Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Verbraucherverträge über digitale Produkte (§ 327 ff. BGB)

Sache funktioniert ohne digitalen Inhalt nicht, ist aber nur gemietet

Sache funktioniert ohne digitalen Inhalt nicht, ist aber nur gemietet

16. Februar 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K ist knapp bei Kasse. Als sie einen neuen Computer braucht, entschließt sie sich deshalb dafür, einen solchen zu mieten. Sie vereinbart mit Unternehmerin V deshalb, einen Laptop mit einem aufgespielten, vertraglich zugesicherten Betriebssystem für ein Jahr zu mieten.

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Einordnung des Falls

Sache funktioniert ohne digitalen Inhalt nicht, ist aber nur gemietet

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für den gesamten Mietvertrag gelten nach § 548a BGB ohne Weiteres die Vorschriften des Mietrechts (§§ 535ff. BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Für Verbrauchermietverträge über digitale Produkte enthält § 578b BGB eine Spezialregelung, die vorrangig zu prüfen ist. Handelt es sich um einen solchen Vertrag, enthält § 578b Abs. 1 S. 1 BGB einen weitreichenden Ausschluss bestimmter mietvertraglicher Regelungen, insbesondere über Mängelrechte und Kündigung. Stattdessen gelten nach § 578b Abs. 1 S. 2 BGB grds. die §§ 327ff. BGB.
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2. Das Betriebssystem ist in dem Laptop enthalten oder mit ihm verbunden (§ 578b Abs. 3 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein digitales Produkt ist mit einer Sache verbunden, wenn es mit der Sache interagiert. Ein digitales Produkt ist in einer Sache enthalten, wenn diese Sache die dafür erforderlichen Daten trägt. Der Laptop schafft erst den Raum für die Betriebssoftware. Die Software ist in dem Laptop enthalten.

3. Die Vertragsgegenstände werden im Rahmen eines Kaufvertrags bereitgestellt (vertragliches Element, § 327a Abs. 3 BGB).

Nein!

K und V haben einen Mietvertrag über den Laptop samt Betriebssystem geschlossen. Die Vertragsgegenstände werden also nicht im Rahmen eines Kaufvertrags bereitgestellt (§ 327a Abs. 3 BGB).

4. Es handelt sich trotzdem um eine Ware mit digitalen Elementen (§ 327a Abs. 3 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Damit eine Ware mit digitalen Elementen vorliegt, muss zunächst ein digitalen Produkt mit einer bewegliche Sache verbunden oder darin enthalten sein. Charakteristisch für die Ware mit digitalen Elementen ist aber zudem, dass (1) die Ware und das digitale Produkt in einem Kaufvertrag verbunden sind (vertragliches Element) und (2) die Ware ohne das digitale Produkt nicht ihre Funktion entfalten kann (funktionales Element). Beide Elemente müssen kumulativ vorliegen. Das funktionale Element liegt hier vor. Es fehlt allerdings am vertraglichen Element. Bei dem gemieteten Laptop handelt es sich also nicht um eine Ware mit digitalen Elementen nach § 327a Abs. 3 BGB.

5. Letztlich sind also sowohl auf das Betriebssystem als auch auf den mit ihm verbundenen Laptop die §§ 327ff. BGB anwendbar.

Nein, das trifft nicht zu!

Für Verbrauchermietverträge über digitale Produkte enthält § 578b Abs. 1 S. 1 BGB zwar einen weitreichenden Ausschluss bestimmter mietvertraglicher Regelungen und erklärt nach § 578b Abs. 1 S. 2 BGB grds. die §§ 327ff. BGB für anwendbar. Das gilt nach § 578b Abs. 3 BGB (insoweit vergleichbar zu § 327a Abs. 2 S. 2 BGB) allerdings wiederum nur hinsichtlich des digitalen Produkts, nicht hinsichtlich einer eventuell ebenfalls vermieteten sonstigen Sache. Für die Sache gelten die Regelungen des jeweiligen Schuldverhältnisses. Die Mängelgewährleistung bezüglich des Betriebssystems richtet sich also nach §§ 578b Abs. 1 S. 1, 2, 327ff. BGB. Für den Laptop gelten die Regelungen des Mietrechts. Eine Ausnahme besteht bei der Vertragsbeendigung. Hier greift das Recht des Verbrauchers zur Beendigung aufgrund eines Mangels des digitalen Produkts auf den Gesamtvertrag über (§ 327c Abs. 7 und § 327m Abs. 5 BGB).

