Zivilrecht
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die echte GoA – Sonderfälle
Selbsthilfeaufwendung III – Selbstvornahme im Kaufrecht
Selbsthilfeaufwendung III – Selbstvornahme im Kaufrecht
16. April 2025
19 Kommentare
4,7 ★ (54.604 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft eine einzigartige, einmalige Designerjeans im Bekleidungsgeschäft des B. Schon beim ersten Tragen lösen sich einige Nähte der Hose. K geht zu Schneider S und lässt dies für € 30 reparieren. Diesen Betrag möchte er nun von B erstattet bekommen.
Diesen Fall lösen 77,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Selbsthilfeaufwendung III – Selbstvornahme im Kaufrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hatte vor der Reparatur einen Anspruch gegen B auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. K hat auch nach der Reparatur noch einen Anspruch gegen B auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.
Nein!
3. K hat aber einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen B wegen Schlechtleistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. K hat aber einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen B aufgrund von nachträglicher Unmöglichkeit aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
5. K hat einen Anspruch auf Ersatz der durch die Selbstvornahme dem B ersparten Aufwendungen aus §§ 326 Abs. 4, Abs. 2 S. 2 BGB.
Nein!
6. K hat nach der Rspr. einen Anspruch auf Ersatz der durch die Selbstvornahme dem B ersparten Aufwendungen aus §§ 326 Abs. 4, Abs. 2 S. 2 BGB analog.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Folgt man der Rechtsprechung, sind die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB erfüllt.
Ja, in der Tat!
8. Die Nacherfüllung durch K stellt auch eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
Nein!
9. Selbst wenn Ks Selbstvornahme dem objektiven Interesse und (mutmaßlichen) Willen der B entsprochen hätte, läge kein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) vor.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

antoniasophie
10.9.2022, 18:43:26
Super aufgearbeiteter Fall!

Nora Mommsen
12.9.2022, 12:40:36
Hallo Antonia, danke für deine tolle Rückmeldung. Das leiten wir dan den Aufgabenersteller weiter. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ajboby90
25.10.2024, 10:49:29
Echt schwerer Fall, wo es schwer fällt, auf die ganzen Anspruchsgrundlagen überhaupt zu kommen.
juraprinzessin123
8.8.2023, 16:54:34
Ihr habt ihr ganz zu Beginn die Voraussetzungen der Analogie benannt. Ich lese in ganz vielen Protokollen zum Mündlichen, dass die Prüfer darauf Wert legen, dass es heißt (1) Regelungslücke, die planwidrig ist (2) vergleichbare Interessenlage. Und damit haben die Prüfer ja auch Recht. Vielleicht wollt ihr mal überlegen, das auch anzupassen 🙃

Lukas_Mengestu
8.8.2023, 18:02:10
Hallo juraprinzession123, hier müsstest Du mir gedanklich ein wenig auf die Sprünge helfen. Denklogisch macht es letztlich keinen Unterschied, ob man von einer planwidrigen Regelungslücke oder einer Regelungslücke, die planwidrig ist, spricht. Richtig ist aber, dass man sich vergegenwärtigt, was das denn konkret bedeutet. Die "Planwidrigkeit" ist insofern als eigenständige Voraussetzung zu prüfen, d.h. nicht jede Regelungslücke lässt sich durch eine Analogie schließen. Vielmehr muss der Gesetzgeber versehentlich ungeregelt gelassen haben (+ dann muss noch eine vergleichbare Interessenlage vorliegen). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Kai
7.2.2024, 14:16:03
Auch wenn es im Endeffekt nicht für das Ergebnis des Falls relevant ist: Durch die Selbstvornahme der Nacherfüllung wird die Verkäuferin von ihrer Pflicht zur Nacherfüllung frei. Wieso ist diese dann nicht in ihrem mutmaßlichen Willen? Im Fall, in dem ein geparktes Auto abgeschleppt wird, wurde in der Lösung auch mutmaßlicher Wille (+) angegeben, da der Störer so von seiner Pflicht zur Entfernung des Autos frei wird. Da will er im Zweifel ja auch selber das Auto wegfahren, statt für das Abschleppen zu bezahlen. Worin unterscheidet sich dieser Fall davon?
hannabuma
13.2.2024, 19:30:11
Ich würde das damit begründen, dass sich die Interessenlage in beiden Fällen unterscheidet. Ein Verkäufer hat ein erhebliches Interesse im Fall eines Nacherfüllungsverlangens des Käufers selber die Ware nachzubessern. Er kann dies nämlich aufgrund seiner Expertise und seinem Wissen über das eigene Produkt so kostengünstig und effektiv wie möglich tun. Vor allem geht diese Interessenlage auch gesetzlich aus dem Recht zur zweiten Andienung hervor. Der Käufer muss dem Verkäufer erstmal eine Frist zur Nachbesserung setzen. Es widerspricht folglich dem Interesse des Verkäufers, dass der Käufer anderweitig, ggf. sogar mit höheren Kosten, nachbessern lässt. Aufgrund dieser gesetzlichen Wertung kann kein mutmaßlicher Wille bejaht werden (Wäre widersprüchlich). Bei den Abschleppfällen existiert eine solche gesetzliche Wertung zugunsten des Abgeschleppten gar nicht. Auch, wenn es für den Abgeschleppten natürlich günstiger wäre das Auto selber wegzufahren (und deswegen mutmaßlicher Wille (-) wäre), ist dieses Interesse des Abgeschleppten nicht schutzwürdig. Vielmehr überwiegt das Interesse desjenigen, dessen Eigentum durch das im Weg stehende Auto beeinträchtigt wird. Es liegt sogar ein Anspruch auf Beseitigung hat. Es kann nicht verlangt werden zu warten bis der Abzuschleppende auftaucht und sein Auto wegfährt. Er muss hinnehmen, dass er abgeschleppt wird. Deswegen kann man seinen mutmaßlichen Willen bejahen. Der Verkäufer muss die Selbstvornahme ohne
Fristsetzungaber nicht hinnehmen, sodass man auch keinen mutmaßlichen Willen konstruieren kann.

