Allgemeinbildung Recht

Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII)

Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII)

Verpflichtung des Jugendsamtes zur Sachverhaltsaufklärung bei Kindeswohlgefährdung

Verpflichtung des Jugendsamtes zur Sachverhaltsaufklärung bei Kindeswohlgefährdung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 7-jährige K erzählt einer Schoolworkerin, sie sei von ihrem Vater geschlagen worden. Das Jugendamt nimmt K in Obhut, ohne weitere Erkundungen anzustellen. K möchte nach Hause. Sie habe nur einmal eine Ohrfeige bekommen. Als Strafen erteile der Vater Fernsehverbot oder frühes Schlafengehen.

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Einordnung des Falls

Verpflichtung des Jugendsamtes zur Sachverhaltsaufklärung bei Kindeswohlgefährdung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Inobhutnahme ist auch möglich, wenn der Minderjährige nicht selbst darum bittet.

Ja, in der Tat!

Ja, das ist möglich! Dies setzt im Kern voraus, dass eine dringende Gefahr für das Wohl des Minderjährigen besteht (Kindeswohlgefährdung, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Zweck der Jugendhilfe ist der Schutz des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Minderjährigen.
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2. Allein die Angaben der Schoolworkerin reichen aus, um eine „Gefahr“ (§ 42 As. 1 Nr. 2 SGB VIII) für das „Wohl“ von K anzunehmen.

Nein!

Eine Gefahr besteht, wenn im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für das Wohl des Minderjährigen eintritt. Das Jugendamt muss eigene Sachaufklärung betreiben. Es hätte hier zunächst die Angaben der Schoolworkerin selbst überprüfen und die Umstände der behaupteten Gewalt des Vaters aufklären müssen.

3. Es liegt eine „Gefahr“ für das „Wohl von K vor (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Gefahr besteht, wenn im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für das Wohl des Minderjährigen eintritt. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Das "Wohl" des Minderjährigen umfasst das physische und psychische Wohl, z.B. die Rechtsgüter Leib und Leben. Minderjährige haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig (§ 1631 Abs. 2 BGB). Nach den Ausführungen von K handelte es sich bei der Ohrfeige um einen einmaligen Ausrutscher. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich dieser Vorfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wiederholen und ein weitergehender Schaden für K eintreten wird.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JUR

Juri

19.1.2021, 14:22:52

Tolle Lektion, gerade auch für einen selbst als Hintergrundwissen, falls einem mal was auffällt im Umfeld. Da sich diese Missstände gerade in Corona-Zeiten noch einmal drastisch verschärfen, kann ich dieses Buch jedem wärmsten empfehlen: „200.000 - Deutschland misshandelt seine Kinder“ von den Charité-Rechtsmedizinern Michael Tsokos, Saskia Guddat (ISBN-13: 9783426276167)

JUR

Juri

19.1.2021, 14:23:08

Das Buch ist sehr schnell gelesen und es wechseln sich Zahlen/Daten/Fakten sowie niedrigschwellige Reformideen mit vielen Beispielsgeschichten ab. Die zwei versierten Rechtsmediziner erklären, wie man Kindesmisshandlung physisch und psychisch erkennt. Nicht nur als Jugendamt, Arzt, Richter oder L

ehre

r, sondern ebenso als Nachbar, Elternteil eines Mitschülers/Freundes des betroffenen Kindes o.ä. Es wird appelliert an ein beherztes Hinschauen. Denn Wegschauen, Verharmlosen und Tabuisieren begünstigen die alltägliche Misshandlung von Kindern. In diesem Sinne wären vielleicht noch Lektionen interessant zu den juristischen Möglichkeiten der Menschen im Umfeld, ggf. mit Hinweis auf die Beweise, die zu liefern jeweils hilfreich wäre für Jugendamt, Gericht und Arzt.

Marilena

Marilena

19.1.2021, 16:01:01

Danke Dir für die interessante Leseempfehlung und den Vorschlag zu entsprechenden Lektionen! In der heutigen Zeit wohl noch wichtiger als eh schon bisher... Werden wir im Team besprechen.

Pilea

Pilea

27.1.2023, 03:06:59

Danke für deine informativen Kommentare @[Juri](29178)! Kann ich nur bestätigen, dass gerade das erwachsene Umfeld so unglaublich wichtig ist, um Misshandlungen und Vernachlässigungen zu erkennen. Kinder können unglaublich isoliert sein


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