferner trifft den F diesbezüglich auch kein Verschulden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena

Helena

13.4.2022, 13:38:58

Ich bin etwas verwirrt, wieso in der Untervermietung nicht die

Verletzungshandlung

gesehen werden kann.

PH

Philippe

16.4.2022, 22:01:18

Es scheitert m. E. an der Zurechnung der Eigentumsverletzung, sei es Schutzzweck, Verkehrspflicht (mittelbare Rechtsverletzung) oder Verschulden. Ich wäre aber auch bei Dir: Wie im Strafrecht kann man zunächst einmal alle kausalen Handlungen als

Verletzungshandlung

andenken.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.4.2022, 18:05:09

Hallo ihr beiden, in der Tat erfolgte die unmittelbare

Verletzungshandlung

(Umwerfen der Vase) hier erst einmal durch U. Über die Äquivalenzformel könnte man zwar als

Verletzungshandlung

an das Überlassen der Wohnung an U anknüpfen. Das eigenständige Handeln von U unterbricht hier indes den Kausalzusammenhang (

Dazwischentreten Dritter

-

Schutzzweck der Norm

), sodass eine Zurechnung von Us Handeln ausscheidet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DAV

David.

15.9.2023, 20:57:50

Hallo @[Lukas_Mengestu](136780), eine Frage dazu. Muss man bezüglich der Zurechnung zwischen den Ansprüchen aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung differenzieren? Juracademy schreibt dazu Folgendes: „Besteht die Pflichtverletzung bereits darin, dass der Entleiher die Sache ohne Zustimmung des Verleihers dem Dritten überlassen hat und hat der Entleiher dies - wie in der Regel - zu vertreten, kommt es bei Folgeschäden nicht mehr auf das Verschulden des Dritten an. Die haftungsbegründenden Voraussetzungen des § 280 sind mit der zustimmungslosen Überlassung der Sache an den Dritten - Vertretenmüssen unterstellt - bereits erfüllt.“ Ist das lediglich eine andere Ansicht oder ist hier einfach zwischen den Ansprüchen zu differenzieren?

INDUB

InDubioProsecco

9.6.2023, 19:36:08

Müsste hier nicht ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen einer Verletzung der Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB durchgehen? Man müsste ggf. zur

Gefälligkeit

abgrenzen, wenn allerdings der F Zeit hat, unterzuvermieten, müsste es sich ja um eine solch lange Zeit haben, dass hier ein Auftrag angenommen werden kann.

AMA

Andeutungstheorie merken sowie Vertreter mit gebundener Marschroute

5.10.2023, 18:04:08

Auch ich finde den Punkt problematisch. Jedoch komme ich zur Annahme einer

Gefälligkeit

. Voraussetzung eines Auftrags wäre Rechtsbindungswille der Parteien. Tritt dieser wie hier nicht eindeutig nach außen, so ist er anhand der Umstände zu ermitteln. Maßgeblich sind insbesondere die rechtlichen Risiken des Geschäfts, dessen wirtschaftliche Bedeutung und sonstige Parteiinteresssen. Bei alledem komme ich nicht darüber hinweg, dass es sich hier bloß um das Gießen gewöhnlicher Blumen handelt (keine teuren, exotischen und einzigartigen Zierpflanzen, um es überspitzt darzustellen) und somit trotz der vermeintlich längeren Dauer kein RBW vorliegt. Was hältst du davon? LG

LS2024

LS2024

9.3.2024, 14:44:01

Es handelt sich hier doch um einen Fall des nicht so berechtigten Besitzers? Insofern würde sich ein Hinweis anbieten, dass die

Sperrwirkung des EBV

s nicht greift (Ist ja allgemein umstritten bei angemaßter Eigengeschäftsführung, wobei der Streit im Ergebnis dahinstehen könnte).

LS2024

LS2024

9.3.2024, 14:47:06

Wobei das natürlich ein weiteres Rabbit-Hole öffnen würde, da umstritten ist, ob das

Gefälligkeitsverhältnis

ein Recht zum Besitz begründet.

JulianF

JulianF

28.9.2024, 18:20:03

Ein für §§ 989, 990 I relevantes Verschulden mit Blick auf die Zerstörung liegt allerdings entgegen Eurer Darstellung durchaus vor, wenn F sich das Verschulden seines Mieters nach § 278 zurechnen lassen muss. Nach hM reicht das EBV als Schuldverhältnis aus, da der Besitzer die im EBV-Recht vorausgesetzte Pflicht hat, mit der Sache pfleglich umzugehen. Für die Erfüllung dieser Pflicht bedient sich F seines Mieters, indem er ihm die Sache überlässt. Demnach würde neben angemaßter Eigengeschäftsführung ein Anspruch aus §§ 989, 990 I bestehen. § 823 I wäre hingegen durch das EBV gesperrt.


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