Zivilrecht
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die echte GoA – Konkurrenzen / Abgrenzung zu anderen Anspruchsarten
Berechtigte GoA schließt sonstige Ansprüche tatbestandlich aus
Berechtigte GoA schließt sonstige Ansprüche tatbestandlich aus
19. Mai 2025
22 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Spaziergänger S beobachtet, wie Rentnerin R von einem streunenden Hund angegriffen wird und eilt ihr zu Hilfe. Es gelingt ihm, den Hund mit dem Gehstock der R in die Flucht zu schlagen. Dabei wird dieser beschädigt.
Diesen Fall lösen 80,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Berechtigte GoA schließt sonstige Ansprüche tatbestandlich aus
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Abwehr des Hundes erfüllt die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Abwehr des Hundes stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
Ja, in der Tat!
3. R hat einen Anspruch auf Herausgabe des Gehstocks gegen S aus §§ 681 S. 2, 667 BGB.
Ja!
4. R hat einen Schadensersatzanspruch gegen S wegen Ausführungsverschuldens aus §§ 677, 280 BGB wegen des beschädigten Gehstocks.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. R hat einen Schadensersatzanpruch gegen S aus EBV wegen des beschädigten Gehstocks (§§ 989, 990 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
6. R hat einen Schadensersatzanspruch gegen S aus Delikt wegen des beschädigten Gehstocks.
Nein!
7. R hat einen Anspruch auf Herausgabe des Gehstocks aus Bereicherungsrecht.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie
12.12.2022, 17:41:42
Wie ist hier das Verhältnis zwischen
Aggressivnotstandund berechtiger GoA? Wäre § 904 BGB auch analog auf eine Nothilfe, also wenn dem Täter selbst keine Gefahr droht anwendbar?
Matschegenga
22.3.2023, 10:52:25
Würde mich auch interessieren: Könnte man nicht denken, dass der
Aggressivnotstandeine „sonstige Berechtigung“ iSd § 677 BGB verleiht? Oder könnte man dem entgegenhalten, dass § 904 BGB dem Wortlaut nach kein Recht des
Notstandshelfers zur Einwirkung begründet, sondern lediglich dem Eigentümer das Recht nimmt, dem
Notstandshelfer die Einwirkung zu verbieten?

Im🍑nderabilie
9.6.2023, 15:09:48
Mega gute Idee @[Matschegenga](138216) !
InDubioProsecco
9.6.2023, 15:07:09
Ist hier der Anspruch auf Herausgabe aus
Bereicherungsrechtwirklich ausgeschlossen? Er hat den Besitz mit Rechtsgrund erlangt, ja. Aber dieser Rechtsgrund müsste doch mit Abschluss der Geschäftsführung wegfallen, sodass ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB begründet sein müsste.
Lorenz
28.8.2023, 10:12:29
Hab ich mich auch gefragt. Selbst den beschädigten Gehstock möchte die Frau doch wieder haben.
Quarklo
20.7.2024, 07:26:05
Sie bekommt den Stock ja auch wieder. Nur aus GoA und nicht aus
Bereicherungsrecht, welches ggü. quasivertraglichen Ansprüchen nachrangig ist
L.Goldstyn
10.8.2024, 17:58:00
@[InDubioProsecco](1641): Vielen Dank für die Frage, der ich mich gerne anschließe. Ich hätte aus denselben Gründen ebenfalls einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB bejaht.
annsophie.mzkw
6.11.2024, 14:53:11
Kann jemand diese sehr gute Frage bitte beantworten?
benjaminmeister
6.1.2025, 12:42:53
Ich würde hier ebenfalls den Vorpostern zustimmen und letztendlich einen Bereicherungsanspruch aus § 812 I S. 2 Alt. 1 bejahen.
Bilbo
14.2.2025, 13:47:39
@[Leo Lee](213375) vielleicht kannst du uns weiterhelfen?

