+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Verbraucherin V ist großer Musikfan. Deshalb kauft sie von Unternehmerin U ein neues Album ihrer Lieblingskünstlerin für €10. Sie vereinbaren, dass V auf das Album online in Us App Mango Music zugreifen kann. V kann auch nach zwei Tagen noch nicht auf das Album zugreifen.
Einordnung des Falls
Grundfall: verspätete Bereitstellung digitale Inhalte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB eröffnet (§ 327 BGB)?
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Ja, in der Tat!
Die Regelungen über digitale Produkte können nur angewendet werden, wenn der persönliche und sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Der persönliche Anwendungsbereich setzt einen Verbrauchervertrag voraus (§ 327 Abs. 1 S. 1 BGB). Der sachliche Anwendungsbereich setzt voraus, dass der Unternehmer gegen Zahlung eines Preises ein digitales Produkt bereitstellt. Laut Sachverhalt ist V Verbraucherin und U Unternehmerin. Es liegt damit ein Verbrauchervertrag vor. Das Album stellt einen digitalen Inhalt dar (§ 327 Abs. 2 S. 1 BGB). Für diesen wurde ein Preis gezahlt. Der Anwendungsbereich ist eröffnet.
2. Der Unternehmer ist verpflichtet, das digitale Produkt bereitzustellen.
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Ja!
Die Verpflichtung zur Bereitstellung wird zwar in den §§ 327 ff. BGB nicht ausdrücklich benannt. § 327b Abs. 1 BGB setzt sie aber voraus.Eine Legaldefinition der „Bereitstellung“ findet sich in § 327b Abs. 3, 4 BGB. Dabei wird differenziert zwischen digitalen Inhalten und Dienstleistungen.
3. Hat U das Album bereits bereitgestellt (§ 327b Abs. 3 BGB)?
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Nein, das ist nicht der Fall!
Ein digitaler Inhalt ist bereitgestellt, sobald der digitale Inhalt oder die geeigneten Mittel für den Zugang zu diesem oder das Herunterladen des digitalen Inhalts dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist (Legaldefinition in § 327b Abs. 3 BGB). V und U haben als Einrichtung, über die der digitale Inhalt zur Verfügung gestellt werden soll, eine App bestimmt. V kann nicht auf das Album zugreifen. Ihr wurde das Album also nicht zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht. Es fehlt an einer Bereitstellung.
4. U ist mit ihrer Verpflichtung zur Bereitstellung verspätet (vgl. § 327b Abs. 2 BGB).
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Ja, in der Tat!
Ohne eine Parteivereinbarung kann der Verbraucher das digitale Produkt unverzüglich verlangen (§ 327b Abs. 2 BGB). Unverzüglich bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB). Mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass keine Parteivereinbarung vorliegt. Das heißt, dass U „unverzüglich“ zu leisten hatte. V hat nach zwei Tagen den digitalen Inhalt noch nicht bereitgestellt bekommen. Ein Grund für die Verspätung ist nicht ersichtlich. Es liegt also eine verspätete Bereitstellung vor.
5. V stehen jetzt – gegebenenfalls unter weiteren Voraussetzungen – die Gewährleistungsrechte des § 327c BGB offen.
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Ja!
Die neugefassten §§ 327 ff. BGB sehen ein eigenständiges Leistungsstörungs- und Mängelgewährleistungsrecht vor. Dabei wird bei den Rechten differenziert zwischen Rechten bei einer Nichtleistung (§ 327c BGB) und Rechten bei Schlechtleistung (§ 327i BGB). Hier liegt eine Nichtleistung vor. Es sind also die Leistungsstörungsrechte des § 327c BGB einschlägig.Dass hier nicht direkt auf das allgemeine allgemeine Schuldrecht zurückgegriffen wird, hat in erster Linie dogmatische Gründe. Anders als § 323 BGB finden die §§ 327ff. BGB nämlich nicht nur auf gegenseitige Verträge Anwendung, sodass der Rückgriff nicht immer passt. Auch die Terminologie ist eine andere, da auch Dauerschuldverhältnisse erfasst werden. Für diese wäre statt „Rücktritt“ der Begriff „Kündigung“ anzuwenden. Um beides zu erfassen heißt es in § 327c BGB „Vertragsbeendigung“.