„Fensterwurffall“

26. Juli 2023

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zum Fensterwurffall: Vater ist mit seinen beiden Kindern aufgrund eines Brandes im Haus eingesperrt und schaut aus dem Fenster zu den Feuerwehrleuten.

A wird mit zwei Kindern infolge eines Brands im 2. Stock eingeschlossen. Aus Angst vor Verletzungen wirft A die Kinder nicht aus dem Fenster. Sie sterben. Hätte er sie in die Arme der Helfer fallen lassen, wären sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet worden.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Fensterwurffall (Quasi-Kausalität beim unechten Unterlassungsdelikt)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat A den Tod der Kinder kausal verursacht?

Ja!

Hier liegt der Schwerpunkt des strafrechtlichen Verhaltens unter Berücksichtigung des sozialen Handlungsbegriffs nicht auf einem aktiven Tun, sondern in dem Unterlassen der erforderlichen Rettungshandlung. Für Unterlassungsdelikte wird die conditio-sine-qua-non-Formel modifiziert: Hypothetische Kausalität liegt vor, wenn die unterlassene rettende Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre. Hätte A die Kinder aus dem Fenster geworfen, wären sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet worden. Im Rahmen der Unterlassungsdelikte werden die Begriffe Quasi-Kausalität und hypothetische Kausalität synonym verwendet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JAGE

Jann George

13.3.2021, 08:05:43

Ich versteh das mit der unterlassenen Hilfeleistung, aber für mich sieht das so aus als könnten die Kinder auch selber aus dem Fenster springen. Schwierig zu sagen, dass A dann Schuld ist. Er hält sie ja nicht davon ab.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2021, 15:57:06

Hallo Jann George, vielen Dank für deine Nachfrage. Der vorliegende Fall stellt keine abschließende Fallprüfung dar, sondern beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage der Kausalität. Bei dem hier zu prüfenden

Unterlassungs

delikt (Totschlag durch Unterlassen, § 212, 13 StGB) kommen noch eine Reihe weiterer Prüfungspunkte, bevor man die Frage beantworten kann, ob A sich strafbar gemacht hat (zB Garantenstellung, Für die Frage der Kausalität genügt es indes zu prüfen, ob bei Hinzudenken der gebotenen Handlung der konkret eingetretene Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Dies ist vorliegend der Fall. Ob der Erfolg auch auf andere Weise entfallen wäre (zB die Kinder springen selbst), ist insoweit für die Frage der (hypothetischen) Kausaliät nicht von Bedeutung.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2021, 15:59:04

Dies wäre vielmehr im Zusammenhang mit der objektiven Zurechnung zu prüfen, unter dem Stichwort

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

. Je nach Alter der Kinder dürfte dies vorliegend aber eher fernliegen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs Team

JO

JohnnyLbd

2.6.2024, 21:28:29

Müsste nicht bereits in der Frage ob das Handeln des Vaters Kausal war eine präzisierung mit dem Zusatz hypothetischer- aka. Quasi-Kausalität erfolgen ? In der Erklärung wird darauf abgestellt, dass der Schwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens auf einem Unterlassen liegt. Bei

Unterlassungs

delikten handelt der Täter ja gerade nicht weshalb man das Verhalten hinzudenken müsste - was ja aber nur hypotetisch kausal ist und damit nicht Kausal im eigentlichen Sinne ist -> Müsste die Frage dann nicht eigentlich mit Falsch anstelle von richtig bewertet werden ? Gedanken dazu ?


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