+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T bricht dem O mit einem Schlag ins Gesicht dessen Nase. Ein Polizist sieht das und nimmt den Sachverhalt auf. O will keine Strafverfolgung des T, sondern die Sache „selbst klären“.

Einordnung des Falls

Bedingte Antragsdelikte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Körperverletzung (§ 223 StGB) ist ein Antragsdelikt.

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Ja, in der Tat!

Zur Verfolgung mancher Delikte ist ein Strafantrag im engeren Sinne erforderlich (§ 158 Abs. 2 StPO, §§ 77ff. StGB). Antragsdelikte erkennt man daran, dass im Gesetz steht: „Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt“ (vgl. §§ 123 Abs. 2, 247 StGB). Bei solchen Delikten ist der Strafantrag eine Strafverfolgungsvoraussetzung. Dadurch wird das Offizialprinzip eingeschränkt. Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB wird grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt (§ 230 Abs. 1 S. 1 StGB).

2. Die Körperverletzung (§ 223 StGB) ist ein relatives Antragsdelikt.

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Nein!

Es wird zwischen absoluten, relativen und bedingten Antragsdelikten unterschieden. Absolute Antragsdelikte sind solche, bei denen in jedem Fall und ohne Ausnahme ein Strafantrag erforderlich ist (§ 123 Abs. 2 StGB). Bei relativen Antragsdelikten besteht ein Strafantragserfordernis nur, wenn bestimmte weitere Umstände, etwa eine Nähebeziehung zum Verletzten, gegeben sind (§ 247 StGB). Bedingte Antragsdelikte sind solche, bei denen der Strafantrag durch ein besonderes öffentliches Interesse ersetzt werden kann (§ 230 StGB). Die Körperverletzung (§ 223 StGB) wird zwar auf Antrag verfolgt. Jedoch kann ein fehlender Strafantrag durch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ersetzt werden (§ 230 Abs.1 S.1 StGB). Es handelt sich daher um ein bedingtes Antragsdelikt. Teilweise wird nicht zwischen relativem u. bedingtem Antragsdelikt unterschieden.

3. Ein solches besonderes öffentliches Interesse liegt in der Regel vor.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Ob ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, hängt von den Umständen ab, kommt aber nur ausnahmsweise in Frage. Denkbar ist dies vor allem bei schweren Verletzungen, einschlägigen Vorstrafen oder wenn die Tat im Straßenverkehr unter Alkohol- oder Rauschmitteleinfluss begangen wurde. Ob die Staatsanwaltschaft ein Einschreiten wegen dieses Interesses für geboten erachtet, liegt allein in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Sie kann daher die Tat auch gegen den Willen des Verletzten und auch dann verfolgen, wenn dieser auf das Antragsrecht verzichtet hat.

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Leon

Leon

18.8.2021, 19:57:38

Bei Frage 2 ist einiges schief gelaufen: Die vorsätzliche Körperverletzung (223 StGB) ist ein relatives Antragsdelikt gem. 230 StGB. Insoweit ist die Aussage - entgegen der vorgeschlagenen Lösungen - zutreffend. Weiterhin differenziert man m.E. lediglich zwischen absoluten und relativen Antragsdelikten (vgl. Fischer, Vor 77 Rn. 3.). Die Definitionen vom relativen und bedingten Antragsdelikt wurden vertauscht und das Beispiel (247 StGB) ist unzutreffend, da dies ein absolutes Antragsdelikt ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.11.2021, 18:16:37

