Zivilrecht
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die echte GoA
Selbsthilfeaufwendung III – Selbstvornahme im Kaufrecht
Selbsthilfeaufwendung III – Selbstvornahme im Kaufrecht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft eine Jeans im Bekleidungsgeschäft des B. Schon beim ersten Tragen lösen sich einige Nähte der Hose. K geht zu Schneider S und lässt dies für € 30 reparieren. Diesen Betrag möchte sie nun von B erstattet bekommen.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Selbsthilfeaufwendung III – Selbstvornahme im Kaufrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hatte vor der Reparatur einen Anspruch gegen B auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. K hat auch nach der Reparatur noch einen Anspruch gegen B auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.
Nein!
3. K hat aber einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen B wegen Schlechtleistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. K hat aber einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen B aufgrund von nachträglicher Unmöglichkeit aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
5. K hat einen Anspruch auf Ersatz der durch die Selbstvornahme dem B ersparten Aufwendungen aus §§ 326 Abs. 4, Abs. 2 S. 2 BGB.
Nein!
6. K hat nach der Rspr. einen Anspruch auf Ersatz der durch die Selbstvornahme dem B ersparten Aufwendungen aus §§ 326 Abs. 4, Abs. 2 S. 2 BGB analog.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Folgt man der Rechtsprechung, sind die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB erfüllt.
Ja, in der Tat!
8. Die Nacherfüllung durch K stellt auch eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
Nein!
9. Selbst wenn Ks Selbstvornahme dem objektiven Interesse und (mutmaßlichen) Willen der B entsprochen hätte, läge kein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) vor.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
antoniasophie
10.9.2022, 18:43:26
Super aufgearbeiteter Fall!
Nora Mommsen
12.9.2022, 12:40:36
Hallo Antonia, danke für deine tolle Rückmeldung. Das leiten wir dan den Aufgabenersteller weiter. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
ajboby90
25.10.2024, 10:49:29
Echt schwerer Fall, wo es schwer fällt, auf die ganzen Anspruchsgrundlagen überhaupt zu kommen.
juraprinzessin123
8.8.2023, 16:54:34
Ihr habt ihr ganz zu Beginn die Voraussetzungen der Analogie benannt. Ich lese in ganz vielen Protokollen zum Mündlichen, dass die Prüfer darauf Wert legen, dass es heißt (1) Regelungslücke, die planwidrig ist (2) vergleichbare Interessenlage. Und damit haben die Prüfer ja auch Recht. Vielleicht wollt ihr mal überlegen, das auch anzupassen 🙃
Lukas_Mengestu
8.8.2023, 18:02:10
Hallo jur
aprinzession123, hier müsstest Du mir gedanklich ein wenig auf die Sprünge helfen. Denklogisch macht es letztlich keinen Unterschied, ob man von einer planwidrigen Regelungslücke oder einer Regelungslücke, die planwidrig ist, spricht. Richtig ist aber, dass man sich vergegenwärtigt, was das denn konkret bedeutet. Die "Planwidrigkeit" ist insofern als eigenständige Voraussetzung zu prüfen, d.h. nicht jede Regelungslücke lässt sich durch eine Analogie schließen. Vielmehr muss der Gesetzgeber versehentlich ungeregelt gelassen haben (+ dann muss noch eine vergleichbare Interessenlage vorliegen). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Kai
7.2.2024, 14:16:03
Auch wenn es im Endeffekt nicht für das Ergebnis des Falls relevant ist: Durch die
Selbstvornahmeder Nacherfüllung wird die Verkäuferin von ihrer Pflicht zur Nacherfüllung frei. Wieso ist diese dann nicht in ihrem mutmaßlichen Willen? Im Fall, in dem ein geparktes Auto abgeschleppt wird, wurde in der Lösung auch mutmaßlicher Wille (+) angegeben, da der Störer so von seiner Pflicht zur Entfernung des Autos frei wird. Da will er im Zweifel ja auch selber das Auto wegfahren, statt für das Abschleppen zu bezahlen. Worin unterscheidet sich dieser Fall davon?
hannabuma
13.2.2024, 19:30:11
Ich würde das damit begründen, dass sich die Interessenlage in beiden Fällen unterscheidet. Ein Verkäufer hat ein erhebliches Interesse im Fall eines Nacherfüllungsverlangens des Käufers selber die Ware nachzubessern. Er kann dies nämlich aufgrund seiner Expertise und seinem Wissen über das eigene Produkt so kostengünstig und effektiv wie möglich tun. Vor allem geht diese Interessenlage auch gesetzlich aus dem Recht zur zweiten
Andienunghervor. Der Käufer muss dem Verkäufer erstmal eine Frist zur Nachbesserung setzen. Es widerspricht folglich dem Interesse des Verkäufers, dass der Käufer anderweitig, ggf. sogar mit höheren Kosten, nachbessern lässt. Aufgrund dieser gesetzlichen Wertung kann kein mutmaßlicher Wille bejaht werden (Wäre widersprüchlich). Bei den Abschleppfällen existiert eine solche gesetzliche Wertung zugunsten des Abgeschleppten gar nicht. Auch, wenn es für den Abgeschleppten natürlich günstiger wäre das Auto selber wegzufahren (und deswegen mutmaßlicher Wille (-) wäre), ist dieses Interesse des Abgeschleppten nicht schutzwürdig. Vielmehr überwiegt das Interesse desjenigen, dessen Eigentum durch das im Weg stehende Auto beeinträchtigt wird. Es liegt sogar ein Anspruch auf Beseitigung hat. Es kann nicht verlangt werden zu warten bis der Abzuschleppende auftaucht und sein Auto wegfährt. Er muss hinnehmen, dass er abgeschleppt wird. Deswegen kann man seinen mutmaßlichen Willen bejahen. Der Verkäufer muss die
Selbstvornahmeohne
Fristsetzungaber nicht hinnehmen, sodass man auch keinen mutmaßlichen Willen konstruieren kann.
