Vertiefung Voraussetzungen der Eheschließung (Fall)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 16-jährige F und ihr 18-jähriger Adoptionsbruder M haben beschlossen, zu heiraten. Da Fs Eltern jedoch gegen die Eheschließung sind und auch der Standesbeamte die Mitwirkung verweigert, tricksen F und M den Standesbeamten aus, indem sie ihn unfreiwillig zu Zeugen ihrer Ehewillenserklärungen machen.

Einordnung des Falls

Vertiefung Voraussetzungen der Eheschließung (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Aufgrund der Minderjährigkeit der F liegt eine unwirksame Eheschließung vor.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Nur volljährige Personen sind ehemündig (§ 1303 S. 1 BGB). Bei der Eheschließung Minderjähriger muss jedoch nach dem Alter differenziert werden. Ist ein Ehegatte bereits über 16 Jahre alt, liegt zwar eine wirksame Eheschließung vor, es besteht jedoch nach § 1314 Abs. 1 BGB ein Eheaufhebungsgrund. Es liegt somit eine wirksame Eheschließung vor. Wäre F jedoch unter 16 Jahre alt, wäre die Eheschließung von vornherein unheilbar nichtig.

2. Aufgrund des Adoptionsverhältnisses ist aber keine wirksame Eheschließung zwischen M und F möglich.

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Nein, das trifft nicht zu!

Gemäß § 1307 BGB darf die Ehe nicht zwischen engsten Blutsverwandten geschlossen werden. Liegt keine Blutsverwandtschaft sondern nur eine rechtliche Verwandtschaft durch ein bestehendes Adoptionsverhältnis vor, soll dieses vor der Ehe nach § 1308 BGB aufgelöst werden. Ein Verstoß gegen diese Soll-Vorschrift entfaltet jedoch keine Rechtswirkungen. Trotz des Adoptionsverhältnisses ist somit eine vollgültige und nicht anfechtbare Eheschließung zwischen M und F möglich.

3. Die nach § 1310 Abs. 2 BGB erforderliche Eheschließung vor dem Standesbeamten ist erfüllt.

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Nein!

Die Mitwirkung eines Standesbeamten stellt ein absolutes Wirksamkeitserfordernis für die Eheschließung dar. Dieses erfordert auch zwingend die Bereitschaft des Standesbeamten zur Mitwirkung an der Trauung. Dass S nur unfreiwillig Zeuge der beiderseitigen Ehewillenserklärung geworden ist, erfüllt die Voraussetzungen des § 1310 BGB nicht. Grundsätzlich wäre der Standesbeamte jedoch zur Mitwirkung verpflichtet gewesen, da die Voraussetzungen des § 1310 Abs. 1 S. 3 BGB nicht vorlagen. Um die Durchführung der Eheschließung zu erreichen, hätten M und F jedoch das Amtsgerichte anrufen müssen.

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Juraluchs

Juraluchs

1.10.2022, 16:34:43

Bezüglich des Vertiefungskästchens: Entgegen des Wortlauts des § 1310 I 3 Nr. 1 scheint es wohl anerkannt zu sein, dass die Kenntnis von allen möglichen Aufhebungsgründen zu einer Pflicht der Mitwirkungsverweigerung des Standesbeamten führt, sodass vorliegend M und F die Eheschließung nicht erreichen können würden. Nachzulesen bspw. im MüKo oder BeckOGK. Liebe Grüße


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