Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die unechte GoA (Eigengeschäftsführung)

Bereicherungsanspruch des Geschäftsführers, §§ 687 Abs. 2, S. 2, 684 S. 1 BGB (Fall)

Bereicherungsanspruch des Geschäftsführers, §§ 687 Abs. 2, S. 2, 684 S. 1 BGB (Fall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Diebin D stiehlt das Motorrad des E im Wert von € 3000. Er lässt die Kupplung für € 200 reparieren und verkauft es für € 5000 an Käufer K. Kurz darauf kommt die Polizei D auf die Schliche. E verlangt von D die € 5000 heraus.

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Einordnung des Falls

Bereicherungsanspruch des Geschäftsführers, §§ 687 Abs. 2, S. 2, 684 S. 1 BGB (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 S. 1 BGB liegen vor.

Ja!

Eine angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 S. 1 BGB setzt voraus, dass jemand (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Eigengeschäftsführungswillen übernimmt, (3) ohne dazu berechtigt zu sein und (4) obwohl er Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts und der fehlenden Berechtigung hat. Der Verkauf des Motorrads ist ein Geschäft des E und damit für D fremd. Indem D das Motorrad in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an den K verkaufte, hat sie dieses fremde Geschäft als eigenes behandelt. E hat sie nicht zum Verkauf des Motorrads berechtigt und D wusste um die Fremdheit des Geschäfts und die fehlende Berechtigung.
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2. E hat einen Anspruch auf Herausgabe der € 5000 gegen D aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB.

Genau, so ist das!

Ein Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten setzt voraus, dass die Grundvoraussetzungen des § 687 BGB erfüllt sind. Ferner muss der Geschäftsführer nach § 667 BGB etwas aus der Geschäftsbesorgung erlangt haben. Die Grundvoraussetzungen des § 687 BGB sind erfüllt. D hat aus der Geschäftsbesorgung € 5000 erlangt.

3. Die Reparaturkosten in Höhe von € 200 stellen eine nach §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB ersatzfähige Aufwendung dar.

Ja, in der Tat!

Nach h.M. handelt es sich bei einem Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB genauso wie bei einem Anspruch aus § 684 S. 1 BGB um einen beschränkten Aufwendungsersatzanspruch. Ersatzfähig sind hiernach nur diejenigen Aufwendungen des Geschäftsführers, welche zu einer Vermögensmehrung beim Geschäftsherrn geführt haben, die noch vorhanden ist(§ 818 Abs. 3 BGB). Die Reparaturkosten in Höhe von € 200 stellen eine Aufwendung dar, welche zu einer Vermögensmehrung bei E geführt hat. Diese ist auch noch vorhanden, da sie sich im von K gezahlten und an E herauszugebenden Kaufpreis in Höhe von € 5000 widerspiegelt.

4. D kann die Reparaturkosten in Höhe von € 200 als Aufwendungen nach §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB von E nur ersetzt verlangen, weil dieser die € 5000 von ihm heraus verlangt.

Ja!

Für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB müssen (1) die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 S. 1 BGB vorliegen. (2) Der Geschäftsführer muss ferner Aufwendungen getätigt haben, die zu einem Vermögenszuwachs beim Geschäftsherrn geführt haben, der noch vorhanden ist. (3) Zuletzt ist erforderlich, dass der Geschäftsherr einen Anspruch aus GoA geltend macht (§ 687 Abs. 2 S. 1, 2 BGB). Die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung liegen vor und die Reparaturkosten sind eine Aufwendung, die als Vermögenszuwachs bei E noch vorhanden ist. Indem er die € 5000 von D verlangt, macht E einen Anspruch aus GoA (§§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB) geltend.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

26.2.2023, 14:03:24

Wäre hier eine Ersatzpflicht auch über den Vorteilsausgleich konstruierbar?

