Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Widerruf & Verbraucherverträge

Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag V - Kaffeefahrt (§ 312b Abs. 1 Nr. 4)

Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag V - Kaffeefahrt (§ 312b Abs. 1 Nr. 4)

25. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K nimmt an einer von V organisierten Reise nach Meißen teil. Teil des Programms ist der Besuch von Vs Porzellanshop. K kann nicht widerstehen und kauft reichlich ein. Ks Ehemann E ist darüber gar nicht erfreut. Kleinlaut möchte K das Porzellan deshalb wieder zurückgeben.

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Einordnung des Falls

Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag V - Kaffeefahrt (§ 312b Abs. 1 Nr. 4)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann K von dem Kaufvertrag zurücktreten (§ 346 Abs. 1 BGB)?

Nein!

Durch den wirksamen Rücktritt wird der ursprüngliche Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt und die Parteien müssen die jeweils empfangenen Leistungen und Nutzungen zurückgewähren (§ 346 Abs. 1 BGB). Ein wirksamer Rücktritt setzt (1) eine Rücktrittserklärung und (2) einen Rücktrittsgrund voraus. (3) Zudem darf der Rücktritt nicht ausgeschlossen sein.V hat durch die Lieferung des mangelfreien Porzellans ihre geschuldete Leistung erbracht. Damit fehlt es vorliegend an einem Rücktrittsgrund (§§ 437 Nr. 2, 323 BGB).
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2. Handelt es sich bei dem Kaufvertrag über das Porzellan um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag iSv § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB liegt ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vor, wenn er bei gleichzeitiger Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum ist. Der Begriff des Geschäftsraums ist in § 312b Abs. 2 BGB legaldefiniert und umfasst sowohl unbewegliche, also auch bewegliche Gewerberäume.Vorliegend erwarb K das Porzellan im Geschäft des V, einem unbeweglichen Gewerberaum.

3. Handelt es sich bei dem Kaufvertrag über das Porzellan um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag iSv § 312b Abs. 1 Nr. 4 BGB?

Ja, in der Tat!

Nach § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB liegt ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag auch dann vor, wenn er auf einem Ausflug erfolgt, der vom Unternehmer bzw. mit dessen Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren/Dienstleistungen zu werben und Verträge abzuschließen.Vorliegend kaufte K das Porzellan zwar in Vs Geschäft. Allerdings erfolgte dies während des von V organisierten Ausflugs nach Meißen. Da der Besuch des Geschäfts explizit Teil des Programms war, diente die Fahrt auch der Werbung bzw. des Abschlusses von Verträgen.In den „Kaffeefahrtfällen“ musst Du sauber differenzieren. Verkäufe auf der Busfahrt fallen bereits unter § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB, wohingegen das Ansteuern von Verkaufsräumen über § 312b Abs. 1 Nr. 4 BGB erfasst wird.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Kai

Kai

8.1.2024, 12:25:43

Ich verstehe nicht ganz, wieso auch dieser Fall von der Norm erfasst wird. Bei einem Verkauf im Bus oder auch beim zuvor nicht angekündigten Besuch eines Geschäfts ist der Verbraucher natürlich in besonderem Maße schutzwürdig. In diesem Fall bucht K die Reise aber ja bereits in dem Wissen, dass auch der Besuch des Porzellanladens auf dem Programm steht. Insbesondere in einer Stadt, die für ihr Porzellan bekannt ist, kann es sogar im Interesse der Verbraucher sein, sich dieses Porzellan zumindest einmal anzusehen. Der Verbraucher, der eine Fahrt besucht, auf deren Programm ersichtlich auch der Besuch eines Geschäfts steht, ist mE nicht anders zu stellen als der Verbraucher, der eigeninitiativ nach Meissen fährt und dort im Laden einkauft. Es geht in der Norm ja vor allem darum, unvorhergesehene "Drucksituationen" zu vermeiden. Genau das ist aber nicht einschlägig, wenn der Besuch eines Ladens dem Verbraucher schon im Voraus angekündigt wird. Wieso wird § 312 I Nr. 4 nicht teleologisch reduziert?

Kai

Kai

8.1.2024, 21:29:51

Anmerkung hierzu: Natürlich steht im SV nicht, dass K bei vor Antritt der Reise bereits

positive Kenntnis

über den Besuch des Ladens hatte. Da der Sachverhalt jedoch keinen Hinweis darauf liefert, dass dieser Besuch überraschend war, ist mE davon auszugehen, dass bereits im Vorfeld des Ausflugs ein Programm veröffentlicht wurde oder K dieses zumindest hätte erfragen können. Das würde mE bereits ausreichen, um die Bevorzugung der K entfallen zu lassen. Einerseits war sie aufgrund der Möglichkeit der Kenntnisnahme des Ladenbesuchs nicht in einer Drucksituation oder kam unvorbereitet in eine Verkaufssituation, wie es der Schutzzweck des Verbrauchervertragsrechts ist. Andererseits ist sie bei arglistiger Täuschung oder Irrtum ja über die Anfechtung geschützt. Die Priviligierung, das Geschäft einfach ohne rechtlich relevanten Grund widerrufen zu können, ist da eine nicht begründete Besserstellung des Verbrauchers.

QUIG

QuiGonTim

4.3.2024, 22:43:54

Allgemein sind die Normen des Verbraucherschutzrechts entsprechend ihrem Zweck verbraucherfreundlich auszulegen. Das Verbraucherschutzrecht geht von einem mangels geschäftlicher Erfahrungen und rechtlichem wie wirtschaftlichen Wissen strukturell unterlegenen Verbraucher aus. Vereinfacht formuliert: Es soll auch und gerade diejenigen schützen, die nur mit viel Mühe über

§ 104 Nr. 2 BGB

hinauskommen. Erwägungen wie „hätte doch erkennen können“oder „ausreichender Schutz durch

Leistungsstörungsrecht

, Anfechtung etc.“ sind daher regelmäßig verfehlt. - Absatz - Hinsichtlich des § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB hatte der Gesetzgeber insbesondere Reisen vor Augen, die Verbrauchern besonders günstig angeboten werden, aber darauf ausgelegt sind, die Teilnehmer teils aufdringlichen Verkaufssituationen zuzuführen. Die besondere Drucksituation entsteht hierbei auch durch (zumindest gefühlte) Abhängigkeit im Rahmen einer fremdorganisierten Gruppenreise. Berühmt-berüchtigt waren vor einigen Jahren „Kaffeefahrten“, bei denen insbesondere Senioren auf teils aggressive Weise überteuerte Kaufgegenstände regelrecht aufgezwungen wurden.


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