Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die unechte GoA (Eigengeschäftsführung)

Wahl der allgemeinen Vorschriften für Geschäftsherrn vorteilhaft

Wahl der allgemeinen Vorschriften für Geschäftsherrn vorteilhaft

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G fragt seinen Nachbarn N, ob er dessen Grundstück während seines Hausbaus als Baumateriallager nutzen darf. Obwohl N ablehnt, beschließt G dessen Grundstück trotzdem zu nutzen. Hierfür lässt er zuerst noch den Bauschutt abtransportieren, den N dort abgeladen hat.

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Einordnung des Falls

Wahl der allgemeinen Vorschriften für Geschäftsherrn vorteilhaft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die Nutzung von Ns Grundstück als Baumateriallager liegen die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung vor.

Genau, so ist das!

Eine angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 S. 1 BGB setzt voraus, dass jemand (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Eigengeschäftsführungswillen übernimmt, (3) ohne dazu berechtigt zu sein und (4) obwohl er Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts und der fehlenden Berechtigung hat. Die Nutzung von Ns Grundstück ist ein Geschäft des N und damit für G fremd. Indem G das Grundstück des N für eigene Zwecke nutzte, wollte er dieses Geschäft als eigenes behandeln. Er hatte Eigengeschäftsführungswillen. Die Nutzung war unberechtigt, da N nicht damit einverstanden war. N wusste um die Fremdheit des Geschäfts und die fehlende Berechtigung.
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2. N hat einen Anspruch gegen G auf Wertersatz für die gezogenen Nutzungen bzw. den Gebrauchsvorteil am Grundstück nach §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB.

Ja, in der Tat!

Ein Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten setzt voraus, dass die Grundvoraussetzungen des § 687 BGB erfüllt sind. Ferner muss der Geschäftsführer nach § 667 BGB etwas aus der Geschäftsbesorgung erlangt haben. Dies umfasst auch Wertersatz für von ihm gezogene Nutzungen, wie zum Beispiel Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB). Die Grundvoraussetzungen des § 687 BGB sind erfüllt. G hat aus der Geschäftsbesorgung einen Gebrauchsvorteil am Grundstück erlangt (§ 100 HS 2 Alt. 1 BGB).

3. N hat einen Anspruch gegen G auf Herausgabe der von G gezogenen Nutzungen nach §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 S. 1 BGB.

Ja!

Ein Anspruch auf Nutzungsherausgabe nach §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 S. 1 BGB erfordert (1) eine Vindikationslage (EBV). Der Anspruchssteller muss Eigentümer der Sache, der Anspruchsgegner Besitzer ohne Besitzrecht sein. Der Anspruchsgegner muss ferner (2) bei Besitzerlangung Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis (§ 990 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 932 Abs. 2 BGB analog) über das fehlende Besitzrecht gehabt haben. Zuletzt muss (3) der Anspruchsgegner Nutzungen (§ 100 BGB) gezogen haben. N ist Eigentümer des Grundstücks und G Besitzer ohne Besitzrecht. G wusste vom fehlenden Besitzrecht. Der Gebrauchsvorteil am Grundstück stellt eine von G gezogene Nutzung dar.

4. G kann die Kosten für den Abtransport des Bauschutts als Verwendungen nach §§ 994, 996 BGB von N ersetzt verlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach §§ 994, 996 BGB kann der Besitzer einer Sache die von ihm auf diese getätigten Aufwendungen (=Verwendungen) unter bestimmten Voraussetzungen vom Eigentümer ersetzt verlangen. Der Ersatz nützlicher Verwendungen (§ 996 BGB) setzt Gutgläubigkeit des Besitzers voraus. Der bösgläubige Besitzer kann lediglich notwendige Verwendungen ersetzt verlangen (§ 994 Abs. 2 BGB). Notwendig sind Verwendungen, die objektiv zur Erhaltung der Sache erforderlich sind. G wusste bei Besitzerwerb am Grundstück von seinem fehlenden Besitzrecht und war somit bösgläubig. Der Abtransport des Bauschutts ist für die Erhaltung des Grundstücks nicht objektiv erforderlich.

5. G kann die Kosten für den Abtransport des Bauschutts als Aufwendungen nach §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB von N ersetzt verlangen, sofern dieser seinen Anspruch aus §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB geltend macht.

Ja, in der Tat!

