Zivilrecht

Werkrecht

Zustandekommen und Beendigung

Nichtigkeit bei anfänglicher Ohne-Rechnung-Abrede II (§ 134 BGB)

Nichtigkeit bei anfänglicher Ohne-Rechnung-Abrede II (§ 134 BGB)

3. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

B hat seine Glastür zerbrochen und beauftragt U mit der Reparatur. U möchte Steuern sparen und bietet B an „Ohne-Rechnung“ zu arbeiten. Nach der Abnahme möchte B nicht zahlen.

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Einordnung des Falls

Nichtigkeit bei anfänglicher Ohne-Rechnung-Abrede II (§ 134 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Damit U seinen Werklohn von B verlangen kann, müsste er einen wirksamen Werkvertrag mit B geschlossen haben (§ 631 BGB).

Genau, so ist das!

Voraussetzung für den Werklohnanspruch ist (1) ein wirksamer Werkvertrag und dessen (2) Fälligkeit (§ 641 BGB). Zu 1: Verträge sind nach §§ 134, 139 BGB nichtig, wenn sie gegen ein Verbotsgesetz verstoßen.
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2. Die „Ohne-Rechnung-Abrede“ verstößt gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG.

Ja, in der Tat!

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG leistet Schwarzarbeit, wer Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei die steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Werkleistungen werden ohne Rechnung erbracht, um den entsprechenden Umsatz vor den Steuerbehörden zu verheimlichen. Die Reparatur ist eine Werkleistung. U erbringt diese „Ohne-Rechnung“, um Steuern zu sparen.

3. Der Werkvertrag ist wegen des Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig, weil es ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB ist.

Ja!

Verbotsgesetze richten sich gegen den Erfolg des Rechtsgeschäfts. Die Norm muss (1) ein bestimmtes Verhalten verbieten und (2) Telos der Norm muss die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts sein. Ein beidseitiger Verstoß liegt vor, wenn der Unternehmer vorsätzlich gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstößt, der Besteller den Verstoß kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit (BGH NJW 2013, 3167 RdNr. 13). § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verbietet den Abschluss eines unter Schwarzarbeit ausgeführten Werkvertrags. Sinn und Zweck des SchwarzArbG ist es, dem Rechtsgeschäft seine rechtliche Wirkung zu versagen.

4. U steht gegen B aber ein Aufwendungsersatzanspruch aufgrund einer berechtigten GoA zu (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Voraussetzungen für den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) ist, dass der Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft besorgt, (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung handelt und (4) zur Geschäftsbesorgung berechtigt war. Strittig ist, ob bei nichtigen Verträgen ein Fremdgeschäftsführungswille angenommen werden kann. Jedenfalls muss der Geschäftsführer seine Aufwendungen für erforderlich halten, was zu verneinen ist, wenn durch sie gegen ein gesetzliches Verbots verstoßen wird. Die Aufwendungen sind wegen des Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht erforderlich.

5. U kann gegen B einen Bereicherungsanspruch geltend machen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Leistungskondiktion setzt voraus, dass der Bereicherungsschuldner (1) etwas (2) durch Leistung des Bereicherungsgläubigers und (3) ohne rechtlichen Grund erlangt. Der Anspruch ist aber nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Leistende und der Empfänger gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Ein beidseitiger Verstoß liegt bei Schwarzarbeit vor, wenn der Unternehmer vorsätzlich gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstößt, der Besteller den Verstoß kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Mangels wirksamen Werkvertrag hat B die Reparaturleistung durch U zwar ohne rechtlichen Grund erlangt. B hat diesen Verstoß aber gekannt und bewusst zum eigenen Vorteil ausgenutzt, sodass der Anspruch nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MerkurMagie

MerkurMagie

5.3.2023, 23:41:59

Ich hab nicht ganz verstanden, weswegen die GoA nicht an „ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung scheitert“, wo das doch weit zu verstehen ist und man ja schon meinen würde, dass U zumindest sonstig berechtigt ist.

TI

Timurso

6.3.2023, 11:31:14

Der Werkvertrag ist nichtig. Eine sonstige Berechtigung (aus Gesetz o.ä.) gibt es nicht. Allerdings täuscht dich dein Gefühl nicht, man könnte die Literaturmeinung theoretisch wohl auch an dieses Merkmal knüpfen und sagen: Es gab eben schon einen Auftrag, der ist nur nichtig. Daher keine Anwendbarkeit der GoA. Kommt im Ergebnis aufs selbe raus, wie über den

Fremdgeschäftsführungswille

n rauszugehen (der wird nur zuerst geprüft).

