Rein sozialer Kontakt, der nicht ausreicht für das Entstehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

G betritt das Geschäft des A, um sich dort während eines Regenschauers unterzustellen.

Einordnung des Falls

Rein sozialer Kontakt, der nicht ausreicht für das Entstehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen G und A ist ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis entstanden (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein, das trifft nicht zu!

Ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis entsteht durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), die Anbahnung eines Vertrags, (Nr. 2) oder ähnliche geschäftliche Kontakte (Nr. 3). Der Auffangtatbestand ähnliche geschäftliche Kontakte schützt bereits vor Vertragsanbahnung die Rechtsgüter der anderen Partei. Auch hier wird aber mindestens geschäftliches Handeln vorausgesetzt. Das Betreten eines Geschäfts alleine zum Schutz vor Witterung ist als rein sozialer Kontakt für eine rechtliche Sonderverbindung nicht ausreichend. Es liegt weder eine Vertragsanbahnung, noch ein ähnlicher geschäftlicher Kontakt vor.Schaut sich der Kunde dann aber im Geschäft um, schlägt dies aber in die Anbahnung eines Vertrags (Nr. 2) um.

2. Zwischen G und A ist ein Vertrag entstanden.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein!

Unabhängig davon, ob bereits das Auslegen der Ware ein Angebot des A ist oder es sich bloß um eine Aufforderung zur Angebotsabgabe handelt, die erst durch das Vorlegen an der Kasse durch G erfolgt, hatte G vorliegend keinerlei Kaufabsicht. G wollte sich bloß unterstellen. Ein Vertrag besteht daher nicht.

Jurafuchs kostenlos testen


Juratiopharm

Juratiopharm

26.10.2021, 09:45:45

Wir lernen hierzu, dass dies auch ausreichen kann, weil das Warenhaus auf ihn einwirkt (ob er will oder nicht) und er sich umentscheiden könnte.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2021, 10:32:25

Hallo Juratiopharm, die Grenzziehung ist hier nicht ganz einfach. Schaut man sich aber den Wortlaut des § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB an ("die Anbahnung eines Vertrags"), dann sprechen die besseren Argumente dafür, wenn man hier das Schuldverhältnis verneint. Wir können das Beispiel noch plakativer machen, wenn wir uns vorstellen, dass G gerade mit Freunden telefoniert und im Geschäft die ganze Zeit nur nach draußen schaut und überhaupt nicht mitbekommt, was im Geschäft angeboten wird. Jetzt kommt aber der entscheidende Knackpunkt: Hat G zunächst das Geschäft betreten, um sich unterzustellen und beginnt er dann sich umzuschauen und über die Waren zu informieren, dann ändert sich die Sachlage. Da sich der Kunde insoweit zumindest einen Vertragsschluss vorstellen kann, befindet man sich dann in der Vertragsanbahnung (vgl. auch Weiler, Schuldrecht AT, 5.A.2020, § 4 RdNr. 10). Hier ist es also notwendig, den Sachverhalt sauber auszuwerten :) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BB

Benni Bertelmann

3.11.2022, 21:22:46

Anhänger der Meinung, die in diesem Fall ein gesetzliches SV durch § 311 II Nr. 2 BGB sehen, argumentieren vor allem mit der Praktikabilität. Denn in der Praxis wird es regelmäßig schwierig sein festzustellen, wann sich die Sachlage ändert. Dogmatisch ist die die Ablehnung von § 311 II Nr. 2 BGB dennoch überzeugender.


© Jurafuchs 2023