Für einen solchen Aufwendungsersatzanspruch müssen (1) die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 S. 1 BGB vorliegen. Der Geschäftsführer muss ferner (2) Aufwendungen getätigt haben, die zu einem Vermögenszuwachs beim Geschäftsherrn geführt haben, der noch vorhanden ist. Zuletzt ist erforderlich, dass (3) der Geschäftsherr einen Anspruch aus GoA geltend macht (§ 687 Abs. 2 S. 1, 2 BGB). Die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung liegen vor. Der Abtransport ist eine Aufwendung, die als Vermögenszuwachs bei N noch vorhanden ist. Der Anspruch besteht nur, wenn N seinen Anspruch aus GoA geltend macht.

6. Ist es für N egal, ob er von G Wertersatz nach §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB oder Nutzungsersatz nach §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt?

Nein!

Vorliegend wäre es für N vorteilhafter, nicht den GoA-Anspruch nach §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB, sondern nur denjenigen nach §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 S. 1 BGB geltend zu machen, um Ersatz für den Gebrauchsvorteil am Grundstück von G zu erhalten. Nur so kann ihm G keinen Gegenanspruch entgegenhalten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

StellaChiara

12.7.2023, 13:11:19

Wäre GoA aufgrund von § 993 a.E BGB hinsichtlich der Nutzungen gesperrt? oder ist der Anspruch möglich, weil es um Wertersatz geht? Lg

Ala

Ala

14.9.2024, 15:42:40

Das frage ich mich auch!!

AS

as.mzkw

27.9.2024, 17:09:39

§ 687 II BGB ist neben EBV anwendbar. Arg.: Der angemaßte Eigengeschäftsführer ist nicht schutzwürdig.

SN

Sniter

13.1.2024, 13:17:23

Liebes Team, der Fall -wenn mich nicht alles täuscht- hat dies Kennung: BGHZ 39, 186. Zu finden auch bei Wandt § 6

Unechte GoA

, Rn 16

LELEE

Leo Lee

14.1.2024, 07:33:57

Hallo Sniter, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat hatten wir das Datum hier vergessen, was wir nunmehr korrigiert haben :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LAULAUA

LaulauAC

12.4.2024, 21:04:33

Inwiefern liegt hier überhaupt eine Verwendung vor? G ist aus §

1004 BGB

zur Beseitigung def Störung verpflichtet, das für die Verwendung erforderliche Vermögensopfer erfolgt damit nicht freiwillig.

Paulah

Paulah

13.4.2024, 11:43:54

G lässt Bauschutt vom Grundstück des N entfernen, den N (!!!) dort auf seinem eigenen Grundstück gelagert hatte. D. h. G wollte sich für sein Material auf dem Grundstück des N Platz schaffen.

LELEE

Leo Lee

13.4.2024, 16:27:39

Hallo LaulauAC, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie Paulah zutreffend anmerkt, lässt G Bauschutt von N entfernen. Und weil der Bauschutt nicht dem G gehört, war er nicht verpflichtet, diesen wegzuräumen, weshalb das Wegräumen auch insofern freiwillig war :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

BE

Bioshock Energy

6.8.2024, 16:41:02

Hallo, warum kann G keinen Anspruch aus §§ 994 II, 684 S. 1 geltend machen? BGB gegen N geltend machen? Das geht aus der Erklärung nicht wirklich hervor. Vielleicht kann mir das jemand erklären. Danke

BE

Bioshock Energy

6.8.2024, 16:43:16

Sorry, zweite Frage einfach ignorieren, bitte

Tobias Krapp

Tobias Krapp

9.8.2024, 12:30:51

Hallo Bioshock Energy, danke für deine Nachfrage. Der Anspruch aus §§ 994 II, 684 S. 1 BGB setzt eine notwendige Verwendung voraus. Verwendungen sind Vermögensaufwendungen des Besitzers, die der Sache unmittelbar zugutekommen sollen, also ihrer Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung dienen. Dies kann man für den Abtransport des Bauschutts noch annehmen, da das Grundstück so von dem Bauschutt "befreit" wird, hierin auch ggf. eine Wertsteigerung liegt, das Grundstück also verbessert wird. Die Verwendung müsste aber auch notwendig sein.

Notwendige Verwendungen

sind solche, die für den Erhalt des Bestands der Sache und für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Sache objektiv erforderlich sind. Dies trifft auf den Abtransport des Bauschutts nicht zu. Der Bauschutt gefährdet weder Bestand noch Bewirtschaftung der Sache. Der deponierte Bauschutt ist die gewählte Form der Nutzung des Eigentümers, es ist nicht objektiv erforderlich, diese einzustellen. Zwar wird durch den Abtransport neuer Platz frei, doch ist dies nur Anknüpfungspunkt für die Verbesserung, nicht die Notwendigkeit. Für diese müssten weitere, hier nicht ersichtliche, Punkte dazukommen. Daher greift §§ 994 II, 684 S. 1 BGB nicht. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias @[Wendelin Neubert](409)


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