Verhältnis Tarifvorrang und Tarifvorbehalt

11. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die E-Auto AG (E) ist Mitglied des Metallarbeitgeberverbands Saarland (M). Der Arbeitszeittarifvertrag zwischen M und der IG Metall verbietet Samstagsarbeit. M kündigte den Tarifvertrag wirksam zum 31.12. E möchte nun im neuen Jahr mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung schließen, die Samstagsarbeit in Ausnahmefällen zulässt.

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Einordnung des Falls

Verhältnis Tarifvorrang und Tarifvorbehalt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt werden, unterliegen grundsätzlich dem Tarifvorbehalt und können nicht mehr durch Betriebsvereinbarung geregelt wrden (§ 77 Abs. 3 BetrVG).

Ja!

Fällt ein Betrieb in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages, so genießen die tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen grundsätzlich Vorrang vor einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 3 BetrVG).Für den Tarifvorrang kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Selbst wenn E also kein Mitglied des Arbeitgeberverbandes wäre, würde grundsätzlich der Tarifvorbehalt abweichende Betriebsvereinbarungen sperren.
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2. Der Tarifvorbehalt entfällt vorliegend bereits deshalb, weil der Arbeitgeberverband den Tarifvertrag gekündigt hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Regelungssperre genügt es, dass die Arbeitsbedingungen üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden. Auch wenn der Tarifvertrag also beendet wurde und lediglich nachwirkt (vgl. § 4 Abs. 5 TVG), beseitigt dies automatisch nicht die Regelungssperre aus § 77 Abs. 3 TVG.Streben die Parteien allerdings keine Nachfolgeregelung an, so ist die Regelung nicht mehr tarifüblich. Die Nachwirkung des Tarifvertrages kann dann durch jede andere Abmachung, also auch eine Betriebsvereinbarung, ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 TVG).

3. Der Tarifvorbehalt gilt nach der Rechtsprechung aber ausnahmsweise nicht in sozialen Angelegenheiten, die der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen.

Nein, das trifft nicht zu!

Neben dem Tarifvorbehalt (§ 77 Abs. 3 BetrVG) findet sich im Gesetz auch der sogenannte Tarifvorrang bei sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs. 1 BetrVG). Hier ist eine Betriebsvereinbarung nur dann ausgeschlossen, wenn tatsächlich eine tarifliche Regelung besteht und der Arbeitgeber an diese tariflich gebunden ist. Nach dem Bundesarbeitsgericht verdränge der Tarifvorrang (§ 87 Abs. 1 BetrVG) den Tarifvorbehalt (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Begründet wird dies mit dem Arbeitnehmerschutz. Dieser werde in sozialen Angelegenheiten nur dann hinreichend gewährleistet, wenn eine verbindliche Tarifregelung vorliegt. Fehle es daran, so bleibe das Mitbestimmungsrecht erhalten. In der Literatur ist dies umstritten.

4. Die Lage der Arbeitszeit ist eine mitbestimmungspflichtige soziale Angelegenheit. Kann E mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung schließen, in der die Samstagsarbeit geregelt wird?

Ja!

Nach dem Bundesarbeitsgericht verdrängt der Tarifvorrang (§ 87 Abs. 1 BetrVG) den Tarifvorbehalt (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Es genügt also nicht, dass ein Betrieb in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fällt oder eine Tarifregelung lediglich üblich ist. Vielmehr ist eine Betriebsvereinbarung nur dann ausgeschlossen, wenn tatsächlich eine tarifliche Regelung besteht und der Arbeitgeber an diese tariflich gebunden ist.Die Arbeitszeit ist mitbestimmungspflichtig. Es gilt somit allein der Tarifvorrang. M hat den Arbeitszeittarifvertrag gekündigt. Somit fehlt es an einer wirksamen Regelung zur Arbeitszeit. Damit steht es den Betriebsparteien frei eine eigene Regelung zu treffen und auch die Samstagsarbeit zu erlauben.
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