Berechtigte GoA schließt sonstige Ansprüche tatbestandlich aus
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Spaziergänger S beobachtet, wie Rentnerin R von einem streunenden Hund angegriffen wird und eilt ihm zu Hilfe. Es gelingt ihm, den Hund mit dem Gehstock der R in die Flucht zu schlagen. Dabei wird dieser beschädigt.
Einordnung des Falls
Berechtigte GoA schließt sonstige Ansprüche tatbestandlich aus
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Abwehr des Hundes erfüllt die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB.
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Genau, so ist das!
2. Die Abwehr des Hundes stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
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Ja, in der Tat!
3. R hat einen Anspruch auf Herausgabe des Gehstocks gegen S aus §§ 681 S. 2, 667 BGB.
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Ja!
4. R hat einen Schadensersatzanspruch gegen S wegen Ausführungsverschuldens aus §§ 677, 280 BGB wegen des beschädigten Gehstocks.
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Nein, das ist nicht der Fall!
5. R hat einen Schadensersatzanpruch gegen S aus EBV wegen des beschädigten Gehstocks (§§ 989, 990 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
6. R hat einen Schadensersatzanspruch gegen S aus Delikt wegen des beschädigten Gehstocks.
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Nein!
7. R hat einen Anspruch auf Herausgabe des Gehstocks aus Bereicherungsrecht.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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Im🍑nderabilie
12.12.2022, 17:41:42
Wie ist hier das Verhältnis zwischen Aggressivnotstand und berechtiger GoA? Wäre § 904 BGB auch analog auf eine Nothilfe, also wenn dem Täter selbst keine Gefahr droht anwendbar?
Matschegenga
22.3.2023, 10:52:25
Würde mich auch interessieren: Könnte man nicht denken, dass der Aggressivnotstand eine „sonstige Berechtigung“ iSd § 677 BGB verleiht? Oder könnte man dem entgegenhalten, dass § 904 BGB dem Wortlaut nach kein Recht des Notstandshelfers zur Einwirkung begründet, sondern lediglich dem Eigentümer das Recht nimmt, dem Notstandshelfer die Einwirkung zu verbieten?

Im🍑nderabilie
9.6.2023, 15:09:48
Mega gute Idee @[Matschegenga](138216) !
InDubioProsecco
9.6.2023, 15:07:09
Ist hier der Anspruch auf Herausgabe aus Bereicherungsrecht wirklich ausgeschlossen? Er hat den Besitz mit Rechtsgrund erlangt, ja. Aber dieser Rechtsgrund müsste doch mit Abschluss der Geschäftsführung wegfallen, sodass ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB begründet sein müsste.
Lorenz
28.8.2023, 10:12:29
Hab ich mich auch gefragt. Selbst den beschädigten Gehstock möchte die Frau doch wieder haben.

Viola22
31.7.2023, 20:58:13
Kann man hier nicht auch den § 680 BGB ansprechen? S hat R ja vor dem Hund gerettet und damit lag die Geschäftsführung des S in der Gefahrenabwehr, oder nicht?
Leo Lee
2.8.2023, 15:55:15
Hallo Viola22, der 680 BGB kann in der Tat auch in diesem Kontext von Bedeutung sein. Beachte jedoch, dass 680 einen Verschuldensmaßstab darstellt, sprich bei dem Punkt "Vertretenmüssen" relevant wird und dort den Maßstab modifiziert. Vorliegend war bereits die Verletzung der Pflicht aus 677 (Geschäftsführung so, dass es dem mutmaßlichen Willen entspricht) abzulehnen, da die Abwehr des Hundes dem mutmaßlichen Willen des Rs entsprach. Hätte man die Pflichtverletzung bejaht, wäre man jedoch - wie du richtigerweise anmerkst - spätestens beim Vertretenmüssen "rausgeflogen" :). Liebe Grüße Leo
Leo Lee
2.8.2023, 15:55:24
@Lukas Mengestu
Leo Lee
2.8.2023, 16:38:48
@[Lukas_Mengestu](136780)
evanici
7.9.2023, 10:17:45
Ich glaube, es wäre "einfacher" den Schadensersatz §§ 677, 280 I in der bekannten Struktur zu prüfen: 1. Schuldverhältnis (=GoA), 2. Pflichtverletzung entgegen des § 677, 3. (Ausführungs-)Verschulden 4. Schaden. Das ist vielleicht nicht allzu orthodox, aber hilft mir persönlich doch sehr, da ich nur so entsprechende Verknüpfungen beim Lernen hinbekomme... Vielleicht mag es ja selbsterklärend sein, dass ein Schuldverhältnis vorliegt, aber man kann es ja zumindest kurz feststellen...

Nora Mommsen
7.9.2023, 11:34:39
Hallo evanici, danke dir für deine Anregung. Wir haben den Prüfungspunkt Schuldverhältnis in der Erläuterung ergänzt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team