Gefährliche Körperverletzung mittels Waffe – Splitter

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T schießt aus einem auf einer Bundesautobahn von ihm geführten LKW heraus im fließenden Verkehr auf andere Fahrzeuge. Dabei verwendet er eine Walther P 38. Ein Projektil durchschlägt die Glasscheibe des Autotransporters von O. O erleidet durch die Glassplitter Schnittverletzungen sowie ein Knalltrauma.

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Einordnung des Falls

Gefährliche Körperverletzung mittels Waffe – Splitter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat die Körperverletzung zum Nachteil der O nach Ansicht des BGH "mittels" einer Waffe (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB) begangen.

Nein!

Nach der Rspr. ist die Körperverletzung nur dann mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangen, wenn (1) der eingesetzte Gegenstand unmittelbar auf den Körper des Opfers einwirkt und (2) gerade von dieser unmittelbaren gegenständlichen Einwirkung die Eignung zur Verursachung erheblicher Verletzungen herrührt. BGH: Eine solche unmittelbare Einwirkung des von T abgeschossenen Projektils auf Os Körper sei nicht festzustellen. O wurde lediglich durch Splitter der durch den Schuss geborstenen Glasscheibe verletzt und erlitt ein Knalltrauma. Die Körperverletzungserfolge seien daher erst durch das Zerbersten der Scheibe und damit durch eine Folge des Schusses eingetreten, nicht aber "mittels" der eingesetzten Waffe.
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2. T hat die Körperverletzung zum Nachteil der O nach Ansicht des BGH "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) begangen.

Genau, so ist das!

Eine das Leben gefährdende Behandlung setzt eine Begehungsweise voraus, die nach den konkreten Umständen wie der Art, Dauer und Intensität der Einwirkung objektiv generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Der Eintritt einer konkreten Lebensgefahr ist nach h.M. nicht erforderlich. Die Schüsse des T auf fahrende Autos im fließenden Verkehr sind objektiv generell geeignet, die Autofahrer in Lebensgefahr zu bringen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Philipp M.

Philipp M.

14.5.2024, 12:50:47

Warum wird auch das Knalltrauma in puncto "mittels der Waffe" abgelehnt? Der Knall, also eine wesentliche Vrrs. für das herbeiführen des Knalltraumas, entsteht ja gerade erst durch den Einschlag des Projektils auf den nächstbesten beliebigen Gegenstand. Also wäre das Projektil schuld an der Misere und nicht etwa die zerspringende Scheibe. Wenn man ganz lustig ist, könnte man sogar schon auf Zeitpunkt des abfeuerns der Kugel als Ursache für das Knalltrauma abstellen. Bei fließenden Verkehr und der Entfernung wird das aber wohl übertönt.

nullumcrimen

nullumcrimen

20.5.2024, 21:39:05

Würde ich auch gerne wissen! Das Knalltrauma müsste ja unmittelbare Folge des Schusses gewesen sein

/Q

/qwas

29.5.2024, 09:33:01

Habe so verstanden, dass das Projektil selbst auf den Körper des Opfers einwirken muss, damit "mittels" im Verständnis der Rechtsprechung vorliegt.

Philipp M.

Philipp M.

29.5.2024, 10:40:46

Komisch. Hier liegt eigentlich keine Kettenreaktion im Sinne der RS vor und trotzdem wird es abgelehnt. Ein Projektil kann kein Knalltrauma hervorrufen, wenn es auf den Körper trifft. Der federt den Einschlag viel zu sehr ab. Deshalb dann die gefährliche KV kategorisch auszuschließen halte ich für fragwürdig. Andererseits, wenn das Projektil auf den Körper einschlägt, wäre "mittels" einer Waffe ohnehin gegeben im Bezug auf die entstehenden Wunden. Nur Fälle, in denen ansonsten nichts passiert und nur das Knalltrauma entsteht, halte ich ein kategorisches ablehnen der gefährlichen KV für falsch.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

26.9.2024, 14:02:08

Hallo @[Philipp M.](227268), das kann man natürlich diskutieren. Der BGH gibt sich in seiner zugrunde liegenden Entscheidung allerdings ebenso wortkarg wie unmissverständlich: "Eine solche unmittelbare Einwirkung des vom Angekl. abgeschossenen Projektils auf den Körper der beiden Opfer belegen die Feststellungen nicht. Der Geschädigte K wurde lediglich durch Splitter der durch den Schuss geborstenen Glasscheibe verletzt. Ferner erlitten beide Geschädigte ein Knalltrauma. Die Körperverletzungserfolge sind daher erst durch das Zerbersten der Scheibe und damit durch eine Folge des Schusses eingetreten, nicht aber „mittels“ der eingesetzten Waffe." (BGH NStZ 2016, 407, 408). Es dürfte danach an der "Unmittelbarkeit" der Einwirkung auf den Körper des Opfers fehlen, die der BGH sehr streng auslegt. Das Knalltrauma resultiert eben auf einem Aufprall des Projektils auf einer anderen Fläche, sodass die Unmittelbarkeit fehlt und es sich nur um eine mittelbare Folge des Schusses handelt. Ob man diese Auslegung des Unmittelbarkeitskriteriums für überzeugend hält, ist eine andere Frage. Deutliche Zweifel daran äußert MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl 2021, § 224 Rn 25, der die BGH-Rspr insoweit für zu formalistisch hält und zumindest hinsichtlich der Verletzung durch die Glassplitter § 224 I Nr 2 StGB erfüllt sieht. Die Vorinstanz LG Würzburg (30.10.2014, Az 1 Ks 801 Js 9341/13) hatte die gefKV übrigens anscheinend noch bejaht (so MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl 2021, § 224 Rn 25), ich habe auf die Entscheidung aber leider keinen Zugriff. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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