+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Wegen des ungleichen Bildungsniveaus unter Schülern entbrennt in Deutschland eine Diskussion über einheitliche Standards an Schulen. Die Bundesregierung will Lehrpläne, Klassengrößen und Bezahlung der Lehrer bundesweit vereinheitlichen. Die Bundesländer sind empört.

Einordnung des Falls

Föderaler Staat: Verhältnis Bund und Länder

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In Deutschland hat der Bundesgesetzgeber eine umfassende Kompetenz zur Regelung aller Fragen, die das Leben der Bundesbürger betreffen.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Bundesrepublik Deutschland ist als Bundesstaat verfasst (Art. 20 Abs. 1 GG). In diesem sind sowohl die Bundesländer als auch der Bund souveräne Staaten. Das Zusammenspiel zwischen den 16 Bundesländern und dem Bund wird durch das Grundgesetz näher ausgestaltet. Dabei werden die Zuständigkeiten und Aufgaben der beiden Ebenen Bund und Land näher bestimmt und voneinander abgegrenzt. Im Grundsatz ist die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder (Art. 30, 70 Abs. 1 GG). Demgegenüber hat der Bund das Sagen, soweit das Grundgesetz dies bestimmt.

2. Welche Kompetenzen den Ländern und welche dem Bund bei der Gesetzgebung zugewiesen sind, legt das Grundgesetz fest.

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Ja, in der Tat!

Auch die Gesetzgebungskompetenz liegt bei den Ländern, soweit das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz nicht ausdrücklich dem Bund zuweist (Art. 70 Abs. 1 GG). Das Grundgesetz weist dem Bund ausschließliche (Art. 71, 73 GG) und konkurrierende (Art. 72, 74 GG) Kompetenzen zu. Diese Vorschriften listen katalogartig die Bereiche auf, bei denen die jeweilige Kompetenz gilt (sog. Kompetenztitel). Damit der Bund also ein Gesetz erlassen darf, muss für den zu regelnden Bereich zunächst ein Kompetenztitel gefunden werden; findet sich dieser nicht, verbleibt die Kompetenz bei den Ländern. Der Bund darf dann in diesem Bereich nicht gesetzgeberisch tätig werden.

3. Die Bundesregierung kann zur Vereinheitlichung bestimmter Regelungsbereiche und zur Herstellung einheitlicher Standards Kompetenzen der Länder einseitig an sich ziehen.

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Nein!

In Deutschland konkurrieren verschiedene Hoheitsträger - Bund, Länder und auch die Kommunen - um die Ausübung hoheitlicher Aufgaben und Befugnisse. Die Kompetenz, die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Hoheitsträgern zu verändern (sog. Kompetenz-Kompetenz), weist das Grundgesetz dem Bund zu. Der Bund hat grundsätzlich die Möglichkeit, sich selbst gegenüber den Ländern weitere Kompetenzen einzuräumen. Dies geht aber nur per Verfassungsänderung. Dieser müssen Bundestag und Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen (Art. 79 Abs. 2 GG). Der Bundesrat setzt sich aus Vertretern der Länder zusammen. Somit müssen die Länder einer Kompetenzverschiebung zugunsten des Bundes im Ergebnis zustimmen.

4. Der Bereich Bildung einschließlich der Organisation schulischer Bildung ist eine Kompetenz der Länder.

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Genau, so ist das!

Für den Bereich des schulischen Bildungswesens findet sich im Grundgesetz kein Kompetenztitel, der die Gesetzgebungskompetenz hierfür dem Bund zuweist. Der Bund verfügt lediglich in einigen Teilbereichen des Bildungswesens über grundgesetzlich abgesicherte Kompetenzen, z.B. bei der außerschulischen beruflichen Bildung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG). Somit verbleiben die Kompetenzen auf diesem Bereich bei den Ländern (Art. 30, 70 GG).

5. Der Bundesgesetzgeber kann die Rahmenbedingungen der schulischen Bildung bundesweit vereinheitlichen.

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Nein, das trifft nicht zu!

Da die Länder die Kompetenz für den Bereich Bildung und die Organisation schulischer Bildung haben, kann der Bund die von ihm beabsichtigte Vereinheitlichung der Lehrpläne, Klassengrößen und Bezahlung der Lehrer nicht umsetzen. Es fehlt ihm am Kompetenztitel. Für eine solche Vereinheitlichung wäre eine Verfassungsänderung erforderlich. Auch hier bedarf es der Mitwirkung der Länder, da eine Verfassungsänderung nicht nur im Bundestag, sondern auch im Bundesrat, der sich aus den Ländervertretern zusammensetzt, eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt.

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