CR7
10.6.2024, 15:05:12
Was eine gute Antwort!!! Ich bin begeistert.
Nani123
15.11.2024, 18:26:49
Hey @[hannabuma](171851) :) Ist deine Argumentation nicht eher passend für das Werkvertragsrecht, wo der Werkunternehmer das Wahlrecht bzgl der Nacherfüllung hat? Im Kaufrecht hat es ja der Käufer, wo es in erster Linier eben nicht auf die Expertise des Verkäufers ankommt (es sei denn, es wäre völlig unverhältnismäßig). Hier hat der Käufer das Wahlrecht und hat sich für die Nachbesserung entschieden. Die wäre jedoch für den Verkäufer höchstwahrscheinlich günstiger gewesen, wenn er sie selbst vorgenommen hätte. Dadurch ist die Nachbesserung durch jemand anderen teurer. Darin würde ich viel eher den Nachteil für den Verkäufer sehen…
Mi. S.
21.8.2024, 13:09:37
Wie würde ich in meinem Gutachten den Punkt einbauen, dass die Ansprüche aus GoA nicht angewendet werden, da die §§437 ff. BGB eine abschließende Regelung darstellen?
judith
21.8.2024, 17:06:45
Das kommt immer auf die individuelle Aufgabenstellung an und lässt sich deshalb nicht so pauschal beantworten. Wenn in der Aufgabenstellung (wie hier) gefragt wird, ob der K sich von B den Betrag i.H.v. 30€ erstatten lassen kann, dann würde ich wie hier auch erst alle möglichen Konstellationen an Gewährleistungsansprüchen aus dem Kaufvertrag prüfen. Die Ansprüche aus GoA, die als quasivertragliche Ansprüche danach zu prüfen wären, sind jedoch wegen Anwendungsbereich des Kaufmängelgewährleistungsrecht ausgeschlossen. Ich denke, dass es grundsätzlich nicht falsch wäre dies kurz im Gutachten mit einem Satz nach den vertraglichen Ansprüchen zu erwähnen. Fraglich ist, ob diese Erwähnung klausurtaktisch so klug ist. Möglicherweise legt dir ein strenger Korrektor dies als mangelnde Schwerpunktsetzung und Problembewusstsein aus..
Petrus
13.11.2024, 11:14:13
Hier wird eine neue Hose im Kleidergeschäft gekauft, was eine
Gattungsschulddarstellt. Nimmt die Käuferin nun selbst die Nachbesserung vor so führt dies zwar zur Unmöglichkeit Nachbesserung, eine
Nachlieferungist aber – da es sich um eine
Gattungsschuldhandelt – immer noch möglich. Deswegen scheitert ein Anspruch auf Schadensersatz wegen nachträglicher Unmöglichkeit schon daran, dass nicht beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind. Ich würde daher - sofern ich mich nicht irre – den Sachverhalt dahingehend anpassen, dass sie etwa im Second-Hand Laden eine gebrauchte Hose kauft. 
Nani123
15.11.2024, 18:20:35
Hey @[Petrus](172124) :) Das stimmt so nicht: indem die Käuferin die Hose aussuchte (evtl auch anprobierte) und zur Kasse ging, sagte sie damit (
konkludent/ausdrücklich): „Ich will diese eine Hose kaufen“. Der Verkäufer nimmt die Sache und sagt (
konkludent/ausdrücklich): „Gut, ich verkaufe dir diese eine Hose“. Die Schuld hat sich dann auf diese Hose konkretisiert. LG
Petrus
15.11.2024, 18:33:24
Hey :), stimmt, die Schuld konkretisiert sich zwar dann auf diese Hose in der Weise, dass - sofern die Hose untergeht iSv § 275 BGB - Unmöglichkeit vorliegt. Man kann aber m.E nicht generell sagen, dass eine
Stückschuldvorliegt, da ansonsten - nach Deiner Argumentation - eine Nachlierferung immer ausscheiden müsste. Schließlich sucht man sich im Kaufprozess ja immer irgendwann eine bestimmte Sache aus. Selbst wenn man von einer
Stückschuldausgeht, ist nach hm auch bei einer solchen die
Nachlieferungnicht automatisch ausgeschlossen. Es käme dann darauf an, ob nach dem Parteiwillen eine solche geschuldet sein soll. Und bei einer neuen Hose würde ich sagen, dass im Zweifel eine
Nachlieferungschon in Betracht käme. Hier könnte man aber ggfs. einen entgegenstehenden Parteiwillen daraus ziehen, dass K die Hose selbst zur Reperatur bringt und damit zeigt, dass sie keine
Nachlieferungwill. Aber so klar, dass in der Aufgabe einfach kurz gesagt wird, dass die Nacherfüllung sei unmöglich, ist der Fall m.E. nach nicht.