Berechtigung des Jugendamtes zur Zurückweisung von Minderjährigen?


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 14jährige Susanne bittet einen Mitarbeiter des Jugendamtes aufgrund "großer Probleme" mit ihren Eltern um Inobhutnahme. Dieser hat Grund, an Ihren Angaben zu zweifeln und schickt sie wieder nach Hause.

Einordnung des Falls

Berechtigung des Jugendamtes zur Zurückweisung von Minderjährigen?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Jugendamt muss Susanne in Obhut nehmen.

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Ja!

Liegt der Wunsch des Minderjährigen auf Inobhutnahme vor, ist es ohne Belang, ob tatsächlich eine Konfliktlage vorliegt, ob der Wunsch begründet wird oder ob die Begründung überzeugend ist. Das Jugendamt muss Susanne in Obhut nehmen. Die Verweigerung der Inobhutnahme stellt eine Amtspflichtverletzung dar.

2. Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet einen Minderjährigen in Obhut zu nehmen, wenn dieser darum bittet (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII).

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Genau, so ist das!

§ 42 SGB VIII sieht drei unterschiedliche Fallgruppen vor, die Anlass für eine Inobhutnahme geben: (1) wenn ein Minderjähriger um die Inobhutnahme bittet (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII), (2) eine dringende Gefahr für das Wohl des Minderjährigen die Inobhutnahme erfordert (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII) oder (3) wenn ausländische Minderjährige unbegleitet nach Deutschland kommen (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII). Bei der Bitte um Inobhutnahme durch einen Minderjährigen handelt es sich um eine sogenannte Selbstmeldung.

3. Für das Jugendamt muss objektiv eine Not-oder Konfliktlage erkennbar sein, damit es den Minderjährigen in Obhut nimmt.

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Nein, das trifft nicht zu!

Im Sinne eines effektiven und einfachen Schutzes des Minderjährigen ist für das Handeln des Jugendamtes ein subjektives Schutzbedürfnis des Minderjährigen ausreichend. Es genügt, wenn das Kind oder der Jugendliche sich selbst für gefährdet hält. Der Minderjährige hat einen Rechtsanspruch auf Schutzgewährung und folglich auf Inobhutnahme, wenn er darum bittet (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII). Im Unterschied zur Inobhutnahme bei dringender Gefahr (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII) bedarf es bei Selbstmeldung keiner Vorprüfung der Situation. Es bedarf auch keiner Begründung oder Einschätzung einer dringenden Gefahr für das Kindeswohl durch das Jugendamt.

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