CR7
10.6.2024, 15:05:12
Was eine gute Antwort!!! Ich bin begeistert.
Nani123
15.11.2024, 18:26:49
Hey @[hannabuma](171851) :) Ist deine Argumentation nicht eher passend für das Werkvertragsrecht, wo der Werkunternehmer das Wahlrecht bzgl der Nacherfüllung hat? Im Kaufrecht hat es ja der Käufer, wo es in erster Linier eben nicht auf die Expertise des Verkäufers ankommt (es sei denn, es wäre völlig unverhältnismäßig). Hier hat der Käufer das Wahlrecht und hat sich für die Nachbesserung entschieden. Die wäre jedoch für den Verkäufer höchstwahrscheinlich günstiger gewesen, wenn er sie selbst vorgenommen hätte. Dadurch ist die Nachbesserung durch jemand anderen teurer. Darin würde ich viel eher den Nachteil für den Verkäufer sehen…
Mi. S.
21.8.2024, 13:09:37
Wie würde ich in meinem Gutachten den Punkt einbauen, dass die
Ansprüche aus GoAnicht angewendet werden, da die §§437 ff. BGB eine abschließende Regelung darstellen?
judith
21.8.2024, 17:06:45
Das kommt immer auf die individuelle Aufgabenstellung an und lässt sich deshalb nicht so pauschal beantworten. Wenn in der Aufgabenstellung (wie hier) gefragt wird, ob der K sich von B den Betrag i.H.v. 30€ erstatten lassen kann, dann würde ich wie hier auch erst alle möglichen Konstellationen an Gewährleistungsansprüchen aus dem Kaufvertrag prüfen. Die
Ansprüche aus GoA, die als quasivertragliche Ansprüche danach zu prüfen wären, sind jedoch wegen Anwendungsbereich des Kaufmängelgewährleistungsrecht ausgeschlossen. Ich denke, dass es grundsätzlich nicht falsch wäre dies kurz im Gutachten mit einem Satz nach den vertraglichen Ansprüchen zu erwähnen. Fraglich ist, ob diese Erwähnung klausurtaktisch so klug ist. Möglicherweise legt dir ein strenger Korrektor dies als mangelnde Schwerpunktsetzung und Problembewusstsein aus..

ajboby90
18.1.2025, 11:22:05
Warum geht die letzte Frage auf eine (hypothetische) berechtigte GoA ein? Auch mit der vorliegenden unberechtigten GoA wäre man doch nach 684 im Bereich eines möglichen Aufwendungsersatzanspruchs. Warum wird das nicht thematisiert, stattdessen die berechtigte GoA?

Linne_Karlotta_
27.3.2025, 12:49:23
Hey @[ajboby90](222400), danke für Deine Frage. In dieser Aufgabe geht es nur um einen möglichen Aufwendungsersatzanspruch der Geschäftsführerin. Ein Aufwendungsersatzanspruch besteht nur bei einer berechtigter GoA (§ 683 BGB). Bei einem Anspruch aus § 684 BGB handelt es sich hingegen um einen
Anspruch auf Herausgabeder
Bereicherung. Letzterer passt jedoch nicht zu unserer Fallkonstellation. Daher gehen wir in diesem Fall nicht auf § 684 BGB ein. Mehr zu den Rechtsfolgen einer unberechtigen GoA findest Du in diesem Kapitel: https://applink.jurafuchs.de/g1f7IYZQ4Rb Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
lexahufnagel
30.1.2025, 21:56:46
Für die Konstellation der echten Selbstvornahme ist dieser Fall sehr anschaulich und wirklich gelungen! Allerdings verstehe ich nicht, warum es sich hier um einen solchen handelt: Die Nacherfüllung ist in Form der Nachlieferung einer anderen Hose des gleichen Modells doch weiterhin möglich. Insofern handelt es sich doch eigentlich um einen Fall der unechten Selbstvornahme, bei dem andere Ansprüche einschlägig sind (§§ 437 Nr. 1, 439 I BGB besteht bspw. fort), oder?
Victoria1812
2.3.2025, 18:24:15
Der Käufer hat ja eine Wahl zwischen Beseitigung des Mangels oder der Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1) und mit der Reparatur wurde das Wahlrecht ja ausgeübt. Würde ich jetzt sagen