Geschäftsführer wird aufgrund eines Vertrags mit einem Dritten tätig


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Klassisches Klausurproblem

B ist Eigentümer von Wohnungen und lässt sie von der W GmbH verwalten. U verpflichtet sich gegenüber W zu Reparaturleistungen an den Wohnungen. W ist nach Abschluss der Arbeiten zahlungsunfähig. U will sich an B halten.

Einordnung des Falls

Geschäftsführer wird aufgrund eines Vertrags mit einem Dritten tätig

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U hat gegen B einen vertraglichen Anspruch aus § 631 Abs. 1 BGB.

Nein!

B und U haben keinen Werkvertrag geschlossen. B war auch aus keinem anderen Grund zur Reparatur gegenüber B verpflichtet.

2. U kann von B Zahlung des Werklohns verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB).

Genau, so ist das!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass U (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.

3. Indem U die Reparaturen an den Wohnungen des B durchführte, hat er "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB).

Ja, in der Tat!

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis. Sie liegt vor, wenn jemand (der Geschäftsführer) ein Geschäft für einen anderen (den Geschäftsherrn) besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede fremdnützige tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Die Durchführung einer Reparatur an den Wohnungen, ist eine tatsächliche Tätigkeit. U hat ein Geschäft besorgt.

4. Indem U die Reparaturen an den Wohnungen durchgeführt hat, hat er ein objektiv fremdes Geschäft besorgt.

Nein!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen. Die Reparatur ist zum einen ein objektiv eigenes Geschäft des Geschäftsführers U, da er damit seine Verpflichtung aus dem mit W geschlossenen Vertrag erfüllt. Zum anderen kommt das Geschäft aber auch unmittelbar dem Eigentümer B zugute. Sein Eigentum wird erhalten, wofür B nach der umfassenden Zuweisung der Befugnisse in § 903 BGB eigentlich selber zuständig ist. Es liegt ein auch-fremdes Geschäft vor.

5. Bei "auch-fremden Geschäften" wird der Fremdgeschäftsführungswillen unwiderleglich vermutet.

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich wird nach der Rechtsprechung der Fremdgeschäftsführungswillen beim auch-fremden Geschäft vermutet, insbesondere wenn das Interesse des Anderen an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht (sehr strittig). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden.

6. U handelte mit Fremdgeschäftsführungswillen.

Nein, das trifft nicht zu!

h.L.: Der pflichtengebundene Geschäftsführer möchte vorrangig seine Pflicht aus dem Werkvertrag erfüllen und sich damit seine Vergütung verdienen. BGH: grundsätzlich soll in solchen Fällen die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens bestehen bleiben. Denn dem Schuldner könne die Fremdnützigkeit seines Verhaltens durchaus bewusst sein und ebenfalls seinem Willen entsprechen (Rechtsgedanke des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, §§ 133, 157 BGB). Der Fremdgeschäftsführungswille bestehe aber nicht wenn die Verpflichtung auf einem mit einem Dritten wirksam geschlossenen Vertrag beruht, der Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, insbesondere die Entgeltfrage, umfassend regelt. Mit der vereinbarten Vergütung solle U von seiner Vertragspartnerin W die Bezahlung erhalten. Es sei nicht Zweck des Instituts der GoA das Insolvenzrisiko der Parteien auf Dritte zu verlagern.

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Larzed

Larzed

19.7.2022, 00:46:50

Warum besteht zwischen U und B kein Vertrag? Ich würde eher annehmen, dass B der W GmbH eine Vollmacht zur Verwaltung erteilt hat oder liege ich da ganz falsch?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.7.2022, 16:45:19

Hallo Larzed, das ist durchaus kein fernliegender Gedanke in der Praxis :-) Für die Falllösung musst Du Dich allerdings primär am Sachverhalt orientieren. Dass die W-GmbH hier in Vertretung für B den Werkvertrag abschließt, ergibt sich hier nicht aus dem Sachverhalt. Vielmehr heißt es dort, dass sich U gegenüber W (also nicht gegenüber B) verpflichtet, die Werkleistung zu erbringen. Aus diesem Grund besteht keine direkte vertragliche Beziehung zwischen B und U. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SH

