Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB

Fahrt auf der Motorhaube - Einsatz eines Kraftfahrzeugs als gefährliches Werkzeug?

Fahrt auf der Motorhaube - Einsatz eines Kraftfahrzeugs als gefährliches Werkzeug?

13. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A stiehlt Crémant. Als A mit ihrem Auto vom Supermarktplatz fliehen möchte, stellt sich Inhaber I in den Weg. A fährt mit mittlerer Geschwindigkeit weiter. Sie nimmt in Kauf, dass sich I verletzt. I springt auf die Motorhaube und wird einige Meter mitgenommen, bevor er abgeworfen wird. Durch den Aufprall auf dem Boden erleidet I eine Prellung.

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Einordnung des Falls

Fahrt auf der Motorhaube - Einsatz eines Kraftfahrzeugs als gefährliches Werkzeug?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat sich der vorsätzlichen Körperverletzung strafbar gemacht (§ 223 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Das Anfahren eines Menschen stellt eine üble und unangemessene Behandlung dar, die letztlich dazu geführt hat, dass I eine Prellung erleidet. Dabei handelt es sich zugleich um einen heilungsbedürftigen Zustand, sodass sowohl eine Körperverletzung und Gesundheitsschädigung vorliegen. A handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
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2. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt nur vor, wenn die Verletzung auch „mittels“ des gefährlichen Werkzeugs hervorgerufen wurde.

Ja!

Welche Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Werkzeug und Verletzung zu stellen sind, ist umstritten: Nach Auffassung des BGH ist eine Körperverletzung nur dann „mittels“ des gefährlichen Werkzeugs begangen, wenn das eingesetzte Tatmittel unmittelbar auf den Körper des Opfers einwirkt . Diese unmittelbare gegenständliche Einwirkung muss geeignet sein, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Eine Ansicht in der Literatur sieht das Kriterium „mittels“ schon erfüllt, wenn die Verletzungsgefahr kausal und objektiv zurechenbar auf dem Einsatz des Werkzeugs beruht.

3. Hat A den I nach Auffassung des BGH mittels eines gefährlichen Werkzeugs verletzt (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Zusammenprall zwischen einem Auto und einem Menschen kann erhebliche Verletzungen hervorrufen, sodass es sich bei dem Auto im Grundsatz um ein gefährliches Werkzeug handelt. Allerdings resultierte die Verstauchung nicht aus dem unmittelbaren Zusammenstoß, sondern durch den Aufprall auf dem Boden. Eine solch mittelbare Verletzung genügt nach Auffassung des BGH nicht.In der Folge könnte man also nur die lebensgefährdende Behandlung prüfen (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, bzw. den Versuch der gefährlichen Körperverletzung mittels gefährlichen Werkzeuges).

4. Sofern man dagegen auch mittelbare Verletzungen vom Tatbestand als erfasst sieht, hat sich A nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Ein Teil der Literatur und Rechtsprechung lässt bei einem unmittelbaren Kontakt zwischen Werkzeug und Opfer auch mittelbare Verletzungen des Opfers genügen, die zB aus einem anschließenden Sturz resultieren.I wurde von As Auto abgeworfen. Durch das Auto wurde somit seine Fallgeschwindigkeit beschleunigt, sodass sich die Verletzung kausal und objektiv zurechenbar auf den Einsatz des Fahrzeugs zurückführen lässt.Für die Auffassung, die mittelbare Schäden genügen lässt, spricht der Wortlaut der Norm, da „mittels“ sich ohne Weiteres mit „durch“ ersetzen lässt und davon auch mittelbare Verletzungen erfasst werden (vgl. § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB). Auch die vergleichbare Gefährdung für das Opfer spricht für eine weite Auslegung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MARE

Mareike_

30.3.2024, 11:30:08

I ist doch hier selbst auf die Motorhaube aufgesprungen und die Verletzung resultierte aus dem späteren Herunterfallen. Ist der

Zurechnungszusammenhang

hier nicht ohnehin durch

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

unterbrochen? Ich sehe hier zumindest keinen „Retterfall“, in dem I sich berufen fühlen durfte, auf die Motorhaube zu springen?

JURA

Juralord123

27.10.2024, 11:07:59

Sollte sicherlich diskutiert werden. Jedoch ist es auch nicht völlig abwegig, dass der I, wenn er sich schon in den Weg des Autos stellt, auch bereit ist ein größeres Risiko aufzunehmen.


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