Nachwirkung bei erzwingbarer Mitbestimmung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Arbeitgeber Bert hat die Betriebsvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit fristgerecht und wirksam zum 31.12.2021 gekündigt. Die Verhandlungen über eine neue Vereinbarung ziehen sich in die Länge. Arbeitnehmerin Hanna fragt sich, ob sie im Januar 2022 trotzdem in Gleitzeit arbeiten kann.

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Einordnung des Falls

Nachwirkung bei erzwingbarer Mitbestimmung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Unbefristete Betriebsvereinbarungen können grundsätzlich von jeder Seite mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

Ja!

Wurde eine Betriebsvereinbarung auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, so steht es jeder Betriebspartei diese einseitig durch eine Kündigung zu beenden. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt dabei drei Monate (§ 77 Abs. 5 BetrVG). In der Betriebsvereinbarung können aber auch kürzere bzw. längere Kündigungsfristen vereinbart werden.Die Beseitigung einer Betriebsvereinbarung kann auch durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages erfolgen oder indem sie von vorneherein auf eine bestimmte Zeit befristet ist.
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2. Mit Ablauf der Kündigungsfrist endet stets auch die Wirkung der Betriebsvereinbarung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Unterliegt eine Vereinbarung der erzwingbaren Mitbestimmung, so gilt sie im Grundsatz weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Dies gilt nicht, wenn die Parteien die Nachwirkung für die Vereinbarung ausgeschlossen haben. Die Nachwirkung ist ein entscheidender Trumpf im Hinblick auf den Abschluss einer neuen Vereinbarung. Denn zumindest der status quo bleibt gesichert.

3. Die Vereinbarung über gleitende Arbeitszeit unterliegt der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats. Kann sich Hanna im Januar noch auf die Gleitzeitregelungen berufen?

Ja, in der Tat!

Unterliegt eine Vereinbarung der erzwingbaren Mitbestimmung, so gilt sie im Grundsatz weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird (§ 77 Abs. 6 BetrVG).Die Vereinbarung über die gleitende Arbeitszeit betrifft Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Betrieb und stellt damit eine mitbestimmungspflichtige, soziale Angelegenheit dar (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Es liegt kein Hinweis vor, dass die Parteien die Nachwirkung ausgeschlossen haben. Somit gilt die Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung weiter. Hanna kann also auch im Januar 2022 von der Gleitzeit Gebrauch machen.
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