6. Ist das Betriebssystem ein digitaler Inhalt (§ 327 Abs. 2 S. 1 BGB) und damit ein digitales Produkt (§ 327 Abs. 1 S. 1 BGB)?

Ja!

Digitale Inhalte sind Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden (§ 327 Abs. 2 S. 1 BGB). Bei dem Betriebssystem handelt es sich um ein digitales Programm und damit um einen digitalen Inhalt und somit ein digitales Produkt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

kokapidis

kokapidis

18.11.2023, 10:52:06

Müssten die Vorschriften über die Miete nicht gem. § 548a BGB auch auf das Betriebssystem Anwendung finden?

MARC

Marco

3.4.2024, 16:36:12

Ich bin mir nicht 100% sicher: Aber K mietet ja vorliegend nicht das Betriebssystem, sondern den Laptop, sodass nicht § 548a, sondern § 578b gilt, der auf die §§ 327ff. verweist. § 327a Abs.2 S.2 verweist dann wiederum für den Laptop selbst ins Mietrecht.

VALA

Vanilla Latte

29.4.2024, 01:32:20

Aber nach Ende der Miete muss er ja Laptop samt Soft

ware

zurückgeben.

Sassun

Sassun

16.10.2024, 17:11:32

Sollte hierauf geantwortet werden wäre auch eine Erläuterung zu §§ 578b und § 580a BGB in dem Zusammenhang sehr hilfreich

MAG

Magnum

21.11.2024, 10:58:14

Mir leuchtet auch der Unterschied des Anwendungsbereichs zwischen § 587b und 548a nicht ein. Ist nicht der einzige Unterschied, dass § 587b einen

Verbrauchervertrag

vorasussetzt?

AN

Anne

28.11.2024, 16:47:22

Schließe mich der Frage an.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

5.2.2025, 10:17:52

Hallo @[kokapidis](14792), vielen Dank für Deinen Hinweis! Vorab: Wir haben den Fall gerade recht umfassend überarbeitet und gehen jetzt näher auf § 578b BGB ein. Damit wird das Zusammenspiel (hoffentlich!) schon mal etwas klarer. Konkret zu Deiner Frage: § 578b BGB ist eine Spezialregelung für Verbrauchermietverträge und geht dem allgemeineren § 548a BGB vor, wie wir es jetzt auch in der Aufgabe klarstellen. Damit sollte letztlich auch die Frage von @[Magnum](172647) und @Anne geklärt sein. Im Anwendungsbereich ist die Verbrauchereigenschaft in der Tat das wesentliche Abgrenzungskriterium. Inhaltlich geht der Hinweis von @Marco schon genau in die richtige Richtung. Die Differenzierung zwischen Laptop und Betriebssystem läuft allerdings genau genommen über den vorrangigen § 578b III BGB, nicht über den (inhaltlich vergleichbaren) § 327a II 2 BGB. § 578b III BGB greift auch den Hinweis von @[Vanilla Latte](217055) auf, weil das Betriebssystem nämlich mit dem Laptop verbunden ist. Damit bleibt nur noch der Hinweis von @[Sassun](247789) zu § 580a BGB. Die Norm enthält in § 580a III BGB eine (Kündigungs-)Regelung für digitale Produkte, die aber in § 580a III 2 BGB klarstellt, dass die besonderen Vorgaben der §§ 327 ff (zB §§

327c

, 327m, 327r BGB) unberührt bleiben (vgl auch § 578b II BGB, BeckOGK-BGB/Hoffmann, Stand 1.1.2025, § 580a Rn 25). Die nähere Abgrenzung richtet sich also danach, weswegen der Vertrag beendet werden soll. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

G0d0fMischief

G0d0fMischief

2.12.2024, 17:54:20

Ich hab eine Frage zu den §§ 475a ff. BGB. Gem. § 327a II 2 BGB findet ja eine Aufspaltung bei Verbraucherverträgen mit Sachen mit digitalen Produkten statt. Ist nun Sinn und Zweck der §§ 475a ff. BGB die Lücke zu schließen, die § 327a III 1 BGB bei

Ware

n mit digitalen Elementen hinterlässt? Also läuft es dann quasi so, dass man in einem ersten Schritt feststellt, dass aufgrund von § 327a III 1 BGB Kaufrecht Anwendung findet, da keine Aufspaltung i.S.v. § 327a II 2 BGB erfolgt und wird dann in einem zweiten Schritt das Kaufrecht durch die §§ 475a ff. BGB modifiziert? Sodass im Endeffekt am Ende eine ähnliche Folge herbeigeführt wird, wie im § 327a II 2 BGB?


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