Gefahrtragung für die Vergütung: Gegenleistungsgefahr bei möglicher Werkleistung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Schneider U schneidert für die Braut B für €4.000 ein Hochzeitskleid nach Maß. Durch eine Überschwemmung steht das Atelier unter Wasser. Das Brautkleid ist ruiniert.
Einordnung des Falls
Gefahrtragung für die Vergütung: Gegenleistungsgefahr bei möglicher Werkleistung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wer bei einem Werklieferungsvertrag die Leistungsgefahr trägt, trägt auch das Herstellungsrisiko.
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Ja!
2. U trägt das Herstellungsrisiko für das Brautkleid.
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Genau, so ist das!
3. U trägt auch die Gegenleistungsgefahr.
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Ja, in der Tat!
4. U kann mehr Vergütung verlangen, weil er für das Hochwasser nichts kann.
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Nein!
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Artur
19.10.2021, 21:40:33
Wieso trägt U denn die Leistungsgefahr? Das Kleid ist ruiniert und damit ist Unmöglichkeit eingetreten

Lukas_Mengestu
20.10.2021, 09:27:09
Hallo Artur, vielen Dank für die gute Frage! Bei der Unmöglichkeit muss man etwas aufpassen, dass man diese nicht zu schnell bejaht. Unmöglichkeit liegt ja nur dann vor, wenn der Schuldner die Leistung subjektiv/objektiv nicht mehr erbringen kann und ist eng verknüpft mit der Frage, was der Schuldner im vorliegenden Fall schuldet. Wenn es sich vorliegend zB um einen reinen Kaufvertrag handeln würde, dann könnte man hier die Unmöglichkeit in der Tat bejahen. Denn geschuldet ist dort ja lediglich Übergabe und Übereignung des maßangefertigten Kleides (Stückschuld). Ist dieses zerstört, entfällt damit auch die Primärleistungspflicht. Anders dagegen hier, denn hier war die Herstellung geschuldet. Insoweit ist es U ohne weiteres möglich, das Kleid erneut anzufertigen, wozu er auch verpflichtet ist (ähnlich wie, wenn im Kaufvertrag eine Gattungsschuld vereinbart ist und noch keine Konkretisierung des Kaufgegenstandes vorliegt. In diesem Fall kann sich der Verkäufer ebenfalls nicht auf Unmöglichkeit berufen, sondern muss einen anderen Gegenstand derselben Gattung besorgen). Wird es so etwas klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Eichhörnchen I
1.9.2022, 15:09:44
Hallo, warum ergibt sich der Anspruch auf die Vergütung aus §§ 650 S. 1, 433 II BGB und nicht aus § 631 Abs. I BGB? Im Text steht doch gar nichts bzgl. Lieferung. Ansonsten müsste bei § 650 auch noch der Absatz ergänzt werden. Liebe Grüße

Lukas_Mengestu
28.10.2022, 12:01:58
Hallo Eichhörnchen I, der Werklieferungsvertrag wurde durch das zum 1.Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu gefasst. In Abgrenzung zum Werkrecht werden die Regelungen des Werklieferungsvertrags nun stets angewendet, wenn es um die Herstellung neuer, beweglicher Sachen geht. Der Begriff "Lieferung" in § 650 Abs. 1 BGB ist dabei nicht als Bring-/Schickschuld zu verstehen, sondern bezeichnet lediglich den Umstand, dass neben der Herstellung auch die Übereignung der Sache zu den Pflichten des Unternehmers gehört. Der Anwendungsbereich des Werkrechts ist damit in Abgrenzung zum Werklieferungsvertrag nun in erster LInie auf die Herstellung unbeweglicher Sachen oder die Reparatur/Änderung von bestehenden Sachen beschränkt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team