Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Verbraucherverträge über digitale Produkte (§ 327 ff. BGB)
Grundfall: Schadensersatz
Grundfall: Schadensersatz
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Verbraucherin V bucht bei Unternehmerin U online Yogakurse, die V abrufen kann, wann sie möchte. V hat nach 15 Tagen noch keinen Zugriff auf die Kurse. Einer ausdrücklichen Aufforderung zur Bereitstellung, ist U nicht nachgekommen. V bucht Yogakurse bei einem anderen Anbieter.
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Einordnung des Falls
Grundfall: Schadensersatz
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB ist eröffnet (§ 327 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. U ist gesetzlich dazu verpflichtet, V den Kurs “bereitzustellen“ (§ 327b Abs. 2 BGB).
Ja!
3. Die Leistungszeit für die Bereitstellung ist noch nicht eingetreten (§ 327b Abs. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Um die Gewährleistungsrechte bei einer Nichtleistung (§ 327c BGB) geltend zu machen, muss V der U zunächst eine Frist zur Bereitstellung setzen.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Auch für den Schadensersatz sehen die §§ 327 ff. BGB vollständige Regelungen vor. Ein Rückgriff auf die §§ 280 ff. BGB ist nicht möglich.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jc1909
28.2.2023, 19:32:10
Die Formulierung „ist gesetzlich dazu verpflichtet“ ist etwas irreführend, da U ja eigentlich vertraglich dazu verpflichtet ist und nicht kraft Gesetzes.
cann1311
28.2.2023, 23:16:14
Warum? Du bist ja auch gesetzlich dazu verpflichtet einen Kaufpreis zu zahlen, auch wenn diese vertraglich zustande gekommen ist
Dogu
8.6.2023, 16:36:03
@[cann1311](186690) Das stimmt mE so nicht. Das Gesetz schreibt keine konkrete Gegenleistung vor, sondern der Anspruch folgt aus der vertraglichen Vereinbarung. Streng genommen müsste man beim Kaufpreisanspruch auch als AGL den Kaufvertrag hinschreiben und nicht § 433 II BGB (steht auch so in vielen Lehrbüchern). Des Weiteren findet ja auch bezüglich der Haupt- und Gegenleistung genau deswegen keine AGB-Kontrolle s
tatt, da insoweit nicht von den gesetzlichen Vorschriften abgewichen werden kann (§ 307 1 III BGB), da es solche gesetzlichen Verpflichtungen nicht gibt. jc1909s Einwand ist daher gerechtfertigt.
Johannes Nebe
12.11.2024, 07:41:18
Ich stimme @[jc1909](167873) und @[Dogu](137074) zu. Die Pflicht zur Bereitstellung ergibt sich aus dem Vertrag, nicht aus dem Gesetz. § 327b II BGB regelt lediglich den Zeitpunkt der Bereitstellung. Um auf @[cann1311](186690) einzugehen, wüsste ich gar nicht, ob die Pflicht zur Übergabe einer Kaufsache
tatsächlich primär gesetzlich auf § 433 I 1 BGB fußt oder ob es sich nur um eine gesetzliche Bestimmung zur Erfüllung undetaillierter Verträge handelt. Hier sind die Dogmatiker unter Euch gefragt.
corpus delicti
9.8.2023, 16:13:14
§ 327c I 1 spricht von einer Aufforderung des verbrauchers der nicht nachgekommen wird, muss der verbraucher dann noch einmal explizit fordern oder reicht es nicht, dass nicht
unverzüglichgeleistet wurde gem. 327b II?
ehemalige:r Nutzer:in
30.8.2023, 19:46:24
Der Verbraucher muss einmal auffordern, nachdem der Unternehmer der fälligen Leistungspflicht zur Bereitstellung nicht nachgekommen ist. § 327b II bestimmt die
Fälligkeit. Die Aufforderung ist vergleichbar mit der
Fristsetzungbei § 281 oder der Mahnung bei § 286. Dem Unternehmer soll Gelegenheit gegeben werden, die Leistungspflicht noch zu erfüllen, bevor der Verbraucher Gewährleistungsrechte geltend machen kann.
ehemalige:r Nutzer:in
30.8.2023, 19:48:22
evanici
27.8.2023, 13:48:33
"ist V nicht nachgekommen", oder?
ehemalige:r Nutzer:in
30.8.2023, 19:42:53
Nein U. Vs Aufforderung zur Bereitstellung ist U nicht nachgekommen.
