Selbsthilfeaufwendung III – Selbstvornahme im Kaufrecht


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Klassisches Klausurproblem

K kauft eine Jeans im Bekleidungsgeschäft des B. Schon beim ersten Tragen lösen sich einige Nähte der Hose. K geht zu Schneider S und lässt dies für € 30 reparieren. Diesen Betrag möchte sie nun von B erstattet bekommen.

Einordnung des Falls

Selbsthilfeaufwendung III – Selbstvornahme im Kaufrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hatte vor der Reparatur einen Anspruch gegen B auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.

Ja, in der Tat!

Damit ein Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB besteht, müssen (1) Anspruchsteller und Anspruchsgegner einen Kaufvertrag geschlossen haben. Ferner muss die Kaufsache (2) mangelhaft (3) im Zeitpunkt des Gefahrübergangs gewesen sein. K hat mit B einen Kaufvertrag über die Jeans geschlossen. Bereits beim ersten Tragen lösten sich deren Nähte. Die Jeans eignet sich damit weder für die gewöhnliche Verwendung noch weist sie die übliche Beschaffenheit einer solchen Jeans dar. Dies stellt einen Mangel dar (§§ 434 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1+2 BGB), der bereits bei Übergabe der Hose beziehungsweise bei Gefahrübergang angelegt war.

2. K hat auch nach der Reparatur noch einen Anspruch gegen B auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.

Nein!

Indem K die Jeans selbst reparieren ließ, ist die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden, was zum Erlöschen des Nacherfüllungsanspruchs geführt hat.

3. K hat aber einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen B wegen Schlechtleistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 437 Nr.3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB setzt voraus, dass (1) ein Kaufvertrag besteht und die Kaufsache (2) mangelhaft (3) im Zeitpunkt des Gefahrübergangs war. Ferner muss der Verkäufer die (4) Nacherfüllung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht haben, obwohl ihm der Käufer (5) eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Zwischen K und B bestand ein Kaufvertrag und die Kaufsache war mangelhaft bei Gefahrübergang. B hat zwar keine Nacherfüllung erbracht, jedoch wurde ihm von K keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt.Die Nachfristsetzung dient dazu, dem Verkäufer eine zweite Chance zur Erfüllung einzuräumen (Recht zur zweiten Andienung).

4. K hat aber einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen B aufgrund von nachträglicher Unmöglichkeit aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB setzt voraus, dass (1) ein Kaufvertrag besteht und die Kaufsache (2) mangelhaft (3) im Zeitpunkt des Gefahrübergangs war. Ferner muss die (4) Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 – Abs. 3 BGB unmöglich sein und der (5) Verkäufer muss dies zu vertreten haben. Zwischen K und B bestand ein Kaufvertrag und die Kaufsache war mangelhaft bei Gefahrübergang. Die Nacherfüllung ist nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, da K die Jeans bereits selbst hat reparieren lassen. Jedoch hat B die Unmöglichkeit der Nacherfüllung nicht zu vertreten. Vielmehr hat K diese selbst verursacht.

5. K hat einen Anspruch auf Ersatz der durch die Selbstvornahme dem B ersparten Aufwendungen aus §§ 326 Abs. 4, Abs. 2 S. 2 BGB.

Nein!

Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt die Gegenleistungspflicht bei einem gegenseitigen Vertrag zwar grundsätzlich bei Unmöglichkeit der Leistung, jedoch gilt dies nach § 326 Abs. 1 S. 2 BGB nicht bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung. Dementsprechend gilt auch § 326 Abs. 2 BGB, der eine Ausnahme zu § 326 Abs. 1 BGB darstellt, nicht im Falle der Unmöglichkeit der Nacherfüllung. Vorliegend ist dem B die Nacherfüllung gegenüber K unmöglich geworden.

6. K hat nach der Rspr. einen Anspruch auf Ersatz der durch die Selbstvornahme dem B ersparten Aufwendungen aus §§ 326 Abs. 4, Abs. 2 S. 2 BGB analog.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Analogie setzt (1) eine planwidrige Regelungslücke und (2) eine vergleichbare Interessenlage voraus.Der BGH lehnt eine analoge Anwendung der §§ 326 Abs. 4, Abs. 2 S. 2 BGB bei Selbstvornahme der Nacherfüllung durch den Käufer ab. Die §§ 437ff. BGB stellten insoweit eine abschließende Regelung dar. Andernfalls würde der Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs unterlaufen und dem Käufer ein Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers zugestanden.

7. Folgt man der Rechtsprechung, sind die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB erfüllt.

Ja, in der Tat!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Die Nacherfüllung stellt ein für K auch fremdes Geschäft dar. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach der Rechtsprechung auch bei auch-fremden Geschäften vermutet. B hat K weder zur Nacherfüllung beauftragt, noch war K gegenüber B sonst dazu berechtigt.

8. Die Nacherfüllung durch K stellt auch eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.

Nein!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht geäußert hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse. V konnte seinen Willen in Bezug auf die Nacherfüllung nicht äußern. Die Nacherfüllung durch K entsprach jedoch nicht seinem objektiven Interesse. In der Regel wird er der Nacherfüllungspflicht selbst nachkommen wollen.

9. Selbst wenn Ks Selbstvornahme dem objektiven Interesse und (mutmaßlichen) Willen der B entsprochen hätte, läge kein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) vor.

Genau, so ist das!

Im Verhältnis zu Ansprüchen aus GoA stellen die §§ 437ff. BGB nach Ansicht des BGH eine abschließende Regelung dar. Andernfalls würde der Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs unterlaufen und dem Käufer ein Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers zugestanden. Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der berechtigten GoA erfüllt wären, so würden daraus resultierende Ansprüche durch das Kaufmängelgewährleistungsrecht verdrängt.

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