Zivilrecht
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die unechte GoA (Eigengeschäftsführung)
Herausgabe des Erlangten nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB - Fall
Herausgabe des Erlangten nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB - Fall
31. Mai 2025
21 Kommentare
4,6 ★ (8.218 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
G bietet im Internet einen Flughafenshuttle an. Sie verlangt für den Transport zum Flughafen €20 pro Person. Bald schon melden sich 3 Interessenten. G nimmt sich heimlich das Auto ihres Mitbewohners M, fährt die 3 Personen zum Flughafen und erhält von diesen Euro 60.
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Einordnung des Falls
Herausgabe des Erlangten nach §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB - Fall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Grundvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung liegen vor.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. M hat einen Anspruch auf Herausgabe der Euro 60 gegen G aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB.
Ja, in der Tat!
3. Zudem hätte M einen deliktischen bzw. bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Euro 60.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jomolino
4.5.2022, 14:53:01
Warum kommt ein Anspruch aus § 812 I 1 2. Var. Nicht in Betracht?

Lukas_Mengestu
6.5.2022, 11:25:25
Hallo nomamo, in Betracht kommt § 812 Abs. 1 S. 1 2. Var. BGB durchaus. Fraglich ist dann nur, worauf sich dies bezieht. Denn das Transport
gelderhält G ja von den Fahrgästen. Auf Kosten des M erlangt G also lediglich die Nutzungsmöglichkeit am
Fahrzeug. Der Fahrpreis ist insoweit auch kein Surrogat dieser Nutzungsmöglichkeit, weswegen allein Wertersatz ge
schuldet ist (§ 818 Abs. 2 BGB). Hier müsste man ermitteln, was für die Miete eines Wagens angefallen wäre. Dies dürfte letztlich aber weniger sein, als der Fahrpreis, den G verlangt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LS2024
18.5.2024, 15:24:06
@[Lukas_Mengestu](136780) An sich stimmt das was du schreibst, aber herauszugeben ist nicht Wertersatz nach §
818 II BGB, sondern
Nutzungsersatznach § 818 I BGB (MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 818 Rn. 37).
benjaminmeister
2.3.2025, 19:33:51

Tim Gottschalk
31.3.2025, 22:01:38
Hallo @[LS2024](144077), soweit ich das sehe, habt ihr beide Recht. Es handelt sich um gezogene Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB. Allerdings ist die Herausgabe dieser nicht in Natur möglich (anders als beispielsweise bei Früchten einer Pflanze), weswegen der
Nutzungsersatzals Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB zu leisten ist. Siehe MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 818 Rn. 99. @[benjaminmeister](216712): Vorliegend greift die
Sperrwirkung des EBVnicht, da von dieser nach der h.M. eine Ausnahme bei der angemaßten Eigengeschäftsführung gemacht wird. Wir haben einen entsprechenden Hinweis in der Lösung nun ergänzt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Paul Coy
7.2.2023, 11:42:21
1. Könnte der Verschleiß am Auto nicht auch einen (sehr geringen) SchaErsatz begründen? 2. Wie sähe es aus, wenn der M das Auto gebraucht hätte und sich Ersatz hätte verschaffen müssen? LG

Tim Gottschalk
31.3.2025, 21:51:24
Hallo @[Paul Coy](128253), in beiden Fällen würde ein Schadensersatzanspruch zumindest aus §§ 678 und 823 Abs. 1 BGB bestehen, wenn ein konkreter Schaden entstanden ist. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
StellaChiara
25.3.2023, 11:01:26
se.si.sc
26.3.2023, 09:53:45
Weil es sich nicht um eine Leistung handelt, die dem Berechtigten M gegenüber wirksam ist. Zwischen M und den Fahrgästen besteht schon keinerlei Beziehung, es gibt keine Verbindlichkeit der Fahrgäste gegenüber M. Dementsprechend kann die Leistung (Zahlung des Fahrpreises) auch nicht gegenüber M in irgendeiner Weise wirksam sein. Im Übrigen ist die Zahlung ja ohnehin gerade NICHT wirksam, denn M kann das
Geldnach den Vorschriften über
GoA und EBVherausverlangen (wie in der Lösung ausgeführt). Einer der wichtigsten Fälle für die Anwendung des
§ 816 II BGBist die Leistung an den Altgläubiger nach erfolgter Abretetung,
§ 407 BGB.
StellaChiara
27.3.2023, 15:55:04
ok, vielen Dank. Kann man in einem Herausgabeverlangen des M nicht eine Genehmigung sehen, wodurch die Leistung ihm ggü wirksam werden würde? Und ist die Zahlung der 60 Euro nicht trotzdem ihm als Eigentümer des Kfz wirksam? Ich habe da irgendwie meine Probleme mit.
StellaChiara
27.3.2023, 17:24:52
se.si.sc
27.3.2023, 17:59:51
Zu deiner zweiten Frage zuerst: Angenommen, eine solche "Genehmigung" sei möglich, warum sollte M das tun? Er würde damit seine qualitativ "besseren" Ansprüche aus EBV und GoA gegen einen schwächeren Anspruch aus
Bereicherungsrechttauschen, dem zwar nicht im konkreten Fall (wegen § 819 I BGB), aber doch grundsätzlich der mögliche Einwand des Wegfalls der Bereicherung aus §
818 III BGBentgegensteht. Rein theoretisch wäre eine "Genehmigung" bis hierhin denkbar, sie wäre aber unzweckmäßig und damit praxisfern. Zur ersten Frage eine Gegenfrage: Was soll denn hier deiner Meinung nach überhaupt genehmigt werden? Eventuell denkst du an § 185 I BGB (iVm
§ 816I [!] BGB), aber wir haben hier gar keine Verfügung. Das Verpflichtungsgeschäft zwischen G und den Fahrgästen kann ebenfalls nicht genehmigt werden, denn es ist schon ohne Weiteres wirksam.
InDubioProsecco
9.6.2023, 19:03:25
Sollte hier nicht thematisiert bzw. erwähnt werden, dass es sich um eien Durchbrechung der
Sperrwirkung des EBVhandelt, die ja grundsätzlich auch für den
Bösgläubigen Besitzer gilt? Im Gutachten tappt man da relativ schnell in die Falle.
Schwanzanwaltschaft
15.5.2024, 16:03:21
Danke für den Hinweis :)