Simon
20.11.2023, 11:21:39
Das aus hinsichtlich der Leistungszeit aus systematischer Sicht natürlich der § 327 Abs. 2 Anwendung findet, leuchtet mir ein. Besteht auch praktisch ein Unterschied zwischen "sofort" und "
unverzüglich"?
QuiGonTim
16.4.2024, 16:28:21
Das habe ich mich auch gefragt.
Sassun
16.10.2024, 18:05:43
Jein, theoretisch hat der Unternehmer durch "
unverzüglich" (§ 121 I ohne
schuldhaftes Zögern) mehr Zeit als bei "sofort". Faktisch weist die Digitale-Inhalte-RL darauf hin, dass rechtzeitige Erfüllung (Bereitstellung) in der Regel die sofortige Bereitstellung ist.
Lotte🌞
19.1.2024, 10:20:52
Sieht § 327b I verweist doch auf die Pflicht aus § 327 BGB. § 327 BGB findet nur Anwendung, auf einen Vertrag bei dem sich der Unternehmer zur Bereitstellung verpflichtet. Dann ist die Pflicht doch im Gesetz in § 327 I 1 BGB geregelt, wie beim Kaufvertrag in § 433 I 1 BGB oder verstehe ich eure Formulierung die Pflicht sei nicht geregelt falsch?
Nora Mommsen
19.1.2024, 12:26:09
Hallo Lotte, danke für deine Frage. § 327 BGB regelt zunächst den Anwendungsbereich der Regeln des Kapitels. Dies ist auf Verträge anwendbar, die die "Bereitstellung" digitaler Produkte vorsehen. Damit regelt § 327 BGB nicht die Pflicht der Bereitstellung, sondern setzt diese zur Eröffnung des Anwendungsbereichs voraus. Wie aus der Aufgabe hervorgeht, setzt das Gesetz auch in § 327b BGB die Bereitstellung voraus. Daraus lässt sich also ableiten, dass dies bei dieser Art der Verträgen eine Pflicht des Unternehmers darstellt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
TomBombadil
9.4.2024, 19:35:11
Hallo zusammen, mag mir jemand erläutern, weshalb es sich um eine digitale Dienstleistung nach § 327 II Nr. 2 BGB handelt, wo doch der Unternehmer die Daten zur Verfügung stellt ... Ich hätte die Norm so gelesen, dass der Verbraucher oder andere Nutzer Inhalte hochgeladen etc. haben müssten, hier ist es ja aber der Unternehmer ... Vermutlich stehe ich einfach auf dem Schlauch. :/
QuiGonTim
16.4.2024, 16:16:41
Das ahbe ich mich auch gefragt.
Vanilla Latte
29.4.2024, 01:38:36
Hier wird aber nur auf 280 I; 281; 284 verwiesen. Von "280" kann ich nicht auf 280ff ausgehen oder? Und: wie lange müsste der Verbraucher nach der Aufforderung ca warten?
Unverzüglichheißt ja ohne schuldhaft Zögern. Aber wann kann man das annehmen?
Michael
7.10.2024, 13:16:40
Ich weiß die Frage ist alt, aber vielleicht hilft es noch. Die Aufzählung im § 327c II ist unvollständig. So steht im MüKo: "Der Verweis auf die in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche ist allerdings unvollständig. In Betracht kommen sechs Ansprüche: (1) Schadensersatz s
tatt der Leistung nach §§ 327c, 280 Abs. 1 und 3, 281; (2) Aufwendungsersatz gemäß §§ 327c, 284, 280 Abs. 1 und 3, 281; (3)
Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistungnach §§ 327c, 280 Abs. 1 und 2, 286; (4) „einfacher“
Schadensersatz neben der Leistunggemäß §§ 327c, 280 Abs. 1; (5) Schadensersatz s
tatt der Leistung wegen nachträglicher
Unmöglichkeitnach §§ 280 Abs. 1 und 3, 283; (6) Schadensersatz s
tatt der Leistung wegen anfänglicher
Unmöglichkeitnach §
311aAbs. 2. Zum Schadensersatz wegen Verletzung von Schutzpflichten gemäß §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2" (MüKoBGB/Metzger, 9. Aufl. 2022, BGB § 327c Rn. 18) Und bzgl. der Frage was
unverzüglichheißt. Grdsl. wird angenommen, das die Bereitstellung von Digitalen Produkten sofort erfolgen kann, da die meisten Produkte einfach ohne jegliche Wartezeit entsperrt/zur Verfügung gestellt werden können. (HK-BGB/Schulze, 12. Aufl. 2023, BGB § 327c Rn. 6) Ist dann natürlich nach der jeweiligen Situation zu bewerten.