LS2024

LS2024

9.3.2024, 15:23:49

Ich halte die Lösung für falsch. Durch das Herausverlangen der 5000 € durch den Geschäftsherrn wurde die Verfügung an den Käufer genehmigt. Damit liegt eine Berechtigung der D vor. Das ist auch bei einer wertenden Betrachtung sinnvoll. Könnte der Geschäftsherr die 5000 € ohne die Genehmigung der Verfügung herausverlangen, so stünde D um 5000 € schlechter. Einerseits müsste sie die 5000 € an den Geschäftsherrn herausgeben, andererseits könnte der Käufer von D 5000 € wegen eines

Rechtsmangel

s als SE verlangen. Das widerspricht dem Sinn und Zweck des § 670 BGB. Anders könnte man auch argumentieren, dass aufgrund des Anspruch des Käufer gegen D, D keine 5000 € erlangt hat. Auch damit wäre ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten ausgeschlossen. Ein weiterer Lösungsweg könnte sein, dass man der D umgekehrt einen Anspruch aus §§ 687 II 2, 684 BGB auf Genehmigung der Verfügung einräumen würde. Am überzeugendsten halte ich es aber auf die Genehmigung abzustellen. Denn der Geschäftsherr könnte ja auch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Käufer von D verlangen. Indem er das allerdings nicht tut und stattdessen den Erlös herausverlangt, gibt er zu erkennen, dass er die Verfügung gegen sich gelten lassen möchte. Dem könnte man zwar entgegenhalten, dass der Geschäftsherr kein Interesse an der Wirksamkeit der Verfügung hatte. In Anbetracht dessen, dass er kein Recht auf die 5000 € UND sein Eigentum hat, wäre ein solcher Wille aber nach § 242 BGB unbeachtlich.

LS2024

LS2024

11.3.2024, 13:43:30

Das ist nicht korrekt: § 687 II 2 verweist nicht auf § 684 2 BGB. Eine Genehmigung ist somit also gerade nicht möglich. Das Handeln des Geschäftsherrn wird somit nur im Außenverhältnis zu einer Genehmigung der Verfügung führen. Damit besteht auch kein Problem, da keine Gefahr mehr besteht, dass D vom Käufer in Regress genommen wird.

LS2024

LS2024

19.3.2024, 11:19:25

Wäre es hier nicht für den E sinnvoller den Anspruch aus § 816 I 1 BGB geltend zu machen und so einen Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung der D zu verhindern?

LS2024

LS2024

13.4.2024, 14:04:44

Auch dann bestünde wohl der Anspruch aus §§ 994 II, 684 1 BGB. Im Ergebnis macht es somit keinen Unterschied. Dennoch frage ich mich inwiefern man dem Verlangen auf Herausgabe der 5000 € eine Entscheidung entnehmen kann, den Anspruch aus §§ 687 II 1, 681 1, 677 BGB geltend zu machen. Wieso nicht die Geltendmachung des Anspruchs aus § 816 I 1 BGB?

LS2024

LS2024

13.4.2024, 14:26:29

Im Ergebnis macht diese Auslegung doch den entscheidenden Unterschied: Die D verliert gem. § 999 I BGB seinen Verwendungsersatzanspruch aus §§ 994 II, 684 1 BGB mit der Übergabe an den Käufer. Seine Aufwendungen könnte er nach § 818 III auch nicht bereicherungsmindernd geltend machen, da er bösgläubig war, §§ 819 I, 818 III, IV. Somit ist die einzige Möglichkeit für einen Verwendungsersatzanspruch der §§ 678 II 2, 684 1 BGB. Ein vernünftiger Geschäftsherr hätte somit den Anspruch aus § 816 I 1 BGB geltend gemacht. Eine Auslegung der WE des E nach dem objektiven

Empfängerhorizont

(

§§ 133, 157 BGB

) ergibt somit entgegen der Lösung keine Geltendmachung des Anspruchs aus §§ 687 II 1, 681 1, 677 BGB. Die Lösung ist somit falsch.

LS2024

LS2024

13.4.2024, 14:33:42

Die Frage welchen Anspruch der E hier geltend gemacht hat, ist von entscheidender Bedeutung: Die D verliert gem. § 999 I BGB ihren Verwendungsersatzanspruch aus §§ 994 II, 684 1 BGB mit der Übergabe an den Käufer. Seine Aufwendungen könnte sie nach § 818 III auch nicht bereicherungsmindernd geltend machen, da sie bösgläubig war, §§ 819 I, 818 III, IV. Somit ist die einzige Möglichkeit für einen Verwendungsersatzanspruch der D der §§ 678 II 2, 684 1 BGB. Ein vernünftiger Geschäftsherr hätte somit den Anspruch aus § 816 I 1 BGB geltend gemacht. Eine Auslegung der WE des E nach dem objektiven

Empfängerhorizont

(

§§ 133, 157 BGB

) ergibt somit, entgegen der Lösung, keine Geltendmachung des Anspruchs aus §§ 687 II 1, 681 1, 677 BGB. Die Lösung ist somit falsch.


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