Showstehler

19.6.2023, 19:01:31

In dieser Konstellation lehnt auch der BGH die Anwendbarkeit von §§ 677 ff. BGB ab, sofern der Vertrag die Entgeltfrage "umfassend" regelt. BGH NJW-RR 2004, 81

PET

Petrus

24.6.2023, 20:59:50

Ich hätte gedacht, dass der BGH den Fremdgeschäftsführungswillen trotzdem bejaht und im Falle dass der Vertrag mit dem Dritten insbesondere die Entgeltfrage umfassend regelt den GoA Anspruch auf Konkurrenzebene zurücktreten lässt? Hier steht jetzt aber, dass er bereits den FGW verneint.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.6.2023, 12:06:05

Hallo Petrus, es ist genauso wie von dir auch wiedergegeben. Grundsätzlich ist bei auch-fremden Geschäften der Fremdgeschäftsführungswille widerleglich vermutet. Basiert die Geschäftsführung aber auf einem wirksamen Vertrag, der mit einem dritten geschlossen wurde handelt der Geschäftsführer zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit und nicht im Willen ein Geschäfts für einen anderen zu führen. Dies ist die Position, die der BGH vertritt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

PET

Petrus

27.6.2023, 16:53:57

Hallo Nora, danke für die schnelle Antwort. Dann ist es also so, dass der BGH grundsätzlich bei auch-fremden Geschäften den FGW vermutet und den Anspruch auf Konkurrenzebene ausscheiden lässt, aber in der vorliegenden Fallgruppen nicht weil der Geschäftsführer das Geschäft hier nicht für einen anderen führen will?

LS2024

LS2024

16.3.2024, 17:18:41

In einem später folgenden Fall wird der Fremdgeschäftsführungswille beim pflichtgebundenen Geschäftsführer auch nach BGH vermutet. Damit ist entweder die Lösung hier oder dort falsch.

Simon

Simon

19.6.2024, 23:58:31

So wie ich es verstehe, lehnt der BGH in Fällen, in denen die Geschäftsbesorgung abschließend durch Vertrag geregelt ist, schon die Anwendbarkeit der GoA ab und nicht erst den FGW. Dazu BGH, BeckRS 2012, 15359: "Beruht die Verpflichtung des Geschäftsführers indes auf einem wirksam geschlossenen Vertrag, der die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend regelt, kann ein Dritter, dem das Geschäft auch zu Gute kommt, nicht auf Aufwendungsersatz wegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag in Anspruch genommen werden [...] Den Rückgriff auf Aufwendungsersatzansprüche verwehrt in diesem Fall der aus der Parteiautonomie folgende Vorrang der vertraglichen Rechte gegenüber dem Ausgleich der aus der erbrachten Leistung resultierenden Vorteile Dritter, die außerhalb des Vertrags stehen". Umfassender auch BGH, NJW-RR 2004, 81, 82 f. Die Lit. regelt das wohl teilweise über den FGW, s. z.B. BeckOK, Stand: 01.05.2024, § 677 Rn. 16.

LS2024

LS2024

20.6.2024, 11:22:12

Hi @Simon, danke für deine Antwort. Ich schätze in der Klausur ist es am sinnvollsten, (wie bei dieser Aufgabe von Jurafuchs gemacht) bis zum Fremdgeschäftsführungswillen zu prüfen und dann unter Verweis auf das gleiche Ergebnis die Prüfung nach Darstellung des Meinungsstreits abbrechen. Wie du ja geschrieben hast, ist die Argumentation des BGH aber nicht, dass kein Fremdgeschäftsführungswille vorlag, sondern der Vorrang des Vertrages. Das müsste meiner Meinung nach hier deutlich gemacht werden.


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