Tim Gottschalk
31.3.2025, 21:52:27
Hallo @[InDubioProsecco](1641), das ist ein guter Hinweis. Wir haben diesen jetzt in die Lösung aufgenommen. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

paulmachtexamen
25.9.2024, 23:33:04
Ich habe hier gerade Schwierigkeiten zu verstehen, welches das für G
fremde Geschäft ist. Ist das (nur) die Nutzung des Autos oder ist es (auch?) der Abschluss des Beförderungsvertrages. In meinen Augen sind das nämlich zwei verschiedene Geschäfte. Weil die Durchführung des Beförderungsvertrages ist - weil G den Vertrag in ihrem Namen abgeschlossen hat - im eigenen Rechtskreis (der G!) und somit nicht
fremdfür G. In der Aufgabe steht „und wollte Vergütung für sich behalten“ Aber es war doch ihr
schuldrechtlicher Vertrag. Blicke da gerade noch nicht so ganz durch … 🫣
benjaminmeister
6.1.2025, 17:46:36
Ich denke das
fremde Geschäft ist nur die Nutzung des
fremden Autos und würde den eigenen
schuldrechtlichen Vertrag der G als unerheblich ansehen. Bei wertender Betrachtung hat G die 60 Euro mittelbar dadurch erhalten, weil sie das Auto nutzen konnte. Das dürfte ausreichend sein. Zumindest würde ich das mit der ähnlichen Argumentation bei § 285 begründen: Dort wird der erzielte Gewinn aus dem anderweitigen Verkauf einer Sache auch als ausreichend zusammenhängend mit der deshalb wegen § 275 ausgeschlossenen
Leistungspflichtangesehen.
Amelie7
27.3.2025, 10:03:51
Ich tu mich auch irgendwie schwer damit, schließlich hat G ja auch Arbeitskraft investiert

Tim Gottschalk
31.3.2025, 21:43:04
Hallo @[paulmachtexamen](210803), ich sehe es wie @[benjaminmeister](216712) so, dass das
fremde Geschäft hier allein in der Nutzung des Autos liegt. Einen Beförderungsvertrag abschließen kann die G ja zunächst, ohne dass das den Rechtskreis des M berühren würde. Der Zusatz, dass sie die Vergütung für sich behalten wollte, ist dafür relevant, dass so klar ist, dass die Geschäftsführung nicht dem mutmaßlichen Interesse des M entspricht und das der G auch bewusst war, also eine
angemaßte Eigengeschäftsführungnach § 687 Abs. 2 BGB vorliegt. Wenn man den Sachverhalt an der Stelle anders gestaltet, kann das anders aussehen. Beispielsweise, wenn die G weiß, dass der M knapp bei Kasse ist und für ihn etwas dazuverdienen möchte. @[Amelie7](262107): Die G hat zwar eigene Arbeitskraft investiert, aber die Nutzung des Autos steht nunmal ausschließlich dem Eigentümer zu, § 903 BGB. Sie stellt daher ein rein
fremdes Geschäft dar. Die G ist hier auch nicht im Hinblick auf die von ihr investierte Arbeitskraft schutzwürdig, da sie wissentlich mittels verbotener Eigenmacht das Auto des M nutzt, was darüber hinaus eine Straftat darstellt, §
248b StGB. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team