Gefahrtragung für die Vergütung: Gegenleistungsgefahr bei möglicher Werkleistung


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Schneider U schneidert für die Braut B für €4.000 ein Hochzeitskleid nach Maß. Durch eine Überschwemmung steht das Atelier unter Wasser. Das Brautkleid ist ruiniert.

Einordnung des Falls

Gefahrtragung für die Vergütung: Gegenleistungsgefahr bei möglicher Werkleistung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wer bei einem Werklieferungsvertrag die Leistungsgefahr trägt, trägt auch das Herstellungsrisiko.

Ja!

Leistungsgefahr betrifft die Frage, ob bei einer zufälligen Erschwerung der Leistung der Schuldner den Mehraufwand zu erbringen hat oder der Gläubiger sein Forderungsrecht ganz oder teilweise verliert. Bis zum Gefahrübergang trägt der Schuldner die Leistungsgefahr, außer im Fall von Unmöglichkeit. Im Werkvertragsrecht nennt man die Leistungsgefahr auch das Herstellungsrisiko. Das Herstellungsrisiko ist das Risiko, solange leisten zu müssen, bis der Erfolg eintritt. Er trägt die Leistungsgefahr bzw. das Herstellungsrisiko bis zum Gefahrübergang. Die Gefahr ist noch nicht übergegangen.

2. U trägt das Herstellungsrisiko für das Brautkleid.

Genau, so ist das!

Das Herstellungsrisiko ist das Risiko, solange leisten zu müssen, bis der Erfolg eintritt. Es beschreibt die Leistungsgefahr im Werkvertragsrecht. Bis zum Gefahrübergang trägt der Schuldner die Leistungsgefahr bzw. das Herstellungsrisiko. Schneider U ist als Werklieferant Schuldner der Werkleistung. Er trägt die Leistungsgefahr bzw. das Herstellungsrisiko bis zum Gefahrübergang. Die Gefahr geht mit Übergabe des Leistungsgesgegenstandes über über (§§ 650 Abs. 1 S.1, 446 BGB). Die Gefahr ist noch nicht übergegangen.

3. U trägt auch die Gegenleistungsgefahr.

Ja, in der Tat!

Die Gegenleistungsgefahr betrifft die Frage, ob beim Untergang der Leistung der Gläubiger die Gegenleistung dennoch erbringen muss oder der Schuldner seinen Anspruch auf die Gegenleistung verliert. Bis zum Gefahrübergang trägt der Werklieferant auch die Gegenleistungsgefahr. U ist Werklieferant.

4. U kann mehr Vergütung verlangen, weil er für das Hochwasser nichts kann.

Nein!

U trug bis zur Zerstörung des Brautkleids sowohl das Herstellungsrisiko (=Leistungsgefahr) als auch die Gegenleistungsgefahr. Er muss solange leisten, bis der Erfolg eintritt und hat dann Anspruch auf die vereinbarte Vergütung (§§ 650 Abs. 1 S.1, 433 Abs. 2 BGB).

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AR

Artur

19.10.2021, 21:40:33

Wieso trägt U denn die Leistungsgefahr? Das Kleid ist ruiniert und damit ist Unmöglichkeit eingetreten

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.10.2021, 09:27:09

Hallo Artur, vielen Dank für die gute Frage! Bei der Unmöglichkeit muss man etwas aufpassen, dass man diese nicht zu schnell bejaht. Unmöglichkeit liegt ja nur dann vor, wenn der Schuldner die Leistung subjektiv/objektiv nicht mehr erbringen kann und ist eng verknüpft mit der Frage, was der Schuldner im vorliegenden Fall schuldet. Wenn es sich vorliegend zB um einen reinen Kaufvertrag handeln würde, dann könnte man hier die Unmöglichkeit in der Tat bejahen. Denn geschuldet ist dort ja lediglich Übergabe und

Übereignung

des maßangefertigten Kleides (Stückschuld). Ist dieses zerstört, entfällt damit auch die Primärleistungspflicht. Anders dagegen hier, denn hier war die Herstellung geschuldet. Insoweit ist es U ohne weiteres möglich, das Kleid erneut anzufertigen, wozu er auch verpflichtet ist (ähnlich wie, wenn im Kaufvertrag eine Gattungsschuld vereinbart ist und noch keine

Konkretisierung

des Kaufgegenstandes vorliegt. In diesem Fall kann sich der Verkäufer ebenfalls nicht auf Unmöglichkeit berufen, sondern muss einen anderen Gegenstand derselben Gattung besorgen). Wird es so etwas klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Eichhörnchen I

Eichhörnchen I

1.9.2022, 15:09:44

Hallo, warum ergibt sich der Anspruch auf die Vergütung aus §§ 650 S. 1, 433 II BGB und nicht aus § 631 Abs. I BGB? Im Text steht doch gar nichts bzgl. Lieferung. Ansonsten müsste bei § 650 auch noch der Absatz ergänzt werden. Liebe Grüße

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.10.2022, 12:01:58

Hallo Eichhörnchen I, der Werklieferungsvertrag wurde durch das zum 1.Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu gefasst. In Abgrenzung zum Werkrecht werden die Regelungen des Werklieferungsvertrags nun stets angewendet, wenn es um die Herstellung neuer, beweglicher Sachen geht. Der Begriff "Lieferung" in § 650 Abs. 1 BGB ist dabei nicht als Bring-/Schickschuld zu verstehen, sondern bezeichnet lediglich den Umstand, dass neben der Herstellung auch die

Übereignung

der Sache zu den Pflichten des Unternehmers gehört. Der Anwendungsbereich des Werkrechts ist damit in Abgrenzung zum Werklieferungsvertrag nun in erster LInie auf die Herstellung unbeweglicher Sachen oder die Reparatur/Änderung von bestehenden Sachen beschränkt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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