Vielen Dank für Deinen Hinweis, Leon. In der Tat ist die Terminologie bei den Antragsdelikten nicht ganz einheitlich. Einig ist man sich insoweit noch, dass Delikte die nur verfolgbar sind, sofern der Verletzte einen Strafantrag stellt "absolute Antragsdelikte" heißen. Teilweise wird dann nicht mehr weiter differenziert und alle anderen Delikte als "relative" Antragsdelikte qualifiziert (zB Böhme/Laumann, Strafantragsrecht, JuS 2016, 234). Verbreiteter ist aber auch noch eine weitere Unterteilung in bedingte Antragsdelikte (bzw. eingeschränkte Antragsdelikte / relative Offizialdelikte) und relative Antragsdelikte (vgl. Mitsch, in: MüKo-StGB, 4.A. 2020, vor § 77 RdNr.2;Bosch, in: Schönke/Schröder-StGB, 30.A.2019, § 77 RdNr. 1 ff.; Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB, 01.05.2021, B.Antragsdelikte, RdNr. 4; Bosch, Der Strafantrag, Jura 2013, 47;). Eben diese feinere Unterteilung liegt der Aufgabe zugrunde. Worin besteht hier nun der genaue Unterschied? Wie in der Aufgabe erläutert, sind die bedingten Antragsdelikte diejenigen, die man sonst unter der Bezeichnung "relatives Antragsdelikt" kennt, d.h. diejenigen bei denen die Staatsanwaltschaft durch Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses den Strafantrag ersetzen kann. Was ist aber dann das relative Antragsdelikt? Hierunter werden Delikte verstanden, die nur aufgrund einer besonderen Beziehung des Täters zu einem Antragsdelikt mutieren, sie sind also nur "relativ" im Hinblick auf diese Beziehung Antragsdelikte, aber im Grundsatz Offizialdelikte. Deren Zahl ist tatsächlich relativ überschaubar. Ein bekanntes Beispiel ist der Haus- und Familiendiebstahl (§ 247 StGB). Denn der Diebstahl an sich ist ein Offizialdelikt. Nur in dem Fall, dass der Diebstahl durch einen Angehörigen, Vormund, Betreuer verletzt wird, wird er zum Antragsdelikt. Aus diesem Grund sprechen eine Reihe von Autoren nur in diesem Fall von "relativen" Antragsdelikten. (vgl. Mitsch, in: MüKo-StGB, 4.A. 2020, vor § 77 RdNr.2;Bosch, in: Schönke/Schröder-StGB, 30.A.2019, § 77 RdNr. 1 ff.; Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB, 01.05.2021, B.Antragsdelikte, RdNr. 4; Bosch, Der Strafantrag, Jura 2013, 47;) Praktische Auswirkungen hat diese terminologische Differenzierung aber nicht. Wir nehmen aber gerne einen entsprechenden Hinweis in die Aufgabe mit auf. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-TeamVielen Dank für Deinen Hinweis, Leon. In der Tat ist die Terminologie bei den Antragsdelikten nicht ganz einheitlich. Einig ist man sich insoweit noch, dass Delikte die nur verfolgbar sind, sofern der Verletzte einen Strafantrag stellt "absolute Antragsdelikte" heißen. Teilweise wird dann nicht mehr weiter differenziert und alle anderen Delikte als "relative" Antragsdelikte qualifiziert (zB Böhme/Laumann, Strafantragsrecht, JuS 2016, 234). Verbreiteter ist aber auch noch eine weitere Unterteilung in bedingte Antragsdelikte (bzw. eingeschränkte Antragsdelikte / relative Offizialdelikte) und relative Antragsdelikte (vgl. Mitsch, in: MüKo-StGB, 4.A. 2020, vor § 77 RdNr.2;Bosch, in: Schönke/Schröder-StGB, 30.A.2019, § 77 RdNr. 1 ff.; Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB, 01.05.2021, B.Antragsdelikte, RdNr. 4; Bosch, Der Strafantrag, Jura 2013, 47;). Eben diese feinere Unterteilung liegt der Aufgabe zugrunde. Worin besteht hier nun der genaue Unterschied? Wie in der Aufgabe erläutert, sind die bedingten Antragsdelikte diejenigen, die man sonst unter der Bezeichnung "relatives Antragsdelikt" kennt, d.h. diejenigen bei denen die Staatsanwaltschaft durch Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses den Strafantrag ersetzen kann. Was ist aber dann das relative Antragsdelikt? Hierunter werden Delikte verstanden, die nur aufgrund einer besonderen Beziehung des Täters zu einem Antragsdelikt mutieren, sie sind also nur "relativ" im Hinblick auf diese Beziehung Antragsdelikte, aber im Grundsatz Offizialdelikte. Deren Zahl ist tatsächlich relativ überschaubar. Ein bekanntes Beispiel ist der Haus- und Familiendiebstahl (§ 247 StGB). Denn der Diebstahl an sich ist ein Offizialdelikt. Nur in dem Fall, dass der Diebstahl durch einen Angehörigen, Vormund, Betreuer verletzt wird, wird er zum Antragsdelikt. Aus diesem Grund sprechen eine Reihe von Autoren nur in diesem Fall von "relativen" Antragsdelikten. (vgl. Mitsch, in: MüKo-StGB, 4.A. 2020, vor § 77 RdNr.2;Bosch, in: Schönke/Schröder-StGB, 30.A.2019, § 77 RdNr. 1 ff.; Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB, 01.05.2021, B.Antragsdelikte, RdNr. 4; Bosch, Der Strafantrag, Jura 2013, 47;) Praktische Auswirkungen hat diese terminologische Differenzierung aber nicht. Wir nehmen aber gerne einen entsprechenden Hinweis in die Aufgabe mit auf. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

FM

FML

18.11.2021, 17:33:43

Wie von Leon schon geschrieben wurde, ist bei Frage 2 die falsche Antwort als richtig dargestellt. Bitte behebt das. :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.11.2021, 18:20:04

Danke FML, in der Tat habt ihr hier einen Punkt, dass man teilweise diese feine Differenzierung nicht vornimmt. Wir haben das als Hinweis nun in die Aufgabe mit aufgenommen. Da aber eine Reihe von Kommentaren und Autoren ((vgl. Mitsch, in: MüKo-StGB, 4.A. 2020, vor § 77 RdNr.2;Bosch, in: Schönke/Schröder-StGB, 30.A.2019, § 77 RdNr. 1 ff.; Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB, 01.05.2021, B.Antragsdelikte, RdNr. 4; Bosch, Der Strafantrag, Jura 2013, 47;) ) diese Einteilung vornimmt (wenn auch teilweise mit noch anderen Begriffen für das bedingte Antragsdelikte, zB relatives Offizialdelikt oder eingeschränktes Antragsdelikt) und diese aus unserer Sicht auch genauer ist, haben wir die Aufgabe im Übrigen so belassen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

RO

Rozaa

19.6.2023, 13:19:13

Könntet ihr die Unterscheidung noch in das Kapitel Strafantrag hinzufügen bitte? Dort wird nur zwischen absolutem und relativem Antrag unterschieden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.6.2023, 14:35:32

Lieben Dank für den Hinweis, Rozaa! Wir haben die Ausführungen auch dort ergänzt! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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