Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Täterschaft und Teilnahme
Deliktisches Minus auf Ebene der Rechtswidrigkeit
Deliktisches Minus auf Ebene der Rechtswidrigkeit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T bezichtigt seinen Feind F zu Unrecht einer Straftat. Auf Grund der vorsätzlichen Falschaussage des T ist der Richter R von der Schuld des F überzeugt und verurteilt diesen – wie von T gewollt – zu einer Freiheitsstrafe.
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Einordnung des Falls
Deliktisches Minus auf Ebene der Rechtswidrigkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem R den F zu Unrecht verurteilte, hat er sich wegen Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. T selbst erfüllt den objektiven Tatbestand der Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
3. Der eigene Verursachungsbeitrag des Hintermannes T liegt vor.
Ja!
4. Vordermann R hat eine unterlegene Stellung gegenüber dem Hintermann T.
Genau, so ist das!
5. T hatte auch nach der Tatherrschaftslehre eine überlegene Stellung.
Ja, in der Tat!
6. Voraussetzungen für eine Zurechnung der Handlung (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) sind (1) ein eigener Verursachungsbeitrag des Hintermannes, (2) eine unterlegene Stellung des Vordermannes und (3) eine überlegene Stellung des Hintermannes.
Genau, so ist das!
7. T hatte nach der subjektiven Theorie eine überlegene Stellung (Täterwillen).
Ja, in der Tat!
8. T hat sich durch seine falsche Bezichtigung wegen Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft (§§ 239 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
I-m-possible
29.6.2022, 15:44:53
Ich frage mich warum der R als Tatmittler auf der Rechtswidrigkeitsebene einen Strafbarkeits-Mangel aufweist und nicht auf der Tatbestandsebene. Er kennt ja den vollständigen Sachverhalt demnach ja nicht.
Lukas_Mengestu
29.6.2022, 20:52:20
Hallo I-m-possible, der Tatbestand des § 239 Abs. 1 StGB setzt lediglich voraus, dass der Täter einen Menschen einsperrt/auf andere Weise der Freiheit beraubt und insoweit vorsätzlich handelt. Dies liegt im vorliegenden Fall vor. Der Grund dafür, warum der Täter den Tatbestand verwirklicht, ist zunächst einmal egal. Deswegen ergibt sich die Rechtfertigung hier lediglich daraus, dass R als Richter dazu befugt ist, eine Freiheitsstrafe zu verhängen, wenn sich die Beweislage entsprechend darstellt. Dies war hier der Fall, weswegen R als Tatmittler ein Defizit auf Rechtswidrigkeitsebene aufweist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Allegra.B
18.11.2022, 16:11:26
Irgendwie habe Ich ein wenig Bauchschmerzen damit die RW des R wegen dem
Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigungentfallen zu lassen und gleichzeitig (wie die Lösung es macht) die Tatherrschaft des T zu bejahen, da der dieses planvoll lenkend in den Händen hält und den R „beherrscht“. Ich verstehe was dargestellt werden soll, aber Ich wäre anders abgebogen und hätte auch Angst, dass mir jemand das bei einer Klausur so „um die Ohren haut“. 😅 (Stichwort: widersprüchliche Auslegung oder Argumentation). Gibt es denn dazu Rechtssprechung oder Ähnliches? Oder vllt. ist auch ein Feature, welches alternatives „Abbiegen“ bei den Meinungsstreitigkeiten in solchen Fällen zulässt, eine Idee 😊
Lukas_Mengestu
22.11.2022, 15:36:34
Hallo Allegra, vielen Dank für die Nachfrage. Einen klassischen "Streit" mit widerstreitenden Ansichten gibt es hier eigentlich nicht so richtig. Wenn ich Dich richtig verstehe, bereitet es Dir Unbehagen, R einerseits die freie richterliche Überzeugung zuzusprechen und andererseits T als Herrscher darzustellen, ist das korrekt? Vielleicht wird der vermeintliche Widerspruch deutlicher, wenn Du Dir die Position vergegenwärtigst, die wir hier als "Klausurbearbeiter:in" einnehmen. Wir sind nicht aktiv in dem Prozess, sondern schauen quasi als allwissender Beobachter darauf. Aus Rs Sicht war es nur folgerichtig, F zu verurteilen, wenn er die (Falsch-)Aussage von T als glaubhaft einstuft. Ob R eher F oder T glaubt, unterliegt seiner freien richterlichen Beweiswürdigung, weswegen er später nicht strafrechtlich dafür zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn ihm insoweit ein Fehler unterlaufen ist. Für uns als allwissende Beobachter ist dagegen deutlich, dass R hier nur als Marionette benutzt wird. Seine vermeintlich freie Entscheidung wird durch Ts Falschaussage gesteuert, womit T unstreitig als mittelbarer Täter agiert. Sofern dies auffliegt, wird er hierfür strafrechtlich verfolgt. Und auch für F wirkt sich dies günstig aus. Denn er kann in diesem Fall die Wiederaufnahme seines Verfahrens beantragen (§ 359 Nr. 2 StPO). Ich hoffe, jetzt ist es etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team