Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die unechte GoA (Eigengeschäftsführung)

Herausgabe des Erlangten nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB - Fall

Herausgabe des Erlangten nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB - Fall

31. Mai 2025

21 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G bietet im Internet einen Flughafenshuttle an. Sie verlangt für den Transport zum Flughafen €20 pro Person. Bald schon melden sich 3 Interessenten. G nimmt sich heimlich das Auto ihres Mitbewohners M, fährt die 3 Personen zum Flughafen und erhält von diesen Euro 60.

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Einordnung des Falls

Herausgabe des Erlangten nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB - Fall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung liegen vor.

Genau, so ist das!

Eine angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 S. 1 BGB setzt voraus, dass jemand (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Eigengeschäftsführungswillen übernimmt, (3) ohne dazu berechtigt zu sein und (4) obwohl er Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts und der fehlenden Berechtigung hat. Die Nutzung des Autos ist ein Geschäft des M und damit für G fremd. G hat im eigenen Namen einen Beförderungsvertrag geschlossen und wollte die Vergütung für sich behalten. Sie wollte somit das fremde Geschäft als eigenes behandeln. M hat sie nicht zur Nutzung des Autos berechtigt und G wusste um die Fremdheit des Geschäfts und die fehlende Berechtigung.
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2. M hat einen Anspruch auf Herausgabe der Euro 60 gegen G aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB.

Ja, in der Tat!

Ein Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten setzt voraus, dass die Grundvoraussetzungen des § 687 BGB erfüllt sind. Ferner muss der Geschäftsführer nach § 667 BGB etwas aus der Geschäftsbesorgung erlangt haben. Die Grundvoraussetzungen des § 687 BGB sind erfüllt. G hat aus der Geschäftsbesorgung €60 erlangt.

3. Zudem hätte M einen deliktischen bzw. bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Euro 60.

Nein!

Zunächst greift vorliegend ausnahmsweise nicht die Sperrwirkung des EBV, da der arglistige Geschäftsführer der angemaßten Eigengeschäftsführung nicht schutzwürdig ist. Nach §§ 823, 252 BGB ist entgangener Gewinn als Schaden ersatzfähig, wenn dieser mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Ein vom Geschäftsführer erzielter Gewinn ist somit als Schaden nur ersatzfähig, wenn zu erwarten gewesen wäre, dass auch der Geschäftsherr diesen erzielt hätte. Nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB wiederum kann der Geschäftsherr den Gewinn nur heraus verlangen, wenn die Geschäftsführung eine Verfügung des Geschäftsführers über einen Gegenstand des Geschäftsherrn zum Inhalt hatte, die dem Geschäftsherrn gegenüber wirksam ist. M hätte selbst keine Gewinne mit seinem Auto erzielt. Ferner hat G das Auto nur genutzt und nicht darüber verfügt.Neben die angemaßte Eigengeschäftsführung tritt aber noch ein Anspruch aus §§ 987, 990 BGB.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

4.5.2022, 14:53:01

Warum kommt ein Anspruch aus § 812 I 1 2. Var. Nicht in Betracht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.5.2022, 11:25:25

Hallo nomamo, in Betracht kommt § 812 Abs. 1 S. 1 2. Var. BGB durchaus. Fraglich ist dann nur, worauf sich dies bezieht. Denn das Transport

geld

erhält G ja von den Fahrgästen. Auf Kosten des M erlangt G also lediglich die Nutzungsmöglichkeit am

Fahrzeug

. Der Fahrpreis ist insoweit auch kein Surrogat dieser Nutzungsmöglichkeit, weswegen allein Wertersatz ge

schuld

et ist (§ 818 Abs. 2 BGB). Hier müsste man ermitteln, was für die Miete eines Wagens angefallen wäre. Dies dürfte letztlich aber weniger sein, als der Fahrpreis, den G verlangt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

18.5.2024, 15:24:06

@[Lukas_Mengestu](136780) An sich stimmt das was du schreibst, aber herauszugeben ist nicht Wertersatz nach §

818 II BGB

, sondern

Nutzungsersatz

nach § 818 I BGB (MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 818 Rn. 37).

