Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Gläubiger- / Schuldnerwechsel

Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB – Anfängliche Übersicherung

Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB – Anfängliche Übersicherung

11. Juli 2025

19 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Konditorin K nimmt bei Bank B ein Darlehen über €100.000 auf. K hat keine Sicherheiten. Deshalb einigen sie sich, dass K zur Sicherung an B alle zukünftig entstehenden Forderung gegen ihre Kunden, deren Nachnamen mit Buchstaben M-Z beginnen, abtritt. Ihr jährlicher Umsatz mit diesen Kunden beträgt €500.000.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB – Anfängliche Übersicherung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Abtretung der Forderungen von K an B ist unwirksam, weil diese noch nicht entstanden sind.

Nein, das trifft nicht zu!

Die wirksame Abtretung setzt grundsätzlich das tatsächliche Bestehen einer Forderung voraus. Dabei muss die Forderung nicht schon bei Vertragsschluss bestehen. Auch die Abtretung einer künftigen Forderung ist zulässig (Vorausabtretung), sofern die künftige Forderung bei Vertragsschluss bezüglich Art und Umfang hinreichend bestimmbar ist. Es muss für einen Dritten aus dem Abtretungsvertrag ersichtlich werden, ob die Forderung bei ihrer Entstehung unter die Abtretung fällt oder nicht. K und B haben die Forderung durch die Bezeichnung nach den Anfangsbuchstaben genau bezeichnet, sodass die künftigen abzutretenden Forderungen hinreichend bestimmbar sind.
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2. Die Abtretung sämtlicher zukünftiger Forderungen ist generell unwirksam.

Nein!

Im Rahmen der Sicherungszession wird regelmäßig über die Gesamtheit von Forderungen oder eine Mehrzahl von Forderungen verfügt. Dabei umfasst eine solche Globalzession häufig bestehende und künftige Forderungen. Grundsätzlich ist dies zulässig, sofern der Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt ist und es nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 Abs.1 BGB). Sittenwidrigkeit einer Globalzession (§ 138 Abs.1 BGB) liegt vor bei: Übersicherung, Knebelung, Gläubigergefährdung, Verleitung zum Vertragsbruch. Eine Merkhilfe ist GLobalzession ist VERrÜcKt = GLäubigergefährdung, VERleitung zum Vertragsbruch, Übersicherung, Knebelung

3. Es liegt eine anfängliche Übersicherung vor.

Genau, so ist das!

Eine anfängliche Übersicherung liegt vor, wenn (1) bereits bei Vertragsschluss gewiss ist, dass im Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen realisierbarem Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung vorliegen wird und dies (2) auf einer verwerflichen Gesinnung des Sicherungsnehmers beruht. Zu 1: Umstände des Einzelfalls sind maßgeblich, mindestens aber muss der Schätzwert des Sicherungsgegenstandes weit über 150% der zu sichernden Forderung liegen. Ein solches Missverhältnis ist gegeben (Sicherung liegt 400% über dem Nennwert der zu sichernden Forderung). Zudem lässt die B die Interessen der K leichtfertig unberücksichtigt.

4. Aufgrund der anfänglichen Übersicherung ist nur der Sicherungsvertrag nach § 138 Abs.1 BGB sittenwidrig und somit nichtig.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Sofern aus der Sicherungsabrede eine anfängliche Übersicherung folgt, ist diese aufgrund des auffälligen Missverhältnisses und der Ausnutzung der wirtschaftlichen Übermacht seitens des Zessionars sittenwidrig (§ 138 Abs.1 BGB). Zwar ist das Verfügungsgeschäft in Form der Abtretung grundsätzlich sittlich neutral. Da allerdings vorliegend die Sittenwidrigkeit gerade im Vollzug der Leistung liegt, führt der Verstoß der Sicherungsabrede gegen § 138 Abs.1 BGB nicht nur zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts (Sicherungsvertrag), sondern auch zur Nichtigkeit der Verfügung („Ausnahme vom Abstraktionsprinzips“).Alles wichtige zur anfänglichen Übersicherung findest Du im Grüneberg, 82.A. 2023, § 138 RdNr. 61.
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