Negative Abschlussfreiheit I, § 22 PBefG

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jurastudent J hatte einen langen Tag in der Bib. Er möchte sich ausnahmsweise eine Taxifahrt nach Hause gönnen. Taxifahrer T weigert sich, ihn mitzunehmen. Er habe Juristen noch nie besonders leiden können.

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Einordnung des Falls

Negative Abschlussfreiheit I, § 22 PBefG

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. J hat durch die Bitte, ihn nach Hause zu fahren, ein Angebot zum Vertragsschluss gemäß § 145 BGB abgegeben.

Genau, so ist das!

Ein Angebot ist eine Willenserklärung, durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass nur von dessen Einverständnis das Zustandekommen des Vertrags abhängt. Indem J den T darum gebeten hat, ihn nach Hause zu fahren, hat er eine Willenserklärung abgegeben. Diese ist darauf gerichtet, einen Beförderungsvertrag mit dem Taxi-Unternehmen zu schließen.
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2. T durfte das Angebot ablehnen. Die Auswahl des Vertragspartners ist Ausfluss der durch Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Abschlussfreiheit.

Nein, das trifft nicht zu!

Ausfluss der Vertragsfreiheit ist die sogenannte Abschlussfreiheit. Diese erlaubt es jedem Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob und mit wem er einen Vertrag schließen will. Eine Ausnahme hiervon besteht im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, wenn eine Vertragspartei eine rechtliche oder faktische Monopolstellung innehat. Primär geht es hierbei um die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit essentiellen Gütern und Dienstleistung.Taxifahrer sind gemäß § 22 PBefG zum Vertragsschluss verpflichtet (sog. Kontrahierungszwang).Das gleiche gilt etwa für die S-Bahn (auch § 22 PBefG) oder Energieversorger (§ 17 EnWG).

3. T ist nach § 22 PBefG verpflichtet, das Angebot des J anzunehmen.

Ja!

§ 22 PBefG sieht eine Beförderungsverpflichtung des Unternehmers vor, wenn die Beförderungsbedingungen eingehalten werden und die Beförderung als solche möglich ist.Da J die Beförderungsbedingungen eingehalten hat und eine Beförderung auch möglich ist, ist S zum Vertragsschluss verpflichtet. Verstößt der Taxifahrer dagegen, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit (§ 61 Abs. 1 Nr. 3c PBefG) dar. Zudem kommen Schadensersatzansprüche des Kunden in Betracht, sollte dieser durch die Verweigerung einen Schaden erlitten haben (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FABY

Faby

10.4.2022, 19:39:20

Ist § 10 EnWG für den Kontrahierungszwang von Energieversorgern wirklich richtig? Ich kann das da nicht so richtig rauslesen. Passt § 36 EnWG nicht besser? 🤔

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.4.2022, 16:30:58

Danke Faby, § 10 EnWG passte hier in der Tat nicht so recht. Vielmehr ergibt sich dies aus § 17 Abs. 1 EnWG. Das haben wir angepasst. § 36 EnWG bezieht sich dagegen nur auf die Grundversorgung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Ranii

Ranii

23.5.2022, 11:31:00

Ach, der Taxifahrer ist doch wahrscheinlich selbst Jurist ;)

Raphael‘

Raphael‘

13.6.2022, 16:09:14

Ich weiß nicht, ob das so geplant war, aber in Frage 2 ist in der Lösung bereits die Antwort für Frage 3 (bin mir nicht mehr sicher, ob die Fragenummern stimmt), ich meinte die Frage mit § 22 PBefG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.6.2022, 20:17:41

Hi RaphaKP, herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für Deinen Hinweis! Das ist hier zwar in der Tat etwas gedoppelt, dient aber letztlich der Verfestigung des Inhalts. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden dies so zu belassen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Raphael‘

Raphael‘

15.6.2022, 08:32:21

Alles klar, danke für die schnelle Antwort :)

Jonah

Jonah

8.1.2023, 10:15:28

Liebes Team, gibt es beim Kontrahierungszwang des § 22 PBefG Ausnahmen? Beispielsweise wenn objektiv und nach den Umständen anzunehmen ist, dass jemand keine Mittel besitzt, um die Taxifahrt bezahlen zu können? Beste Grüße.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.1.2023, 14:16:22

Hallo Jonah Ludwig, erstmal findet die Beförderungspflicht nach Abs. 1 Nr. 3 ihre Grenze an für den Unternehmer unabwendbaren Umständen, die ihre Erfüllung verhindern oder unzumutbar machen. Taxiunternehmen verstoßen nicht unbedingt gegen die Beförderungspflicht durch Ablehnung eines Fahrauftrags wegen Verweigerung der Rückrufnummer des Auftraggebers (BayObLG 23.9.1985); sie können eine Fahrt ablehnen, wenn der Fahrgast nicht zur Barzahlung bereit ist (OLG Hamburg 26.8.2010, BeckRS 2010, 23057); zudem gibt es ggfs. Grenzen der Beförderungspflicht bei Unzumutbarkeit (Feindschaft zwischen Fahrer und Fahrgast) vgl. OLG Köln (27.8.1968, NJW 1969, 65). Die Beförderungspflicht ist also keineswegs unbegrenzt. Zudem ist sie auch räumlich begrenzt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Peter im Pech

Peter im Pech

29.1.2024, 19:43:09

Angenommen ich müsste zu Fuß nach Hause und werde dabei ausgeraubt, nachdem der Taxifahrer mein Angebot abgewiesen hat, kann ich dann ihm ggü. Schadensersatz nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangen?


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