Viola22
31.7.2023, 20:58:13
Kann man hier nicht auch den § 680 BGB ansprechen? S hat R ja vor dem Hund gerettet und damit lag die Geschäftsführung des S in der Gefahrenabwehr, oder nicht?
Leo Lee
2.8.2023, 15:55:15
Hallo Viola22, der 680 BGB kann in der Tat auch in diesem Kontext von Bedeutung sein. Beachte jedoch, dass 680 einen Ver
schuldensmaßstab darstellt, sprich bei dem Punkt "Vertretenmüssen" relevant wird und dort den Maßstab modifiziert. Vorliegend war bereits die Verletzung der Pflicht aus 677 (Geschäftsführung so, dass es dem mutmaßlichen Willen entspricht) abzulehnen, da die Abwehr des Hundes dem mutmaßlichen Willen des Rs entsprach. Hätte man die Pflichtverletzung bejaht, wäre man jedoch - wie du richtigerweise anmerkst - spätestens beim Vertretenmüssen "rausgeflogen" :). Liebe Grüße Leo
Leo Lee
2.8.2023, 15:55:24
@Lukas Mengestu
Leo Lee
2.8.2023, 16:38:48
@[Lukas_Mengestu](136780)
evanici
7.9.2023, 10:17:45
Ich glaube, es wäre "einfacher" den
Schadensersatz §§ 677, 280 I in der bekannten Struktur zu prüfen: 1.
Schuldverhältnis (=GoA), 2. Pflichtverletzung entgegen des § 677, 3. (Ausführungs-)Ver
schulden 4.
Schaden. Das ist vielleicht nicht allzu orthodox, aber hilft mir persönlich doch sehr, da ich nur so entsprechende Verknüpfungen beim Lernen hinbekomme... Vielleicht mag es ja selbsterklärend sein, dass ein
Schuldverhältnis vorliegt, aber man kann es ja zumindest kurz feststellen...

Nora Mommsen
7.9.2023, 11:34:39
Hallo evanici, danke dir für deine Anregung. Wir haben den Prüfungspunkt
Schuldverhältnis in der Erläuterung ergänzt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Rechthaber
12.6.2024, 17:14:29
Was ist mit 904 S. 2 ? Hier greift S in
fremdes Eigentum des R ein um eine gegenwärtige Gefahr des R abzuwenden und die drohenden Gesundheitseinbußen für R sind auch unverhältnismäßig groß im Hinblick auf den
Schadenam Stock. Hier ist zwar R zugleich Begünstige, als auch derjenige, der einen
Schadendurch die Einwirkung hat, allerdings kann man aus dem Wortlaut nicht schließen, dass 904 nur dann anwendbar ist, wenn der Begünstigte ein Un
beteiligter
Dritterist oder ?

Major Tom(as)
27.11.2024, 11:02:34
Vielleicht könnte man sich bzgl. des "
Schadens" überlegen, dass innerhalb der haftungsausfüllenden Kausalität beim
Schutzzweck der Normdurch
Vorteilsausgleichung(relevante
Reserveursachen) dann ein Saldo von Null ergibt? (oder natürlich Ausschluss des Anspruchs über § 242 BGB) Bzgl. der grundsätzlichen Anwendbarkeit finde ich es aber auch spannend, mir fiele gerade kein Anhaltspunkt ein, um hier "rauszufliegen". Was meint ihr, @[Jurafuchs](137809)?

Tim Gottschalk
24.4.2025, 17:59:27
Hallo @[Rechthaber](162337) und @[Major Tom(as)](258980), wie ihr schon richtig erkannt habt, ist das kein Fall, der über § 904 S. 2 BGB eine
Schadensersatzpflicht auslösen soll, da der Eigentümer ja bereits durch die Rettungshandlung begünstigt wird und eine zusätzliche
Schadensersatzpflicht ihn über Gebühr begünstigen würde. Ich habe hierfür jedoch keine Anhaltspunkte in der Literatur finden können. Ich würde das ganze am ehesten über zwei Wege lösen: Einerseits dürfte § 904 BGB hier bereits nicht anwendbar sein, da die R selbst über ihre Rechtsgüter disponieren kann. Anders als in Fällen des § 904 BGB muss es daher möglich sein, dass die R auf ihre Rettung
verzichtet und dem S verbietet, sie zu verteidigen oder jedenfalls ihr Eigentum dafür zu benutzen. Ich würde insofern eine teleologische Reduktion von § 904 BGB in Betracht ziehen. Andererseits kann man, selbst wenn man diese teleologische Reduktion nicht vornimmt, den Anspruch aus § 904 S. 2 BGB ablehnen, da dieser eine Rechtfertigung nach § 904 S. 1 BGB erfordert. Allerdings ist der S ja auch unabhängig von § 904 S. 1 BGB durch die echte, berechtigte GoA gerechtfertigt. Insofern würde ich die GoA als lex specialis ansehen. Es würde ja auch dem Rechtsgedanken der §§ 683, 670 BGB widersprechen, wenn der S für seine Handlung haften müsste. Alles in allem aber eine sehr spannende Frage. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Jimmy105
8.11.2024, 12:19:13
Die Frage ist hier vielleicht etwas deplatziert aber bzgl aller Herausgabeansprüche gedacht, nicht nur nach §§ 681 S. 2,
667 BGB: Eine beschädigte Sache kann herausgegeben werden, eine zerstörte hingegen nicht? Die Zeichnung hatte mich zunächst annehmen lassen der Gehstock sei zerstört (beim genaueren lesen wurde es klarer)