BEN

benjaminmeister

2.3.2025, 19:33:51

MWn. müsste hier das

Bereicherungsrecht

eh wegen der

Sperrwirkung des EBV

ausgeschlossen sein.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

31.3.2025, 22:01:38

Hallo @[LS2024](144077), soweit ich das sehe, habt ihr beide Recht. Es handelt sich um gezogene Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB. Allerdings ist die Herausgabe dieser nicht in Natur möglich (anders als beispielsweise bei Früchten einer Pflanze), weswegen der

Nutzungsersatz

als Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB zu leisten ist. Siehe MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 818 Rn. 99. @[benjaminmeister](216712): Vorliegend greift die

Sperrwirkung des EBV

nicht, da von dieser nach der h.M. eine Ausnahme bei der angemaßten Eigengeschäftsführung gemacht wird. Wir haben einen entsprechenden Hinweis in der Lösung nun ergänzt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

PAUC

Paul Coy

7.2.2023, 11:42:21

1. Könnte der Verschleiß am Auto nicht auch einen (sehr geringen) SchaErsatz begründen? 2. Wie sähe es aus, wenn der M das Auto gebraucht hätte und sich Ersatz hätte verschaffen müssen? LG

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

31.3.2025, 21:51:24

Hallo @[Paul Coy](128253), in beiden Fällen würde ein Schadensersatzanspruch zumindest aus §§ 678 und 823 Abs. 1 BGB bestehen, wenn ein konkreter Schaden entstanden ist. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

STE

StellaChiara

25.3.2023, 11:01:26

warum geht

§ 816 II BGB

nicht?

SE.

se.si.sc

26.3.2023, 09:53:45

Weil es sich nicht um eine Leistung handelt, die dem Berechtigten M gegenüber wirksam ist. Zwischen M und den Fahrgästen besteht schon keinerlei Beziehung, es gibt keine Verbindlichkeit der Fahrgäste gegenüber M. Dementsprechend kann die Leistung (Zahlung des Fahrpreises) auch nicht gegenüber M in irgendeiner Weise wirksam sein. Im Übrigen ist die Zahlung ja ohnehin gerade NICHT wirksam, denn M kann das

Geld

nach den Vorschriften über

GoA und EBV

herausverlangen (wie in der Lösung ausgeführt). Einer der wichtigsten Fälle für die Anwendung des

§ 816 II BGB

ist die Leistung an den Altgläubiger nach erfolgter Abretetung,

§ 407 BGB

.

STE

StellaChiara

27.3.2023, 15:55:04

ok, vielen Dank. Kann man in einem Herausgabeverlangen des M nicht eine Genehmigung sehen, wodurch die Leistung ihm ggü wirksam werden würde? Und ist die Zahlung der 60 Euro nicht trotzdem ihm als Eigentümer des Kfz wirksam? Ich habe da irgendwie meine Probleme mit.

STE

StellaChiara

27.3.2023, 17:24:52

im gegenzug müsste man bei einer

konkludent

en Genehmigung dann Ansprüche aus

GoA und EBV

ablehnen

SE.

se.si.sc

27.3.2023, 17:59:51

Zu deiner zweiten Frage zuerst: Angenommen, eine solche "Genehmigung" sei möglich, warum sollte M das tun? Er würde damit seine qualitativ "besseren" Ansprüche aus EBV und GoA gegen einen schwächeren Anspruch aus

Bereicherungsrecht

tauschen, dem zwar nicht im konkreten Fall (wegen § 819 I BGB), aber doch grundsätzlich der mögliche Einwand des Wegfalls der Bereicherung aus §

818 III BGB

entgegensteht. Rein theoretisch wäre eine "Genehmigung" bis hierhin denkbar, sie wäre aber unzweckmäßig und damit praxisfern. Zur ersten Frage eine Gegenfrage: Was soll denn hier deiner Meinung nach überhaupt genehmigt werden? Eventuell denkst du an § 185 I BGB (iVm

§ 816

I [!] BGB), aber wir haben hier gar keine Verfügung. Das Verpflichtungsgeschäft zwischen G und den Fahrgästen kann ebenfalls nicht genehmigt werden, denn es ist schon ohne Weiteres wirksam.

