Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB
Ärztliche Instrumente als gefährliches Werkzeug (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
Ärztliche Instrumente als gefährliches Werkzeug (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Aufgrund anhaltender Kopfschmerzen verlangt O von Zahnarzt T eine Zahnextraktion der plombierten Zähne. Diese ist medizinisch nicht indiziert. T entfernt aufgrund eines Missverständnisses alle im Oberkiefer befindlichen Zähne.
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Einordnung des Falls
Ärztliche Instrumente als gefährliches Werkzeug (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den objektiven Tatbestand der einfachen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) erfüllt.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. T handelte durch die Einwilligung der O gerechtfertigt.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Die zahnärztliche Zange könnte ein "gefährliches Werkzeug" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB) darstellen.
Ja, in der Tat!
4. T hat den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB erfüllt.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Diaa
27.8.2023, 18:18:54
Im Sachverhalt steht nichts zur Mundverletzungen, sodass man aE die letzte Frage verneinen sollte... Dazu steht es nur in der Antwort...
Selma🌻
18.2.2024, 13:30:39
Wenn dir Zähne gezogen werden hast du immer Mundverletzungen, das sind ja praktisch offene Wunden. Das wird gemeint sein.
Sophix58
9.10.2023, 08:09:53
Worin genau liegt denn jetzt der Unterschied zwischen Werkzeugen zum Haareschneiden (Schere zum Beispiel) und medizinischen Werkzeugen?
Leo Lee
14.10.2023, 19:10:28
Hallo sophix58, eine Rechtsprechung, die zwischen einem "normalen" und einem "medizinischen" Werkzeug unterscheidet, ist uns leider noch nicht bekannt. Allerdings würde sich dem Sachverhalt entnehmen lassen, ob ein medizinisches Werkzeug vorliegt (etwa "Zange" beim Arzt oder "Skalpell" usw.) :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
Natze
27.8.2024, 09:02:22
Ist nun eine Spritze, Skalpell etc, also jedes medizinische Instrument eine gefährliches Werkzeug nach der neuen Rechtsprechung?
Tobias Krapp
30.8.2024, 11:17:36
Hallo Natze, danke für deine Nachfrage. Es ist nicht per se jedes medizinisches Instrument als gefährliches Werkzeug zu qualifizieren. Es kommt nun für jedes medizinische Instrument auf die allgemeine Formel an, das Instrument muss also nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im Einzelfall dazu geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Das muss also für jedes Instrument im Einzelfall entschieden werden. Bei einer Spritze wird man das wohl regelmäßig zu verneinen haben, bei einem Skalpell regelmäßig zu bejahen. Beachte bitte noch Folgendes: Der BGH hat diese neue Auslegung bisher ausdrücklich auf Fälle eines medizinisch nicht indizierten Eingriffs beschränkt, wie hier in der Aufgabe. Er hat sich also eine "Hintertür" für die Fälle eines medizinisch indizierten Eingriffs offengelassen. An und für sich wäre eine Unterscheidung hier zwar kaum überzeugend, schließlich ändert sich an der objektiven Gefährlichkeit der Begehungsweise, die §
224 StGBerfassen will und auf die der BGH seine neue Rechtsprechung neben der Änderung des Gesetzeswortlauts maßgeblich stützt, nichts dadurch, dass der Eingriff medizinisch indiziert ist. Es bleibt aber abzuwarten, ob der BGH - wie nicht selten im Medizinstrafrecht - hier wertungsmäßig unterscheidet und die "redliche" Ärzteschaft, die nur dem Patienten medizinisch indiziert helfen will, vor den höheren Strafrahmen des § 224 I StGB schützt. In der Klausur würde ich bis dahin empfehlen, eine solche Differenzierung kurz anzureißen, dann aber mit der obigen Argumentation zu verwerfen. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Natze
30.8.2024, 13:04:13
Das ist die perfekte Erklärung! Vielen Dank! 🙏