Zivilrecht
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die echte GoA
Unberechtigte GoA und EBV + Schadensersatz
Unberechtigte GoA und EBV + Schadensersatz
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V putzt die Cowboystiefel seines Sohnes S und verwendet hierfür aus Unachtsamkeit ein ungeeignetes Schuhputzmittel. S ist entsetzt. Er habe ihm doch oft genug erzählt, dass solche Stiefel nur schmutzig „modisch überzeugen.“ Zudem bemerkt er, dass das Mittel das Leder angegriffen hat.
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Einordnung des Falls
Unberechtigte GoA und EBV + Schadensersatz
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Putzen der Stiefel erfüllt die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Putzen der Stiefel stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
Nein!
3. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Übernahmeverschuldens nach § 678 BGB sind erfüllt.
Genau, so ist das!
4. S hat einen Schadensersatzanspruch gegen V nach §§ 989, 990 BGB wegen des beschädigten Leders.
Ja, in der Tat!
5. Der Schadensersatzanspruch nach §§ 989, 990 BGB verdrängt den Schadensersatzanspruch nach 678 BGB.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Anne
25.8.2022, 17:15:26
Lukas_Mengestu
17.10.2022, 13:50:50
Hallo Anne, im Zivilrecht ist eine bei Gericht eingereichte Klage "rechtshängig", wenn diese dem Beklagten zugestellt wurde. Darauf kommt es in diesem Fall nicht an, da ja keine Klage gegen V eingereicht wurde. Der Anspruch aus §§ 989, 990 BGB besteht aufgrund von Vs Bösgläubigkeit (§ 990 BGB). § 989 BGB ist dabei mitzuzitieren, da § 990 BGB im Hinblick auf die Rechtsfolgen lediglich auf § 989 BGB verweist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jakob G.
2.9.2022, 06:58:48
Würde auf die Kenntnis des V abstellen und den SE wegen des Lederschadens aus §§ 990, 989 BGB herleiten.
Nora Mommsen
2.9.2022, 09:15:06
Hallo Jakob G., in der Aufgabe wird dargestellt, dass ebenfalls ein Anspruch aus §§ 990, 989 BGB besteht und dieser aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis den aus Geschäftsführung ohne Auftrag verdrängt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Gnu
2.1.2023, 19:39:09
Kommt hier beim
Übernahmeverschuldennicht vielleicht die
Haftungsprivilegierungdes 1664 I in Betracht? Schließlich hat der V nur fahrlässig die Schuhe seines Sohnes beschädigt.
Lukas_Mengestu
3.1.2023, 12:50:10
Hallo Gnu, sehr schöner Gedanke! Wenn S hier allerdings tatsächlich den V schon mehrfach darauf hingewiesen hat, dann liegt es nahe ein Fall der groben Fahrlässigkeit anzunehmen. Bei grober Fahrlässigkeit greift die
Haftungsprivilegierungnicht (mehr), sodass V weiterhin hierfür einnzustehen hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝
12.8.2024, 11:11:32
aber könnte man sie beim
Übernahmeverschuldenanwenden und muss sie angesprochen werden? bzw generell Haftungsprivilegien oder Verschärfungen?
Dogu
1.9.2023, 14:23:58
Wird der Anwendungsvorrang des EBV dann in der Klausur inzident geprüft? Wenn man sich an die vorgegebene Reihenfolge vertraglich, quasi-vertraglich und erst dann sachenrechtlich hält, wird GoA ja vorher geprüft.
Leo Lee
2.9.2023, 20:12:07
Hallo Dogu, Im Falle des Vorliegens einer echten nichtberechtigten GoA empfiehlt es sich sicherheitshalber die Prüfung mit dem einschlägigen Anspruch aus dem EBV anzufangen, also hier „ausnahmsweise“ mit dem EBV beginnen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Sambajamba10
3.3.2024, 13:14:28
Als Klausurhinweis wäre das sehr schön
CR7
27.6.2024, 10:58:25
Fände ich auch!
evanici
16.9.2023, 17:47:46
Wieso problematisiert man die Bösgläubigkeit hier nicht durch den im Rahmen der GoA-Prüfung ja bejahten
Fremdgeschäftsführungswillen? Ich hätte zumindest einen Schlenker über die
Besitzdienerschaft § 855 gemacht und somit einen Fremdbesitzerwillen angeprüft, den ich im Ergebnis aber abgelehnt hätte, da sich V mit der Weisungswidersetzung die Schuhe nicht zu putzen spätestens zum Eigenbesitzer aufgeschwungen hätte. Vielleicht ist das aber auch sehr fernliegend :D
LaulauAC
10.4.2024, 10:29:23
In der Lösung steht, dass V bösgläubig ist, weil er fahrlässig handelt. Reicht hierfür nicht lediglich grobe Fahrlässigkeit aus?
Peter im Pech
3.5.2024, 16:38:08
Ja genau, kann mir hier nicht annehmen, der unberechtigte Stiefelputzer handele nur aus einfacher Fahrlässigkeit? Dann wäre er ja nicht bösgläubig bzgl. seines Rechts auf den Besitz §
932II BGB analog
Falsus Prokuristor
5.6.2024, 14:10:10
Das Verschulden des Geschäftsführers hinsichtlich der Übernahme der GoA sowie hinsichtlich des Bestehens eines
Besitzrechts knüpfen an die gleiche Vorstellung an, so dass die Ansprüche dem Grunde nach parallel verlaufen könnten. Allerdings ist der
Verschuldensmaßstabim EBV strenger, der Schuldner hat nur grobe Fahrlässigkeit neben dem
Vorsatzzu vertreten. Bei einfacher Fahrlässigkeit hinsichtlich der Übernahme und auch des
Besitzrechtes besteht allerdings kein Anspruch aus EBV mangels Bösgläubigkeit. Da dieses aber dem Grunde nach vorliegt und Vorrang vor der unberechtigten GoA hat, besteht im Ergebnis gar kein Anspruch. Im hier vorliegenden Fall ist allerdings grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Übernahme anzunehmen. Trotz Verdrängen durch das EBV besteht eben auch dort der Anspruch.