INDUB

InDubioProsecco

9.6.2023, 19:03:25

Sollte hier nicht thematisiert bzw. erwähnt werden, dass es sich um eien Durchbrechung der

Sperrwirkung des EBV

handelt, die ja grundsätzlich auch für den

Bösgläubig

en Besitzer gilt? Im Gutachten tappt man da relativ schnell in die Falle.

SCH

Schwanzanwaltschaft

15.5.2024, 16:03:21

Danke für den Hinweis :)

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

31.3.2025, 21:52:27

Hallo @[InDubioProsecco](1641), das ist ein guter Hinweis. Wir haben diesen jetzt in die Lösung aufgenommen. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

paulmachtexamen

paulmachtexamen

25.9.2024, 23:33:04

Ich habe hier gerade Schwierigkeiten zu verstehen, welches das für G

fremd

e Geschäft ist. Ist das (nur) die Nutzung des Autos oder ist es (auch?) der Abschluss des Beförderungsvertrages. In meinen Augen sind das nämlich zwei verschiedene Geschäfte. Weil die Durchführung des Beförderungsvertrages ist - weil G den Vertrag in ihrem Namen abgeschlossen hat - im eigenen Rechtskreis (der G!) und somit nicht

fremd

für G. In der Aufgabe steht „und wollte Vergütung für sich behalten“ Aber es war doch ihr

schuld

rechtlicher Vertrag. Blicke da gerade noch nicht so ganz durch … 🫣

BEN

benjaminmeister

6.1.2025, 17:46:36

Ich denke das

fremd

e Geschäft ist nur die Nutzung des

fremd

en Autos und würde den eigenen

schuld

rechtlichen Vertrag der G als unerheblich ansehen. Bei wertender Betrachtung hat G die 60 Euro mittelbar dadurch erhalten, weil sie das Auto nutzen konnte. Das dürfte ausreichend sein. Zumindest würde ich das mit der ähnlichen Argumentation bei § 285 begründen: Dort wird der erzielte Gewinn aus dem anderweitigen Verkauf einer Sache auch als ausreichend zusammenhängend mit der deshalb wegen § 275 ausgeschlossenen

Leistungspflicht

angesehen.

AME

Amelie7

27.3.2025, 10:03:51

Ich tu mich auch irgendwie schwer damit, schließlich hat G ja auch Arbeitskraft investiert

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

31.3.2025, 21:43:04

Hallo @[paulmachtexamen](210803), ich sehe es wie @[benjaminmeister](216712) so, dass das

fremd

e Geschäft hier allein in der Nutzung des Autos liegt. Einen Beförderungsvertrag abschließen kann die G ja zunächst, ohne dass das den Rechtskreis des M berühren würde. Der Zusatz, dass sie die Vergütung für sich behalten wollte, ist dafür relevant, dass so klar ist, dass die Geschäftsführung nicht dem mutmaßlichen Interesse des M entspricht und das der G auch bewusst war, also eine

angemaßte Eigengeschäftsführung

nach § 687 Abs. 2 BGB vorliegt. Wenn man den Sachverhalt an der Stelle anders gestaltet, kann das anders aussehen. Beispielsweise, wenn die G weiß, dass der M knapp bei Kasse ist und für ihn etwas dazuverdienen möchte. @[Amelie7](262107): Die G hat zwar eigene Arbeitskraft investiert, aber die Nutzung des Autos steht nunmal ausschließlich dem Eigentümer zu, § 903 BGB. Sie stellt daher ein rein

fremd

es Geschäft dar. Die G ist hier auch nicht im Hinblick auf die von ihr investierte Arbeitskraft schutzwürdig, da sie wissentlich mittels verbotener Eigenmacht das Auto des M nutzt, was darüber hinaus eine Straftat darstellt, §

248b StGB

. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team


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