Einführungsfall Betriebsvereinbarung - Formmangel

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Angesichts der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft vereinbaren Arbeitgeberin Inge und der Betriebsrat mündlich, dass der Arbeitsbeginn während der WM auf 07:00 Uhr vorverlegt wird, damit man am Nachmittag Fußball schauen kann. Langschläferin Lea passt das gar nicht.

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Einordnung des Falls

Einführungsfall Betriebsvereinbarung - Formmangel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber sind ein zentrales Werkzeug des Betriebsrates zur Wahrnehmung seiner Aufgaben (§ 77 Abs. 1 BetrVG).

Genau, so ist das!

Zu den Kernaufgaben des Betriebsrates gehört nicht nur die Überwachung und Beratung des Arbeitgebers. Vielmehr stehen ihm eine Reihe von Mitbestimmungsrechten zu. Diese kann er durch Abschluss von Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber umsetzen und dadurch aktiv auf die Arbeitsbedingungen im Betrieb einwirken. Der Begriff „Vereinbarung“ (§ 77 Abs. 1 BetrVG) ist dabei als Oberbegriff zu verstehen. Er umfasst jegliche verbindliche Absprache zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (bzw. Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat).
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2. Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entfalten stets unmittelbare Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine unmittelbare Wirkung für die Arbeitnehmer tritt nur ein, wenn die Betriebsparteien die Absprache als förmliche Betriebsvereinbarung treffen (§77 Abs. 2-6 BetrVG). Eine Betriebsvereinbarung ist nur wirksam, wenn (1) sie in den funktionellen Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats fällt, (2) die Vereinbarung schriftlich abgeschlossen wird (§ 77 Abs. 2 S. 1, 2 BetrVG), (3) tarifliche Regelungen keinen Vorrang genießen (§§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 BetrVG) und (4) die Vereinbarung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.Abseits der förmlichen Betriebsvereinbarung können die Parteien sogenannte Regelungsabreden treffen. Diese müssen diese Voraussetzungen nicht erfüllen, wirken aber nur zwischen den Betriebsparteien. Eine unmittelbare Wirkung für die Arbeitnehmer entfalten sie also nicht.

3. Können Betriebsvereinbarungen auch mit Wirkung für leitende Angestellte vereinbart werden?

Nein!

Die Zuständigkeit des Betriebsrates beschränkt sich auf Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 BetrVG). Leitende Angestellte werden von ihm nicht vertreten.Da dem Betriebsrat bezüglich leitenden Angestellten keine Kompetenzen zustehen, beschränkt sich der Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung auf Arbeitnehmer.Werden durch die Betriebsvereinbarungen aber Rechte der leitenden Angestellte berührt (zB Errichtung einer Werkskantine), so ist der Sprecherausschuss vom Arbeitgeber vorher anzuhören (§ 2 Abs. 1 S. 2 BetrVG).

4. Fällt die Verlegung der Arbeitszeit auf 07:00 Uhr in den funktionellen Zuständigkeitsbereich des Betriebsrates (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG)?

Genau, so ist das!

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat eine umfassende funktionelle Zuständigkeit. Neben den Rechten, die der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen, kann der Betriebsrat deshalb sämtliche sozialen Angelegenheiten regeln.Die Lage der Arbeitszeit gehört zu den mitbestimmungspflichtigen sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG).Nicht mehr in die Zuständigkeit des Betriebsrates fallen dagegen Regelungen, die den außerbetrieblichen, privaten Lebensbereich betreffen.

5. Muss Lea während der WM also bereits um 07:00 Uhr im Betrieb sein?

Nein, das trifft nicht zu!

Betriebsvereinbarungen müssen schriftlich abgeschlossen werden (§ 77 Abs. 2 S. 1, 2 BetrVG). Verstoßen die Parteien dagegen, so sind diese unwirksam (§ 125 BGB).Die Betriebsparteien haben hier die Vereinbarung lediglich mündlich getroffen. Lea kann also trotz der Vereinbarung zur gewohnten Zeit kommen. Die Vereinbarung entfaltet für sie keine Bindungswirkung.
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