MER

Merida

16.7.2023, 11:43:32

Ganz allgemein gesagt: wer das Gesetz umgeht ist auch dessen Schutzes nicht würdig. Heißt: wer Schwarzarbeit vereinbart wird auch nicht geschützt. Das hat mir als „leitsatz“ immer geholfen ☺️

Antonia

Antonia

21.7.2023, 13:59:25

Ich würde die GoA hier auch eher daran scheitern lassen, dass der Unternehmer ja leistet um eine (angenommene) Verbindlichkeit (der nichtige Vertrag) zu erfüllen. Wenn ein Mieter aufgrund einer unwirksamen Klausel Schönheitsreparaturen vornimmt, wird die GoA ja auch aus diesem Grund abgelehnt 🤔

A143

Anna C. 143

11.1.2024, 08:34:05

Scheitert die Geschäftsführung nicht auch daran, dass der U überhaupt kein

fremdes Geschäft

führen will? (er handelt ja, um einen - wenn auch nichtigen - Vertrag zu erfüllen)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.1.2024, 11:25:08

Hallo Anna. C 143, danke für deine Frage. Im Prinzip ist es genau andersrum: Bei einem wirksamen Vertrag wird das fremde Geschäft abgelehnt, da man annimmt, dass der Geschäftsführer in dem Fall auf eine eigne Verbindlichkeit leistet und daher ein eigenes Geschäft führt. Bei einem nichtigen Vertrag ist dies nicht so eindeutig. Viele vertreten, dass in einem solchen Fall ein

fremdes Geschäft

vorliegt, dann scheitert es aber an der Erforderlichkeit. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

in persona

in persona

28.8.2024, 19:51:32

Hallo:) was meint ihr denn genau damit,dass es an der Erforderlichkeit scheitert-stehe leider gerade etwas auf dem Schlauch…

BUT

buttiful

31.10.2024, 16:44:41

@[in persona](249316) Ich denke mal, sie meint die erforderlichen Aufwendungen, die man unter 670 BGB zu prüfen hat. Hoffe konnte soweit weiterhelfen! LG

G0D0FM

G0d0fMischief

18.11.2024, 09:39:34

Sehe das wie @[Anna C. 143](229753), da der U hier solvendi causa leistet. U will seiner vermeintlichen Pflicht aus dem Werkvertrag nachgehen und leistet daher in Erfüllung einer „Verbindlichkeit“. Auch wenn der Vertrag nichtig ist, leistet U damit der Besteller seinerseits den Werklohn; Stichwort „do ut des“ Sollte man den

Fremdgeschäftsführungswille

n bejahen und es an der Erforderlichkeit scheitern lassen (so wie beispielsweise der BGH) müsste man konsequenterweise einen Anspruch aus § 812 ff. BGB aufgrund einen bestehenden Rechtsgrundes verneinen (die GoA besteht ja dem Grunde nach), sodass man nicht zu der Problematik der Anwendung von § 817 S. 1 BGB (analog) kommen würde. Im Ergebnis macht es keinen großen Unterschied, da U auch dann keinen Wertersatz nach § 818 II BGB verlangen könnte.

kaan00

kaan00

16.1.2024, 13:25:08

Dürfte U das Fenster wieder ausbauen und mitnehmen?

Sambajamba10

Sambajamba10

23.2.2024, 14:18:06

Wegen §§

946

, 93 sollte es so sein, dass der Besteller mit Einbau des Fensters auf seinem Grundstück der Eigentümer (und auch Besitzer) wird, weshalb der Unternehmer dies mE nicht darf.

kaan00

kaan00

23.2.2024, 20:44:54

Stimmt guter Gedanke!

PETE

Peter

20.3.2024, 18:14:06

In dem Fall würde wahrscheinlich auch ein Rechts

fortwirkung

s-

Herausgabeanspruch

bezüglich der Bereicherung aus dem Eigentumserwerb aus §§ 951 I 1, 812 I 1 Alt. 1 BGB wegen

§ 817 BGB

scheitern?

DAV

david1234

12.6.2024, 17:41:13

Nach HM verweist 951 auf die

Nichtleistungskondiktion

, da allerdings zwischen den Parteien „geleistet“ worden ist, ist die

Nichtleistungskondiktion

ausgeschlossen: Vorrang der Leistungskondiktion. Selbst wenn man 951 auf die Leistungskondiktion beziehen würde, scheitert sie an dem von dir erwähnten 817 Satz zwei analog.


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