Gefahrtragung für die Vergütung: Preisgefahr bei Unmöglichkeit der Werkleistung


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Schreiner U soll für B die antike Kommode restaurieren. Sie haben einen Festpreis von 2000 € für die Restauration vereinbart. Noch bevor er fertig ist schlägt der Blitz in die Werkstatt des U ein. Die Werkstatt brennt samt Kommode restlos ab.

Einordnung des Falls

Gefahrtragung für die Vergütung: Preisgefahr bei Unmöglichkeit der Werkleistung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U und B haben einen Werkvertrag geschlossen (§ 631 BGB).

Ja!

Beim Werkvertrag handelt es sich um einen gegenseitigen (=synallagmatischen) Vertrag. Der Unternehmer (=Schuldner) verpflichtet sich dabei, ein Werk herzustellen; der Besteller (=Gläubiger) verpflichtet sich, die Vergütung zu zahlen (§ 631 Abs. 1 BGB). Beim Werk kann es sich um die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder jeden anderen durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführenden Erfolg handeln (§ 631 Abs. 2 BGB). U und B haben sich auf die Restauration der Kommode und damit auf einen Erfolg geeinigt.

2. U ist durch Unmöglichkeit von der Leistungspflicht befreit (§ 275 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

U schuldet die Restaurierung der antiken Kommode. Diese ist beim Brand zerstört worden. Ohne Kommode kann U diese auch nicht restaurieren. Daher liegt objektive Unmöglichkeit in Form des Untergangs des Leistungssubstrats vor (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Der geschuldete Erfolg liegt in der Restauration, nicht in der Herstellung und Verschaffung einer Sache. Deshalb muss U auch keine vergleichbare Kommode beschaffen.

3. B trägt die Leistungsgefahr. Sie treffen die Folgen des zufälligen Untergangs der Leistung.

Ja, in der Tat!

Leistungsgefahr betrifft die Frage, ob bei einer zufälligen Erschwerung der Leistung der Schuldner den Mehraufwand zu erbringen hat oder der Gläubiger sein Forderungsrecht ganz oder teilweise verliert. Zufällig ist ein Umstand, den weder die eine noch die andere Partei zu vertreten hat. Weder B noch U haben den Blitzeinschlag zu vertreten. B verliert sein Forderungsrecht gemäß § 275 Abs. 1 BGB.

4. Wenn B die Gegenleistungsgefahr trägt, muss sie trotzdem €2.000 zahlen.

Ja!

Die Gegenleistungsgefahr betrifft die Frage, ob beim Untergang der Leistung der Gläubiger die Gegenleistung dennoch erbringen muss oder der Schuldner seinen Anspruch auf die Gegenleistung verliert. Anders ausgedrückt: muss der Gläubiger dennoch zahlen obwohl er nichts bekommt oder muss der Schuldner nicht leisten, kriegt dafür aber auch nichts. Da die Gegenleistung meist in Geld besteht nennt man sie auch Vergütungs- oder Preisgefahr. Sofern B die Gegenleistungsgefahr trägt, müsste er also trotz Untergang der Primärleistung zahlen.Die GEgenleistung ist meist die GEldzahlung.

5. Die Gegenleistungsgefahr geht bei Gefahrübergang vom Schuldner auf den Gläubiger über.

Genau, so ist das!

Die Gegenleistungsgefahr liegt grundsätzlich beim Schuldner (§ 326 BGB). Wenn dieser nicht mehr leisten braucht, entfällt auch der Anspruch auf die Gegenleistung. Wenn die Gefahr übergegangen ist, behält der Schuldner jedoch seinen Anspruch auf die Gegenleistung. Die Gefahr geht im Werkvertrag mit Abnahme des Werkes oder bei Annahmeverzug über (§ 644 Abs. 1 S. 1, 2 BGB). G-->G-->G = Gegenleistungsgefahr -->Gefahrübergang --> Gläubiger

6. Die Gefahr ist von U auf B übergegangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Gefahr geht im Werkvertrag mit Abnahme des Werkes oder bei Annahmeverzug über (§ 644 Abs. 1 S. 1, 2 BGB). Weder hat B die Kommode abgenommen noch war er mit der Abnahme im Annahmeverzug.

7. B trägt die Gegenleistungsgefahr.

Nein!

Die Gegenleistungsgefahr betrifft die Frage, ob beim Untergang der Leistung der Gläubiger die Gegenleistung dennoch erbringen muss oder der Schuldner seinen Anspruch auf die Gegenleistung verliert. Wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB nicht mehr zu leisten braucht entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung (§ 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB). Der Schuldner trägt daher grundsätzlich die Gegenleistungsgefahr. Die Gefahr ist hier nicht vor der Zerstörung der Kommode übergegangen. U braucht nicht mehr zu leisten und verliert daher auch den Anspruch auf die Gegenleistung. Hier trägt U demnach die Gegenleistungsgefahr.

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Melanie 🐝

Melanie 🐝

17.8.2021, 08:14:11

Eine kleine Merkhilfe, da einige das oft verwechseln: Die GEgenleistung ist meist die GEldzahlung

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.11.2021, 10:03:19

Danke Melanie, das haben wir als Eselsbrücke nun auch im Fall ergänzt. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

ri

ri

16.1.2022, 23:02:02

G->G->G

Gegenleistungsgefahr

-> Gefahrübergang -> Gläubiger

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.1.2022, 10:59:51

Nice, das haben wir ergänzt. Danke Dir :-)

Jurista

Jurista

23.10.2023, 23:50:05

Kann man pauschal sagen, dass grundsätzlich der Gläubiger die Leistungsgefahr trägt und der Schuldner die

Gegenleistungsgefahr

? Die Leistungsgefahr geht auf den Schuldner über, wenn der Gläubiger den Umstand für die zufällige Erschwerung der Leistung nicht zu vertreten hat und die

Gegenleistungsgefahr

geht mit Gefahrenübergang auf den Gläubiger über?

LELEE

Leo Lee

28.10.2023, 17:21:51

Hallo Jurista, das kann man in der Tat so sagen! Bzgl. der Leistungsgefahr: Aufgrund der Existenz des § 275 I BGB – die besagt, dass bei einem zufälligen Untergang der Schuldner befreit ist – ist der Grundsatz, dass der Gläubiger die Gefahr des Untergangs (also auch die Gefahr der Leistungserbringung) trägt und nicht der Schuldner (der wird ja gerade befreit). Bzgl. der

Gegenleistungsgefahr

: Weil § 326 I 1 aussagt dass der Gläubiger im Falle der Unmöglichkeit (wo er die Leistungsgefahr trägt) nicht zur Gegenleistung verpflichtet ist, trägt auch grds. der Schuldner in diesem Falle die

Gegenleistungsgefahr

(ohne Leistung keine Gegenleistung). Diese Gefahr wird dann mit entsprechenden Gefahrübergangsnormen (wie §§ 615, 644 usw.) modifiziert. Summa summarum hast du also völlig Recht mit deiner „Hypothese“. Hierzu kann ich vertiefend die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 275 Rn. 30 und § 326 Rn. 8 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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